Druckartikel: Reiterswiesen: Corona-Serenade vom Balkon

Reiterswiesen: Corona-Serenade vom Balkon


Autor: Werner Vogel

Reiterswiesen, Freitag, 27. März 2020

In Reiterswiesen greifen Sophia und Lorenz Schubert jeden Abend um 18 Uhr zu Querflöte und Saxophon und erfreuen nach italienischem Vorbild die Nachbarn mit ihrer Musik.
Balkonserenade am "Stempes": Mutter Gabi hatte die Idee, dass ihre Kinder Sophia und Lorenz Schubert am Balkon musizieren.  Foto: Werner Vogel


Im "Stempes" lässt man sich von ein paar Viren nicht die Laune verderben. Gut, in Italien singt man gemeinsam am Balkon, aber in Reiterswiesens Hans-Sachs-Straße gibt's immerhin ein Ständchen aus dem 1.Stock. Lorenz und Sophia Schubert, bestens ausgebildet beim Jugendmusikkorps der Stadt, greifen seit Sonntag jeden Abend um 18 Uhr zu Saxophon und Querflöte und erfreuen die Nachbarn nach italienischem Vorbild mit einem kleinen Ständchen, das gegen die Corona Langeweile hilft. "Ich hab" die Anregung mit der Europahymne einfach aufgenommen. Den Leuten gefällts und die Kinder haben Spaß dran", sagt Mutter Gabi Schubert. Das geht natürlich nur in einer ruhigen Seitenstraße und bei so verständnisvollen Nachbarn wie im "Stempes", dem Reiterswiesener Stadtteil mit der besonderen Note. Keiner weiß, wie dieses Viertel zu seinem Namen kam. Der einst sichtbare, heute verrohrte "Steinbach" könnte, dialektisch umgeformt, Namensgeber gewesen sein.

Idylle mit Bach

Aber der kleine Ortsteil war schon immer Spielstraße und Treffpunkt der Kinder, mit Wiesen, die auch Bolzplatz waren, Holunderhecken zum Verstecken, munterem Bach und Federballfeld auf staubiger Straße. Im Winter ging es mit Schlitten hinauf zum "Seeleshügel", der die Häuseransammlung einfriedet. Heute wohnt man immerhin in verkehrsberuhigter Anliegerstraße, mit Kinderspielplatz, kleinem Bach, mit Brücke, einzeiliger Bebauung, dahinter Wiesenwege und vor allem mit netten Bewohnern, die diese Idylle zu schätzen wissen, aufeinander zugehen, sich helfen, gemeinsam ein Straßenfest feiern und das Dorfleben prägen. Eine "Stempes" WhatsApp Gruppe, Schaukasten und sogar eine eigene Straßenchefin gehören dazu. Lebenswert halt.

Und so greift die "Stempesbürgermeisterin" Gabi Schubert die Fernseh-Anregung auf, der Epidemie mit der Europahymne zu trotzen, räumt ihren Balkon frei, macht daraus ein Musikpodium und motiviert ihre Kinder, für ihre Nachbarn täglich ein Ständchen zu spielen. Die Europahymne gehört dazu und dazu noch täglich wechselnd was Heiteres. Diesmal "Let it go" aus der "Eisprinzessin". Da fliegen dann punkt 18 Uhr am "Stempes" die Fenster auf, und wer um die Kurve wohnt, darf - mit gehörigem Abstand in Zweiergruppen - ein paar Minuten der "Corona Serenade" lauschen.