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Rebellen im Ruhestand: Verein "Ares" löst sich auf


Autor: Carmen Schmitt

Bad Bocklet, Samstag, 17. Oktober 2015

Vor über 30 Jahren hat sich der Verein "Ares" und mit ihm Widerstand gegen Pläne zum Hochwasserschutz formiert. Gestern haben die Mitglieder ihren Verein aufgelöst. Obwohl sie auch heute eine Gefahr nicht ausschließen.
Die Aussicht auf einen See blieb den Anwohnern dieser Straße in Hohn bisher verwehrt. Ganz nach dem Geschmack von Norbert Schmitt (links) und Dieter Kunzmann, Vorsitzende des Verein Ares: Der setzte sich seit Ende der 70er-Jahre gegen ein geplantes Hochwasserrückhaltebecken ein. Foto: Carmen Schmitt


Oberhalb von Bad Bocklet hätte er thronen sollen. Zwischen Hohn und Steinach. Eine fast fünfzehn Meter hohe Mauer hätte die fränkischen Saale bei Hochwasser aufstauen sollen. Hätte. Das 100 Millionen Mark teure Projekt ist nie verwirklicht worden - das große Ziel der "Ares". Der Verein "Aktionsgemeinschaft zur Rettung und Erhaltung des Saaletales", kurz Ares, hatte sich seit Ende der 70er-Jahre dafür stark gemacht, dass das geplante Rückhaltebecken

für den Kissinger Hochwasserschutz nicht gebaut wird. Und der Stausee erst recht nicht touristisch genutzt wird. 36 Jahre nach der Gründung hat sich der Verein gestern Abend aufgelöst. Er wurde zu einer Zeit gegründet, als sich ein ganzer Ort spaltete.

"Wir haben den Bürgern erst bewusst gemacht, wie hoch der Damm werden sollte", sagt Norbert Schmitt, Vereinsvorsitzender. Mit Holzkonstruktionen stellten sie nach, was die Anwohner erwarten sollte. "Die, die direkt betroffen waren, waren dagegen", sagt Dieter Kunzmann, Schmitts Stellvertreter.


Besser dran ohne Stausee

Der damalige Bürgermeister war ein Befürworter des Staudamms. Trotzdem stimmte er gegen seine Überzeugung in einer Gemeinderatssitzung gegen den Damm. "Für die Bürger", sagt er. Heute ist Helmut Schuck froh, dass der "Bockletdamm" nicht gekommen ist. Der See wäre bewirtschaftet worden, meint er. Die Menschen in der näheren Umgebung seien heute besser dran ohne den Verkehr und den Lärm von Besuchern. "Die damaligen Befürworter sagen heute, wir haben eine Chance auf Fremdenverkehr verspielt. Ich glaube das nicht."

"Unser Standbein war die Kur", sagt Norbert Schmitt. Und das sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden. "Unser Kapital hier ist die Natur", meint Dieter Kunzmann. Sie befürchteten Kosten für Bürger und Gemeinde, Müll von Besuchern und einen verbauten Blick ins Saaletal. Zunächst wollten die Gegner mit der Gemeinde zusammenarbeiten, dann fanden sie Verbündete beim Bund Naturschutz. Später hatten sie sogar Unterstützung aus Behörden, erzählt Norbert Schmitt. Im Oktober 1979 wurde Ares gegründet. Innerhalb eines halben Jahres hatten sich die Mitgliederzahlen auf über 500 fast verzehnfacht. Darunter auch Bad Kissinger und Kurgäste. "Man kann etwas bewegen, wenn Betroffenheit herrscht und Menschen dafür arbeiten wollen", sagt Norbert Schmitt. Die Stimmung in der Gemeinde war angespannt. Zwei Lager entstanden.


Damm wurde überflüssig

Die Planung war zäh. Es dauerte, bis Änderungen eingearbeitet wurden, meint Helmut Schuck. Alternativen hätten nicht überzeugt. "Wir haben gute zwei Jahre gekämpft", sagt Norbert Schmitt. Für Bad Kissingen hatte sich der Damm im Laufe der Jahre erledigt. "Eine Studie hatte gezeigt, dass es auch ohne Speicher geht. Ab da wurde er unwirtschaftlich", sagt Leonhard Rosentritt, Leiter des Wasserwirtschaftsamt Schweinfurt. Gut zehn Jahre nach Gründung der Aktionsgemeinschaft rutschte der Plan für den Bockletdamm aus dem Regionalplan und war Geschichte. Der Freistaat wollte wohl nicht gegen den Willen der Bevölkerung in das Projekt investieren.
"Wir haben getrommelt, aber entschieden wird woanders", sagt Norbert Schmitt. "Fachliche Gründe" macht Leonhard Rosentritt dafür verantwortlich, dass die Pläne schließlich verworfen wurden. Dennoch: Ohne den Verein hätte die Gemeinde heute wahrscheinlich den Damm, meint Norbert Schmitt. "Und die Häuser hinter dem Damm Schwierigkeiten mit dem Grundwasser." Doch wieso löst sich der Verein gerade jetzt auf - und nicht schon vor zehn Jahren?

Es gab immer etwas zu tun: Vogelschutz, Diskussion um Windkraftanlagen und Südlink zählt Dieter Kunzmann auf. "Wir lösen uns nicht auf, weil unser Job gemacht ist", sagt Norbert Schmitt. Heute hat der Verein nur noch 35 Mitglieder, und die werden älter, meint der Vorsitzende. Der Vorstand habe den Verein in den vergangenen Jahren nur noch formell geführt. Mit der Auflösung von Ares geht das Geld aus der Vereinskasse an den Musikverein, den Gesangverein und der größte Teil an den Bund Naturschutz, wie es die Satzung vorsieht.


Friede und Freundschaft

Eine zeitlang haben die Befürworter dem Vorhaben nachgetrauert. Heute ist wieder Ruhe eingekehrt und "die Gräben haben sich geschlossen", sagt Norbert Schmitt. Durch die Diskussion seien gute Freundschaften zwischen den Ortschaften entstanden, meint Dieter Kunzmann. Auch wenn laut Andreas Sandwall (CSU), zweiter Bürgermeister von Bad Bocklet, ein Specherbecken im Markt "wohl endgültig vom Tisch" ist, sie bleiben wachsam: "Die Gefahr ist heute immer noch da", sagt Norbert Schmitt. Wenn das Thema heute wieder aufkommen würde, man müsste die "alten Ares-Mitglieder" nicht lange bitten. "So einen Verein kann man jederzeit wieder gründen", sagt Dieter Kunzmann.