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Phänomenale Bühnenpräsenz


Autor: Gerhild Ahnert

Bad Kissingen, Montag, 23. Februar 2015

Suzanne von Borsody und Guntbert Warns brillierten in dem Zweipersonenstück "Der letzte Vorhang" im Kurtheater. Ein raffiniert gebautes Stück und die Regie ließen sie ihre Möglichkeiten voll ausspielen.
Beziehungskrieg auf dem Sofa vom Berliner Renaissancetheater im Kurtheater: Suzanne von Borsody und Guntbert Warns als alterndes Bühnenpaar Liesbeth und Richard (Ähnlichkeiten mit Liz Taylor und Richard Burton voll beabsichtigt) in Maria Goos' spannendem und vielschichtigem Erfolgsdrama "Der letzte Vorhang". Foto: Ahnert


Ein Mann, eine Frau, eine Bühne und - wie sich herausstellte - ein breites dreisitziges Ledersofa braucht es, damit sich das Beziehungsgefecht so richtig entfalten kann in Maria Goos' Erfolgsstück "Der letzte Vorhang". Allerdings ist die äußerst erfolgreiche niederländische Theaterautorin, Film- und Fernseh-Script-Schreiberin und Schauspielerin zu gewieft, um einer "Zimmerschlacht" á la Walser allein zuzutrauen, dass sie das Publikum über zwei Stunden in

Spannung hält.

Vorbild Taylor und Burton

Sie hat ihrem Stück über ein alterndes Schauspielerpaar auch noch die Namen Liesbeth und Richard unterlegt und damit die ganze leid- und liebevolle Geschichte des Filmtraum- und Skandalpaares Liz Taylor und Richard Burton. Und so geht es nicht nur um das mit dem Alter nötige Abschiednehmen von der Schauspielerdroge "Spielen", sondern auch um die auf der Bühne entstehende Vertrautheit, nachdem die beiden jahrzehntelang ein Bühnenpaar waren, alle ihre Eigenheiten kennengelernt und sich ineinander verliebt hatten. Aber es geht auch um die reale Zerstörung der Beziehung der Taylor zu dem schwer alkoholkranken Burton, ihre verzweifelte lebenslange Suche nach dem Glück mit ihm und bei anderen Männern.

Trickreiche Autorin

Zehn Jahre haben sich Lies und Richard im Stück nicht mehr gesehen, und nun braucht Richard seine alte Partnerin für eine unmittelbar anstehende Inszenierung, denn alle ihre Vorgängerinnen haben abgesagt, weil sie Richards Arroganz, seinen Zynismus, seine Trunksucht nicht ertragen können oder zu einfältig sind, um den Text des Stückes zu verstehen wie die letzte Schauspielerin vor Liesbeth, die trutschelige Juliane. Und da führt die Autorin in ihrem Zweipersonenstück einen technischen Trick ein, der verhindert, dass sich ihre Zuschauer bequem zurücklehnen können. Und er ermöglicht den Schauspielern, gleich in mehreren Rollen so richtig vom Leder zu ziehen.

Mehrere Rollen

Denn Suzanne von Borsody tritt anfangs nicht als die selbstbewusste Liesbeth Tinberge auf, sondern als die so ganz andere Juliane, mit wirrem Haarknoten, unsicherer, nervöser Körpersprache und fisteliger Stimme. Schon mit dieser zur Erwartungshaltung an die Borsody völlig konträren Figur zu Beginn verunsichern die Autorin und Regisseur Antoine Uitdehaag ihr Publikum. Vor allem dann, als mitten im Gespräch der Rollenwechsel erfolgt, Borsody als Liesbeth kehlig und selbstbewusst Richard auslacht und ihr Auftreten im Gehen, Spielen, Reden ändert.
Während Suzanne von Borsody nun in dieser Rolle bleibt, muss Guntbert Warns nicht nur diesen faszinierenden Kotzbrocken Richard von Berkhoven spielen, sondern, zunächst als Spiel im Spiel, am Ende aber auch als echte Figur im Geschehen, Lies' Ehemann, den reichen Kunstsammler und Gynäkologen Wouter Tinberge.
Und beide spielen dann auch noch ihre Rollen in den Proben zu dem Stück, zu dem sie sich noch einmal zusammengefunden haben. Das Ganze ist raffiniert verquickt und gibt dem Publikum Gelegenheit, die gleiche Stelle in der fahrigen, faden Darstellung durch die unfähige Juliane und später in der packend ausgefeilten der Diva Lies zu sehen. Und liefert so Suzanne von Borsody das Vergnügen, den Unterschied zwischen schlechtem und mitreißendem Schauspiel so recht zu zelebrieren.
Als ähnliches Sahnestückchen für Guntbert Warns gibt es die Szene, in der er seinen Rivalen Wouter Tinberge parodiert, um Lies doch noch für sich zu gewinnen, als sie nach Absetzung ihres gemeinsamen Erfolgsstücks aus seinem Leben zu verschwinden droht, aus der Alkoholhölle mit Richard in die gesicherte Beziehung mit dem wohlhabenden Arzt.
Geschickt bezieht Goos darauf das wirkliche Ende, das auf die erfolgreiche Premiere des Stückes folgt, dessen Proben das Handlungsgerüst in "Der letzte Vorhang" bilden. Nach der Premiere erkennt Lies, dass die gemeinsamen Auftritte sie zurückführen würden in Richards Alkoholsucht, Eifersucht, Niedergang. Liesbeth und Richard können nicht zusammenkommen, noch nicht mal für diese Produktion. Das Stück, in dem trotz der vielen offenen Abgründe der Humor fast immer die Oberhand behält, endet nun doch wie eine tragische Liebesgeschichte. Tragisch, aber vernünftig, unromantisch, aber einziger Ausweg für das halbwegs glückliche Weiterleben von Lies. Auch für Richard, der sich nach der Premiere wieder in die Kneipe verabschiedet hat, ist das nun wohl "der letzte Vorhang" gewesen.

Einfallsreiche Regie

So changiert das Stück zwischen Komödie und Tragödie und bleibt den ganzen Abend über spannend, was auch der sehr dichten, einfallsreichen, die Spieler ständig in Bewegung haltenden Regie Uitdehaags zu danken ist.
Und ganz zuvörderst natürlich der phänomenalen Bühnenpräsenz der beiden Schauspieler, ihrem unermüdlichen Körpereinsatz. Das Publikum im ausverkauften Kurtheater dankte mit begeistertem Applaus für ihre große Schauspielkunst.