Druckartikel: Prozession erinnert an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs

Prozession erinnert an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs


Autor: Stefan Geiger

Oerlenbach, Freitag, 03. Mai 2013

In den vergangenen Jahren während der Erschließung des Gewerbegebietes "Zwischen B 286 und Bahnlinie" haben Bombenfunde die Bürger erschreckt. Fachleute rückten zur Entschärfung an. Geschäfte mussten schließen, Anwohner ihre Häuser verlassen, der Zugverkehr wurde eingestellt.
Am 5. Mai erinnert um 9 Uhr die gelobte Prozession zur Sebastianikapelle an die Gefahren, die Oerlenbach im Zweiten Weltkrieg drohten. Foto: Stefan Geiger


Dies machte deutlich, welchen Gefahren das Dorf im Zweiten Weltkrieg ausgesetzt war. Von großen Schäden blieb der Ort aber verschont. Im April 1946 beschloss der Gemeinderat: "An einem Sonntag im Mai jeden Jahres wallt die Gemeinde in Prozession zur Kriegergedächtniskapelle. Dort findet ein Gottesdienst aus Dankbarkeit gegen Gott, der unser Dörfchen in diesem furchtbaren Krieg so sichtbar beschützt hat, ein Gottesdienst statt.

Mögen unsere Nachkommen auch in besseren Zeiten stets an unserem Gelöbnis festhalten." So heißt es im Protokoll. Diesem Auftrag kommt die Gemeinde am 5. Mai wieder nach: Ab 9 Uhr wallen die Bewohner von der Kirche über den Rottershäuser Weg und die Dr.-Werner-Straße zur Sebastianikapelle und feiern dort ein Dankamt.

Der Dorfgraben in Flammen

Die älteren Bewohner erinnern sich: Von 1937 bis 1939 war im "Kirchofsholz" - heute Areal von Bundespolizei und Firma Hegler - ein Lufttanklager gebaut worden. Das Abwasser des Tanklagers floss über den offenen Dorfgraben mitten durch das Dorf. 1943 stand dieser plötzlich in Flammen. Engelbert Hofmann, damals Feuerwehrkommandant, später viele Jahre Landrat, hielt im Protokollbuch fest: "Abfließendes Wasser hatte sich auf unerklärliche Weise entzündet. Im Nu brannte der ganze Graben. Das Feuer schlug sofort haushoch empor, das ganze Dorf war in dicke Rauchwolken eingehüllt. Durch rasches Eingreifen der Orts- und Lagerwehr ist es gelungen, das Dorf vor größerem Schaden zu bewahren. Ein ganz besonderes Glück waren die massiven Häuser an der Frontseite des Grabens im oberen Dorf."

Gegen Kriegsende kam es zu Bombardierungen. Die Abwürfe verfehlten ihr Ziel und landeten in den Äckern. Brenzlig wurde es am 7. April 1945, als sich die Amerikaner dem Dorf näherten. Bürgermeister Wilhelm Kuhn ging ihnen mit weißer Fahne (einem Betttuch) entgegen, um den Ort zu übergeben. Plötzlich erhielten die US-Panzer Feuer. Engelbert Hofmann berichtet: "Darauf setzte ein furchtbarer Feuerhagel ein, so dass man glauben musste, das ganze Dorf gehe unter. Drei Scheunen brannten lichterloh. Im Nu waren Alt und Jung trotz Maschinengewehr und Granatfeuer am Brandplatz. Die Haustiere konnten fast restlos gerettet werden. Wagen und Maschinen sind allesamt verbrannt. Es gelang das Feuer auf seinen Herd zu beschränken und wenigstens die Wohnhäuser zu retten. Nach zweistündigem Löschen wollte das Löschwasser nicht mehr reichen. Die Wasserleitung war ausgefallen. Ohne Aufforderung trugen Kinder, Mädchen, Mütter, Großväter und Großmütter Wasser und - als dieses ausging - Jauche von allen Seiten herbei. Alle hielten trotz Granatfeuer stand, bis die Gefahr gebannt war. Mussten auch drei unserer Mitbürger ihre Habe teilweise verlieren, so wurde doch der Großteil des Dorfes gerettet."

Die Dankprozession wurde bis in die 60er Jahre gehalten. Wegen des zunehmenden Verkehrs wurde diese durch einen Flurgang ersetzt, ehe 1991 in einer Bürgerversammlung Wilhelm Karch an das Versprechen erinnerte. Nach Sanierung der Kapelle finden seit 1993 wieder Prozession und Dankamt statt.