Bad Kissingen/Bayern: Patienten erzählen: So schnell ist man psychisch krank
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Dienstag, 05. Februar 2019
Zwei Patienten der Reha-Kliniken der DRV in Bad Kissingen sprechen offen über ihre Krankheitsgeschichte. Die Kliniken möchten auf psychische Erkrankungen aufmerksam machen.
"Wir möchten gerne einmal ein offenes Wort über das verlieren, was die Menschen hier erfahren und erleben", sagte Dr. Wolfram Franke, der ärztliche Direktor der Reha-Kliniken Rhön und Saale der Deutschen Rentenversicherung (DRV Bund). Nicht um Werbung für die beiden Häuser zu machen oder darauf hinzuweisen, dass im nächsten Jahr das 100-jährige Jubiläum ansteht. Sondern um einen Themenkreis publik zu machen und Schwellenängste abzubauen: die psychischen und psychosomatischen Störungen, die es in den unterschiedlichsten Ausprägungen gibt, etwa im Zusammentreffen mit diabetischen Erkrankungen. Das ist eines der Spezialgebiete der Reha-Klinik Rhön an der Kurhausstraße. Und dieses Publikmachen sollte möglichst konkret sein, gezeigt an echten Fallbeispielen.
Immer größere Anforderungen lösten die Abwärtsspirale aus
Angelika Rasch ist eine der Patientinnen, die von ihrem Werdegang erzählte. Dass sie Diabetikerin ist, hat sie vor 20 Jahren erfahren und seitdem Insulin gespritzt. So weit so gut. Aber ihr Umfeld hatte immer größere Erwartungen, stellte immer größere Anforderungen an sie. Es waren nicht nur die Kinder, sondern auch ihr Mann, der nach mehreren Schlaganfällen pflegebedürftig war, aber eine Pflegekraft von außen strikt ablehnte. Das alles musste sie vereinbaren mit ihrem Beruf, den sie unter diesen Umständen nicht aufgeben konnte. Lange gestand sie sich die Belastungen nicht ein. "Aber plötzlich wurde ich unsanft aus meiner Lebensfreude gerissen." Plötzlich war sie mit ihrer Kraft am Ende, da nützte auch das Insulin nicht mehr. "Der erste Schritt zu einem Psychologen war ein schwerer", sagt Angelika Rasch.
Der Zufall brachte sie 2012 zur Reha in die Rhön-Klinik. Die Behandlung und Betreuung waren so gut, dass sie lange anhielten. Jetzt war sie noch einmal da. Denn die 63-Jährige will unbedingt mindestens bis 65 arbeiten, wenn es geht, sogar zwei Jahre länger. "Ich kann das schaffen", ist sie überzeugt. Sie wird nicht mehr immer ja sagen. "Ich habe gelernt, dass ich die Welt nicht alleine verbessern kann." Zudem hat sie einen Arbeitgeber, der Verständnis hat und der ihr Arbeitsbereiche zugewiesen hat, die nicht mehr so stressfördernd sind. "Ich habe keine Führungsaufgaben mehr."
Wenn das Umfeld problematisch ist
"Das ist eine klassische Patientengeschichte", sagt Alexander Bauer, ihr behandelnder Arzt. Es sei wichtig, dass die Patienten lernen, auf innere Signale zu hören, um die Ergebnisse der Behandlung zu Hause möglichst lange zu halten. Bei Rainer Furtwängler liegt die Sache etwas anders. Seine Situation ist schwieriger, weil er davon ausgehen muss, dass sein Umfeld noch genauso problematisch sein wird, wenn er wieder an seine Arbeitsstelle zurückkehrt.
Er hatte eigentlich seinen Traumberuf gefunden, in dem er vollständig aufging: Rainer Furtwängler bildet U- und Straßenbahnfahrer aus. Er machte das mit großem Fachwissen und ebenso großer Empathie, war immer für seine Auszubildenden da. Der Effekt: Seine Ausbildungsgruppen schlossen bei den Abschlussprüfungen immer am besten ab - und zwar deutlich.
Das machte ihn für sein Verkehrsunternehmen zu einem außerordentlich geschätzten Mitarbeiter. Aber seine Kollegen in der Ausbildungsabteilung sahen in ihm einen unerwünschten Konkurrenten, und sie begannen ihn immer stärker zu mobben, bis seine Psyche die Notbremse zog. Sein unmittelbarer Vorgesetzter hatte es nicht für nötig gehalten, auch nur einmal wenigstens vermittelnd einzugreifen.
Frühverrentung ist keine Alternative
In der Reha hat er nicht nur gelernt, seine Depressionen in den Griff zu bekommen, sondern er hat auch Klarheit gewonnen über seine Situation. Natürlich wird er an seinen Arbeitsplatz zurückkehren (müssen). Er weiß, dass er sich da trotz des üblichen Wiedereingliederungsverfahrens auf sehr dünnem Eis bewegen wird, dass seine Kollegen so weitermachen werden, wie sie vor einigen Wochen aufgehört haben. "Aber ich kann und will mich doch nicht so verändern, dass es ich es den Kollegen recht mache und mich an sie anpasse", sagt Rainer Furtwängler.