Regionaler Einfluss von Rumänen und Bulgaren ist verschwindend
Autor: Benedikt Borst
Bad Kissingen, Mittwoch, 08. Januar 2014
Zuletzt wurde viel vor starker Zuwanderung durch Rumänen und Bulgaren gewarnt. Im Landkreis Bad Kissingen ist der Bevölkerungs- und Arbeitslosenanteil dieser Gruppen gering.
Seit Tagen streitet die Politik darüber, ob und wie sich Armutsmigranten aus Rumänien und Bulgarien auf das Land auswirken. Die Kritiker der Zuwanderung befürchten, die Sozialsysteme würden missbraucht. Die Befürworter argumentieren, die Wirtschaft benötige die Zuwanderer. Und in der Region? Zurzeit bleiben die Verantwortlichen gelassen. "Ich denke nicht, dass das so ein großes Problem wird, wie befürchtet", sagt Peter Schönfelder von der Bundesagentur für Arbeit in Schweinfurt.
Seit Januar gilt die EU-Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren. Sie dürfen jetzt überall in der Europäischen Gemeinschaft arbeiten. Der aktuelle Zuzugstreit wurde von der CSU ausgelöst. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer forderte ein scharfes Vorgehen gegen Missbrauch von Sozialleistungen. "Wer betrügt, der fliegt!", lautet der Slogan. Soll heißen: Wer nach Deutschland kommt und nur von staatlicher Hilfe lebt, hat hier nichts verloren.
Keine Flut erwartet
Dass die Angst vor massenhafter Zuwanderung und Missbrauch berechtigt ist, lässt sich schwer belegen. Verlässliche Prognosen, wie stark der Zuzug sein wird, gibt es nicht. "Wir wissen nicht, was auf uns zukommt", sagt der Mann von der Arbeitsagentur. Allerdings bereitet ihm auch das kein Kopfzerbrechen.
Schönfelder betont: "Wir rechnen nicht damit, dass der Arbeitsmarkt von ungelernten Kräften überschwemmt wird." Er bezeichnet die absoluten Zahlen für arbeitslose Rumänen und Bulgaren sowohl deutschland-, als auch im landkreisweit als "sehr gering". Zwar hat er für den Kreis Bad Kissingen keine Werte für die beiden Nationalitäten. Aber anhand der Bundesstatistiken schätzt Schönfelder, dass der regionale Arbeitslosenanteil unter einem Prozent liegt. Das entspräche etwa zehn erwerbslosen Rumänen und Bulgaren. Selbst wenn ab Januar mehr Zuwanderer in die Region ziehen: "Für den Arbeitsmarkt ist das nicht nennenswert beeinflussend", sagt Schönfelder.
"Im Moment sind da sicherlich noch keine Auswirkungen spürbar", sagt Landrat Thomas Bold (CSU) abwartend. Im Spektrum der Bevölkerung des Landkreises ist der Anteil rumänischer und bulgarischer Staatsbürger gering. So sind bei der Stadt Bad Kissingen 21 Personen bulgarischer und 112 rumänischer Abstammung gemeldet. Das sind weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung.
Viele Bulgaren und Rumänen leben bereits seit Jahrzehnten in der Kreisstadt. "Der Anteil hat in den letzten Jahren nicht signifikant zugenommen", teilt Rathaussprecher Thomas Hack mit. Aber: "Mit der Freizügigkeit wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Zuzug größer wird, deutlich steigen", vermutet Bold. Er fordert, die Diskussion nicht zu dramatisieren, sondern offen zu führen. Die Region benötige ausländische Fachkräfte, gleichzeitig müsse verhindert werden, dass Sozialleistungen ausgenutzt werden. Es sei Sache des Bundes, die Entwicklung zu beobachten und bei Bedarf einzugreifen.
Frank Firsching, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Schweinfurt-Würzburg, sieht aktuell kein Problem. "Wir haben noch keine massenhafte Zuwanderung", sagt er. Er spricht sich für einen von der Politik gesteuerten Zuzug von Arbeitsmigranten aus. "Es gibt Bereiche wie die Pflege, wo wir in einen Fachkräftemangel hineinrutschen", erklärt Firsching. Eine massenhafte Zuwanderung hält er allerdings für wenig wünschenswert, weil das den Druck auf den Arbeitsmarkt und die Löhne erhöhe.
Lücke von 15.000 Arbeitern
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt fordert, "an einer Willkommenskultur für Zuwanderer" zu arbeiten. Deutschland brauche qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, um Schäden für die Wirtschaft abzuwenden und die Sozialsysteme zu stabilisieren. "Bei Arbeitslosenquoten in Mainfranken nahe der Vollbeschäftigung müssen wir alle Potenziale zur Fachkräftegewinnung ausschöpfen", sagt Pressesprecher Radu Ferendino. Der Verband rechnet für 2014 mit einem Fachkräfteengpass von 15.000 Personen.