Druckartikel: Politiker, Helfer und Bürger an einem Tisch

Politiker, Helfer und Bürger an einem Tisch


Autor: Werner Vogel

Reiterswiesen, Dienstag, 20. Oktober 2015

Der Helferkreis Reiterswiesen informierte über die Situation der Flüchtlinge im ehemaligen "Hotel Ballinghain". Die Helfer beschreiben ihre Tätigkeit als erfüllend, auch wenn fast alle Asylbewerber wieder zurück in ihre Heimatländer müssen.
Ernste Mienen: Kommunalpolitiker, Mitglieder vom Helferkreis und Bürger saßen in Reiterswiesen zusammen, um die aktuelle Situation um die Flüchtlinge und ihre Situation im Stadtteil zu besprechen. Im Bild (von links): Thomas Leiner (3. Bürgermeister), Steffen Hörtler, Wolfgang Lutz, Gudrun Heil-Franke, Karin Renner und Michael Heppes. Foto: Werner Vogel


Der Flüchtlingsstrom an der deutsch-österreichischen Grenze reißt nich ab. Die Politiker suchen nach praktikablen Lösungen. In Dresden schüren tausende "Pegida"-Anhänger Ängste. Caritas und Rotes Kreuz in Bad Kissingen sortieren derweilen unverdrossen Massen an abgegebenen Spenden für die Flüchtlinge. Die Helferkreise in der Stadt kümmern sich weiter mit ungebrochenem Engagement um die Asylsuchenden - wie in Reiterswiesen.
Dort hatte der CSU Ortsverband Reiterswiesen-Arnshausen den Helferkreis gebeten, über die Situation in der Reiterswiesener Unterkunft zu berichten. Was sagen die Bürger, die sich seit Februar täglich um Flüchtlinge kümmern? Was hat sich in der politischen Landschaft verändert?, was sagt man zu den verschärften Asylbeschlüssen der letzten Tage? Wie ist die Stimmung bei den Bürgern in Reiterswiesen? Das alles wollte man besprechen.


Eine interessierte Runde

Im Pfarrheim in Reiterswiesen traf man sich, mit dem 3. Bürgermeister Thomas Leiner (CSU), mit Stadträten, mit Bezirksrätin Karin Renner (CSU), mit interessierten Bürgern. Es wurde ein Abend sachlicher Informationen, kleinliches Parteigezänk blieb außen vor und von Fremdenfeindlichkeit war nichts zu spüren. Die Lokalpolitiker schätzen das Ehrenamt hoch und brachten in ihren Statements ihre Anerkennung zum Ausdruck.
"Sie alle tun Gutes", sagte CSU-Vorsitzende Gudrun Heil-Franke, die "guten Geister vom Ballinghain", und Doris Vogel eröffnete den Erfahrungsbericht mit einer Schilderung der Ereignisse der ersten Tage, als niemand wusste, was auf die Helfer zukommen wird und wie man den Fremden begegnen soll.


Welle der Hilfsbereitschaft hält an

Auch Stefanie Vedder, sie kümmert sich um die Koordination und den Informationsaustausch, beschrieb die anfängliche Stimmung als eine Mischung zwischen Skepsis und Hilfsbereitschaft: "Sehr schnell hat sich aber eine große Welle an sozialem Engagement ausgebreitet, die bis heute anhält", stellte die Neubürgerin aus dem Stadtteil unterhalb der Burg fest. Norbert Paulus bekennt, dass ihn immer wieder die Dankbarkeit motiviert, "die man spürt und die mich zufrieden nach Hause gehen lässt." Er freutsich über die Fortschritte, die seine Schüler, vor allem die Kinder, in seinen Deutschkursen machen.


Frauen und Kinder

Etwas anders ist es bei den Frauen, erzählt Monika Kiesel. Sie sind nicht so konzentriert, haben ihre Kinder bei den Unterrichtsstunden dabei und man spürt, dass sie belastet sind: "Sie haben Schicksale zu tragen und manches trägt man auch mit nach Hause", stellte sie fest. Auch Rainer Schmitt ist sichtlich bewegt von der Zuneigung, die man erfährt, berichtet aber auch von Spannungen, die zwangsläufig entstehen, wenn man sich zuerst in einem Krieg gegenüber steht und später in einer gemeinsamen Unterkunft zusammenleben muss.


Wenn sie arbeiten dürften

Funda Ersindigil, Inhaberin des "Hotel Ballinghain" und "die gute Seele" der Unterkunft, beklagte die hohen Hürden, den Asylsuchenden Arbeit zu vermitteln: "Wir haben schon sieben Monate Leute, die nichts tun dürfen. Das ist doch schrecklich". "Wir stehen uns mit unserer Regulierungswut oft selbst im Weg", nahm Bezirksrätin Karin Renner den Ball auf und befürchtet, "dass unsere Bürger die komplexen Zusammenhänge nicht verstehen und so eine Lunte an das Pulverfass rechts der Mitte der Gesellschaft gelegt wird."


Ängste muss man ernst nehmen

Michael Heppes, der Fraktionsvorsitzende der CSU im Stadtrat, sieht Versäumnisse der Politik: "Die Ängste der Bürger muss man ernst nehmen, aber es gibt leider keine einfachen Antworten". Steffen Hörtler, dem die Thematik als Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen besonders am Herzen liegt, sieht gravierende Fehleinschätzungen beim Bund und den Ländern. "Es war ein schwerer Fehler, dass in der Vergangenheit so gut wie überhaupt nicht abgeschoben wurde". So sei bei den Menschen in den Urpsrungsländern der Eindruck entstanden, dass die Flucht der Weg für eine gesicherte Zukunft sei und sie letztlich in Deutschland bleiben können. "So sind den Menschen Hoffnungen gemacht worden, die nur Frust und Enttäuschung auslösen".
Eine Situation, die den Reiterswiesener Helfern zu schaffen macht, weil fast alle Balkanflüchtlinge im Ballinghain keine Chance auf ein Bleiberecht haben. Monika Kiesel bestätigt: "In den ersten Monaten waren fast alle überzeugt hier bleiben zu können". Stefanie Vedder fügt noch an: "Es stimmt einfach nicht, dass sie in erster Linie aus finanziellen Gründen kommen. Sie wollen vor allem Bildung für ihre Kinder. Zuhause erwartet sie wieder das Chaos".


Ein Hoffnungsschimmer

Zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer hat Doris Vogel: "Auch uns tut es weh, wenn die Menschen über Nacht nicht mehr da sind, aber sie nehmen alle viel von den positiven Erfahrungen mit, die sie für den Aufbau ihres Landes brauchen".