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Rhön: Wer wird Biosphären-Kind?


Autor: Leonie Hauck

Bad Bocklet, Montag, 20. Mai 2019

Zwölf Schulen und Kitas im Landkreis bewerben sich um eine Kooperation mit dem Biosphärenreservat Rhön, darunter der Kindergarten Bad Bocklet
Simon Hartwich (unten links) und Simon Hillenbrand (unten rechts) schauen aus dem Eingang des Biberbaus im Kindergarten Bad Bocklet.  Ihr Freund Josef Hartwich hockt über den beiden. Foto: Leonie Hauck


Ein Wasserlauf lädt zum Aufstauen und Planschen ein. Das Wasser, das hindurchfließt, landet am Ende im kleinen Bibersee. Zwischen den Steinen sind bewusst verschiedene Heilkräuter gepflanzt. Ob Stein, Wasser oder Holz - es sind die unterschiedlichsten Materialien, die im Kneipp-Kindergarten für ein unmittelbares Naturerlebnis sorgen. Es gibt nur eine Regel: "Du darfst auf Stein und auf Holz unterwegs sein", sagt Kindergartenleiterin Christine Eberth-Booms. Die Regel ist notwendig, um den Pflanzen das Wachsen zu ermöglichen. Der Kneipp-Kindergarten hat sich als "Biosphären-Kita" beworben und mit ihm elf andere Schulen und Kitas im Landkreis. Das Aufnahmeverfahren läuft bereits.

Alle Zwölf wollen gerne von der Kooperation mit dem Biosphärenreservat Rhön (BRR) profitieren und damit den Kindern ihre Heimat näherbringen. "Die Natur ist ein riesengroßer Lehrmeister", erzählt Claus Schenk im Gespräch. Er ist der Fachbetreuer für Umweltbildung im Landkreis Bad Kissingen.

Inhalte der Kooperation

Das BRR arbeitet eng mit den Kindergärten zusammen und entwickelt bei den Schulen in Abstimmung mit den Lehrplänen bestimmte Module. Das heißt: Die Kinder lernen beispielsweise etwas zum Thema Wald, Wiese und Wasser in der Theorie, wofür vom BRR oftmals auch schon passendes Text- und Bildmaterial zur Verfügung gestellt wird. Dann werden sie in speziellen Unterrichtseinheiten von Mitarbeitern des Biosphärenzentrums Rhön mit in die Natur genommen, wo ihnen fächerübergreifend verschiedene Aspekte direkt vor Ort vermittelt werden. "Denn wie lernen Kinder am besten? Wenn sie das im Unterricht Gelernte in der Praxis anwenden können", meint Schenk.

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Damit ihr der Titel "Biosphären-Schule" verliehen werden kann, muss die jeweilige Schule oder Kita jedoch bestimmte Kriterien erfüllen. Da gibt es zum einen formelle Anforderungen. Hierzu zählt zum Beispiel, dass die Schule oder Kita in einem Landkreis liegen muss, der Anteil am Gebiet des BRR hat. Oder dass mindestens eine Lehrkraft an den vom BRR angebotenen Fortbildungen teilnimmt, in denen zum Beispiel erklärt wird, wie an der Schule ein Bienenstandort etabliert werden kann.

Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

Zum anderen werden aber auch inhaltliche Anforderungen an die Schulen gestellt. In der Kooperationsvereinbarung heißt es etwa: "Alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit - Ökonomie, Ökologie und Soziales - werden in die Lerninhalte eingebunden." Außerdem sollen die Schüler eben auch Lern- und Erfahrungsorte außerhalb ihrer Klassenzimmer kennenlernen. Diese sollen trotzdem schulnah liegen, um die Umwelt nicht unnötig durch lange Anfahrten zu belasten, erklärt Schenk. Und die Schule muss sich in zwei von fünf vorgegebenen Bereichen engagieren. Diese sind: Gesunde Ernährung, Naturschutz und Ökologie, Energie und bauliche Maßnahmen, Soziales und Kooperation sowie Konsum.

Am Beispiel Kneipp-Kindergarten

Der Kneipp-Kindergarten erfüllt die Anforderungen für alle fünf Bereiche. Ein Grund hierfür ist der vor zwei Jahren neu angelegte Garten. Die Kinder lernen dort zum Beispiel regionale Tiere kennen: Sei es durch den Biberbau, in den sie über eine Höhle gelangen können, das von mutigen Kletterern erklimmbare Nest des Rotmilans oder die über einen Kletterparkour erreichbare Hütte der Wildkatze. Es werden auch Unterrichtseinheiten über den Biber im Biberbau selbst gestaltet und die Kinder dann direkt zum Zuhause des Bibers an die Saale mitgenommen, damit sie das erlernte Wissen gleich unmittelbar erfahren können.

Weiterhin dürfen die Kinder Kräuter für grüne Smoothies selbst pflücken. Mit einem Pinsel über verschiedene Blumen fahren, um festzustellen, woher die verschiedenfarbigen "Pollenhöschen" der Bienen kommen. Hirschkäfer in der Nähe ihrer Kinderstube - Eichenholzstämme auf der Erde - aufsammeln. "Das ist dann eine kleine Mutprobe unter den Kindern: den Finger zwischen die Scheren der Hirschkäfer zu stecken", erzählt Eberth-Booms. Und praktisch die ganze Zeit bringen die Kinder ihr tote Bienen, Käfer und andere Insekten, bei denen dann gemeinsam der Name herausgefunden wird.

Keine Naturerfahrung mehr

"Die Kinder haben keine Naturerfahrungen mehr. Als wir jung waren, haben wir den ganzen Tag draußen gespielt", sagt die Kindergartenleiterin. Jetzt sei das Leben der Kinder außerhalb des Kindergartens so getaktet und durchgeplant, dass dafür keine Zeit mehr bleibt. Deswegen versucht die Kindergartenleiterin, den Kindern dieses Naturerleben im Kindergarten zu ermöglichen.

Im Gegenzug bildet das BRR den Kooperationspartner der Schule oder Kita, die dann etwa bei den verschiedenen (Fort)Bildungsmöglichkeiten des BRR bevorzugt Plätze bekommt. Diese seien nämlich sehr gefragt und schnell ausgebucht, meint Schenk. Außerdem vermittelt das BRR auch den Kontakt zu außerschulischen Partnern - organisiert zum Beispiel, dass die Schule einen Naturlandbauern besuchen kann.

"Ich tue was für die Region und sie was für mich", erklärt Schenk das Motto des gegenseitigen Miteinanders. Die Vorteile, sowohl für das BRR, als auch für die Schulen seien vielfältig. "Wir sind seit 20 Jahren in der Umweltbildung tätig - das soll auch nach außen treten", meint Schenk. Für die Schulen wiederum sei ein großer Vorteil, dass sie eine Verbindung zum BRR und damit zu ihrer Umwelt aufbauen. Ganz nach dem Motto: Woher komme ich eigentlich und was macht meine Heimat aus?