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Pilotprojekt in der Bad Kissinger Gartenstraße


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Mittwoch, 13. Juli 2016

Die Stoffel-Stiftung errichtet ein Haus, das für ambulantes unterstütztes Wohnen genutzt werden soll. Einzug ist zum Jahresende geplant.
Ines und Sebastian haben sich schon mal im Rohbau umgesehen und ihre Wunsch-Wohnung ausgeguckt. Wenn alles gut geht, ziehen sie zum Jahresende in das Haus der Stoffel-Stiftung ein. Fotos: Ralf Ruppert


Sebastian hat seine Traum-Wohnung sofort gefunden: "Die würde mir gefallen", sagt der 23-Jährige beim Blick in eine der acht Wohnungen im Rohbau der Stoffel-Stiftung in der Bad Kissinger Gartenstraße. Im Moment wohnt Sebastian noch mit Ines (24) bei seiner Mutter in Garitz. Beide arbeiten in der Nüdlinger Lebenshilfe Werkstatt.

Eigentlich haben sie es ganz gut in Garitz, aber: "Wir möchten etwas Abstand haben", begründet Ines den Wunsch, in die neue Einrichtung zu ziehen. Sebastians Mutter kann das durchaus verstehen: "Sie wollen selbstständig werden, da muss ich den Schritt mitgehen", sagt sie.


Kosten: 1,6 Millionen Euro

Mehr Selbstständigkeit für Menschen mit Behinderung ist genau das Ziel des Pilotprojekts: Die Lebenshilfe Bad Kissingen und die Stoffel-Stiftung haben sich dafür zusammengetan. Aus dem Nachlass der 2007 verstorbenen Stifterin Gertrud Stoffel wird es finanziert, ein zinsloses Darlehen und 93 000 Euro Zuschuss kommen von der Regierung von Unterfranken. Das Gesamt-Budget umfasst 1,6 Millionen Euro: Dafür wurde ein bestehendes Wohnhaus abgerissen und ein Haus mit Gemeinschaftsbereich und acht Wohnungen neu errichtet.
Der Stoffel-Stiftung gehört bereits das benachbarte Gebäude, in dem die Bad Kissinger Lebenshilfe ihre Verwaltung untergebracht hat. "Auch in der neuen Einrichtung werden wir dann Mieter", berichtet Geschäftsführer Alex Iffert, der auch gleichzeitig Vorsitzender der Stoffel-Stiftung ist. Die Bad Kissinger Lebenshilfe leitet die Franz-von-Prümmer-Schule, Wohnheime in Nüdlingen und Bad Kissingen und engagiert sich in der offenen Behindertenarbeit, zu der auch das "ambulante unterstützte Wohnen", kurz: AUW, gehört.


Hilfe zur Selbsthilfe

Elf Betreuer betreuen über AUW aktuell 17 Menschen mit Behinderung, berichtet Mitarbeiterin Christina Leurer von der Lebenshilfe. Im Mittelpunkt stehe dabei die Hilfe zur Selbsthilfe: "Ich putze zwei Mal die Fenster mit, dann soll es alleine klappen", beschreibt Leurer die Idee dahinter. Um die zehn Stunden in der Woche seien meist für Wäschewaschen, Kochen, Einkaufen oder Arztbesuche vorgesehen: "Beim einen muss man während der Behandlung die Hand halten, der andere muss nur bis zur Praxis gebracht werden", erzählt Leurer.
Sechs Interessierte für die acht Wohnungen gebe es derzeit, berichtet Monika Fella, stellvertretende Vorsitzende der Lebenshilfe. Vier Wohnungen sind für Rollstuhlfahrer geeignet. Wer mit welchem Betreuungsaufwand einzieht, sei noch offen. Das Wohnumfeld soll möglichst "normal" sein, im Gegensatz zum Wohnheim seien aber zum Beispiel Haustiere möglich. Bei einem ersten Termin im Rohbau stellte am Dienstag Architekt Karl Seufert die 37 bis 52 Quadratmeter großen Wohnungen vor. Jeweils vier sind im ersten und zweiten Obergeschoss angeordnet. Im Erdgeschoss befindet sich ein Gemeinschaftsbereich mit Küche sowie eine neunte Wohnung: "Die wird von uns schon komplett eingerichtet, und man kann dort zur Probe wohnen, um zu sehen, wie das klappt", sagte Seufert.