Rebekka Bakken begeistert in Bad Kissingen
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Sonntag, 12. Januar 2014
Rebekka Bakkens phänomenale Vielfalt begeistert bei Konzert: Eine singende Songschreiberin mit einer Riesen-Stimme. Sie ist im europäischen Jazz ebenso zuhause wie bei amerikanischen Folksongs.
Ein Spotlight für ihren Auftritt braucht sie nicht. Da kommt, wie nebenbei, eine schlanke junge Frau in Jeans mit schlichtem schwarzen Umhang auf die Bühne, greift sich unaufgeregt das Mikrophon. Ein Kopfnicken zur Band, einmal die langen Haare geschüttelt und dann - welch ein Gegensatz zum schlichten Auftreten - füllt eine Jazzvokalistin von europäischem Format mit brillanten Tönen den Max Littmann Saal im Regentenbau, zieht schon mit dem ersten Song ein staunendes Publikum in ihren Bann.
Die Strahlkraft ihrer Ausnahmestimme geht unter die Haut. Mühelos schwingt sie in schwindelerregende Höhen und bleibt dort oben erstaunlich leicht. In den tieferen Lagen ist ihr Tim bre weich und ausdrucksstark. Sie kann rauchig klingen bei den Folk- und Countrysongs, beseelt beim Soul, virtuos im Jazz und wird zum Vulkan bei den Rocknummern.
Mehr als ein Schlagerevent
Der Ruf, der Rebekka Bakken voraus eilt, füllte den großen Saal des Regentenbaus leicht, ließ nur wenige Lücken auf dem Balkon und die Sängerin begeisterte schnell ein gar nicht mal so ganz junges Publikum. Diese Besucher wollen offenbar mehr als ein Schlagerevent und werden schnell eingenommen von der sympathischen Persönlichkeit, die sich als Liedermacherin versteht, ihre Musik in den Vordergrund stellt und sich selbst zurücknimmt. So, als wäre es ein Zufall, dass ihr neben dem Liedermachen zusätzlich eine begnadete Stimme in die Wiege gelegt worden ist.
Sinnlich und stimmgewaltig
Die norwegische Schönheit wirkt sanft und man hat fast den Eindruck, sie selbst könne kaum glauben, was ihr da alles gelingt, sei erschrocken vor dem Volumen ihrer Stimme, ihrem Talent. Man spürt, dass die Alleskönnerin sich auf keinen Fall auf eine einzige Richtung festlegen will. Sie möchte alle ihre Möglichkeiten als "singende Songschreiberin" ausprobieren. Sie ist im europäischen Jazz ebenso zu Hause wie in den eingängigen amerikanischen Folksongs, interpretiert verträumte Balladen und subtile Eigenkompositionen mit Anklängen an tieftraurigen Blues mit Gänsehautfeeling. Aber selbst bei lauten soundverstärkten Rocksongs jubiliert nur die Stimme.
Sie selbst verzichtet auf großen Gesten. Mit ihrem letzten Album "September" hat sich die gebürtige Osloerin, die lange in New York lebte, amerikanischer Countrymusik genähert. Sicher beeinflusst von Malcolm Burn, der schon Bob Dylan und Patti Smith produzierte und mit dem sie intensiv zusammengearbeitet hat. Vielleicht spiegelt dieses Genre aber auch ein Stück Lebensgefühl, immerhin lebt sie jetzt auf einer Pferdefarm in den Weiten Schwedens.
Voluminös bis sanft
Im ersten Titel verteilt sie "Sweets", die jedoch schnell zur fetzigen Rocknummer geraten, mit der ihre drei Oktaven Stimme ebenso brilliert wie bei "Never been to Paris". Mal fordern die begleitenden Sounds von E-Gitarre und Bass zu voluminöser Stimmakrobatik, dann wird die Stimme sanft und schnörkellos bei sinnlichen Folksongs wie bei "Starlight, zu dem Sterne über die Bühne wandern.
Die musikalischen Dialoge, die sich Rebekka Bakken mit den drei Mitgliedern ihrer Begleitband führt, gehören zu den umjubelten Höhepunkten des Konzerts. Besonders Rune Arnesen am Schlagwerk verordnet seinen Instrumenten eigenständiges Leben und liefert sich emotionale Duelle mit der Stimme der Sängerin. Der Irrwisch an Trommel, Becken und Bongo ist die zweite, höchst erfreuliche Entdeckung des Abends.
Eigene Songs mit leisen Tönen
Unmittelbar darauf setzt sich Bakken in bester Songwriter Manier an den Flügel und verzaubert mit einer schlichten Ballade. Feinfühlig untermalt sie "Time after time" mit dem Nachhall der Pedale. Die Pumps hat sie dazu ausgezogen. Barfuß klingt weicher. Diese schlichte Eigenkomposition wirkt so eindrucksvoll, dass man gerne öfter mal auf wummernden Bass und schleifende Gitarre verzichtet hätte. Fast in jedem Lied zeigt sie neue Facetten und unter frenetischem Beifall packt sie am Ende noch ein "Zuckerl" aus: Sie hat den Abend in Englisch moderiert, aber in ihrer Wiener Zeit ganz gut Deutsch gelernt und sagt mit charmantem Akzent eine Zugabe an: "Der Schnee draußen schmilzt", eine Erinnerung an ihre frühe Jugend und gleichzeitig eine Hommage an den österreichischen Liedermacher Ludwig Hirsch mit dem sie zusammen aufgetreten ist.
Gelassen natürlich
Sie singt das Lied des tragisch Verstorbenen wunderbar gelassen, natürlich. So wie sie eben ist, lässt sie ihre Stimme zart und sinnlich ausklingen. Es sind auch die ganz leisen Töne, die so nachhaltig wirken. Jetzt steht fast der ganz Saal. Und beim allerletzten Song klatscht alles begeistert mit. Die skandinavische Stimme hat einen ganz starken Eindruck hinterlassen.