Druckartikel: "Pflichtfeuerwehr ist nur das letzte Mittel"

"Pflichtfeuerwehr ist nur das letzte Mittel"


Autor: Sigismund von Dobschütz

Reiterswiesen, Freitag, 23. Sept. 2022

Staatssekretär Sandro Kirchner setzt beim Brandschutz auch auf die Zusammenarbeit der Kommunen.
Staatssekretär Sandro Kirchner besuchte die Feuerwehr in Reiterswiesen.


Sandro Kirchner (CSU), Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Inneren, war zu Besuch bei der Feuerwehr Reiterswiesen, um das neue Löschfahrzeug LF 10 zu begutachten. In einem Interview spricht er zudem über den Brandschutz, die Zukunft der Feuerwehren und den Katastrophenschutz in Bayern.

Der Klimawandel fordert verstärkt Einsätze zur Bekämpfung von Wald- und Flächenbränden. Manche Feuerwehren melden deshalb Bedarf an speziellen Tanklöschfahrzeugen und entsprechender Ausstattung. Wird der Freistaat die Zuwendungen erhöhen?

Sandro Kirchner: Der Abwehrende Brandschutz und der Technische Hilfsdienst sind in Bayern Pflichtaufgaben der Gemeinden. Der Freistaat unterstützt die Gemeinden beim Bau von Feuerwehrhäusern und bei der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen und -geräten. Zum Januar 2022 wurden die staatlichen Förderfestbeträge um durchschnittlich zehn Prozent angehoben.

Daneben haben wir den Förderkatalog angepasst, um die Mobilität und Schlagkraft gerade kleinerer Feuerwehren zu verbessern.

Der Bund kürzt die Mittel für den Katastrophenschutz, statt ihn zu erhöhen. Wie reagiert der Freistaat darauf?

Der Haushaltsentwurf des Bundes sieht für 2023 Kürzungen für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe von fast 40 Prozent vor. Auch der Etat für das Technische Hilfswerk soll um knapp 30 Prozent gekürzt werden. Bayern setzt sich daher nachdrücklich dafür ein, dass diese Pläne in den Haushaltsberatungen korrigiert werden. Erste positive Signale aus der Ampelkoalition liegen uns bereits vor.

Der Freistaat investiert kräftig in den Katastrophenschutz: Im Haushalt 2022 wurden 21 Millionen Euro für das Sonderinvestitionsprogramm "Katastrophenschutz Bayern 2030" zur Verfügung gestellt. Der Einsatz der Mittel erfolgt im engen Dialog mit dem Landesfeuerwehrverband und den freiwilligen Hilfsorganisationen.

Durch den demographischen Wandel fehlt es Feuerwehren an Nachwuchs. Auch sind viele Aktive außerhalb ihres Wohnortes berufstätig. Die Einsatzbereitschaft ist also gefährdet. Erste deutsche Kommunen bauen Pflichtfeuerwehren auf. Was halten Sie davon? Welche Vorschläge haben Sie?

Die Aufstellung einer Pflichtfeuerwehr kann nur das letzte Mittel sein, um den abwehrenden Brandschutz und technischen Hilfsdienst zu gewährleisten. Uns ist nicht bekannt, dass in Bayern seit Inkrafttreten der Regelung jemals eine Verpflichtung zum Feuerwehrdienst ausgesprochen und vollzogen wurde.

Zur Sicherstellung der Alarmierungssicherheit tagsüber kommen neben einer verstärkten Mitgliederwerbung auch die Einbeziehung weiterer Feuerwehren der Gemeinde in die Alarmierungsplanung oder eine kommunale Zusammenarbeit in Betracht.

Die Landratsämter und gegebenenfalls auch die Regierungen mit den Fachberatern für Brand- und Katastrophenschutz stehen den Gemeinden bei Bedarf beratend zur Seite und arbeiten gemeinsam auf Lösungen zur Sicherung der Einsatzbereitschaft hin.

Was unternimmt der Freistaat Bayern konkret zur Verbesserung des Schutzes vor Waldbränden und zu deren Bekämpfung?

Der Freistaat fördert die Beschaffung normgerechter Feuerwehrfahrzeuge zur Sicherstellung des Brandschutzes. Bereits seit diesem Jahr wird beispielsweise die Beschaffung von speziell für den Waldbrandschutz ausgerüsteten Tanklöschfahrzeugen unterstützt. Bis zum Sommer 2023 wird ein Satellitenortungssystem zur Waldbrandüberwachung für eine noch bessere Vorsorge getestet. Außerdem ist geplant, eine bayerische Waldbrandbekämpfungseinheit aufzubauen.

Was unternimmt der Freistaat, um Feuerwehren auf den notwendigen Ausbildungs- und Ausrüstungsstand zur Bekämpfung künftiger Gefahren in Folge des Klimawandels zu bringen?

Wir entwickeln die Ausbildungsangebote und -inhalte kontinuierlich fort. Die Folgen des Klimawandels betreffen dabei in erster Linie den vorbeugenden Katastrophenschutz. Neben der regulären Ausbildung in diesem Bereich an der Staatlichen Feuerwehrschule Geretsried, trifft der Freistaat vor allem Vorsorge im Bereich der Waldbrandbekämpfung. Neben dem bewährten Kompetenzzentrum für Waldbrandbekämpfung aus der Luft an der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg wird derzeit an der Staatlichen Feuerwehrschule Regensburg ein Kompetenzzentrum zur Waldbrandbekämpfung am Boden aufgebaut. Dadurch soll die taktische und technische Weiterentwicklung in der Waldbrandbekämpfung gebündelt und die Ausbildung der Einsatzkräfte weiterentwickelt werden. Das Bayerische Innenministerium hat zusammen mit dem Landesfeuerwehrverband, der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren, den Hilfsorganisationen und dem THW ein Arbeitsprojekt "Fortentwicklung des Katastrophenschutzes in Bayern" initiiert. Hier werden in verschiedenen Arbeitsgruppen die notwendigen Schritte besprochen. Erste Ergebnisse sollen Ende 2022 vorliegen.

Der Freistaat Bayern verteilt die Ehrenamtskarte. Manche Feuerwehrleute schlagen vor, stattdessen Aufwandsentschädigungen zu zahlen. Auch verbilligte Verträge mit Fitnessstudios wären vorstellbar. Was halten Sie davon?

Das Bayerische Innenministerium führt gerade mit der Technischen Hochschule Nürnberg ein Kooperationsprojekt zum Thema "Engagement & Freiwillige Feuerwehr" durch. Das auf zwei Jahre angelegte Forschungsprojekt untersucht, mit welchen Maßnahmen und Strategien die Gewinnung und Bindung von Mitgliedern für den Feuerwehrdienst gefördert und die Rahmenbedingungen optimiert werden können, um das ehrenamtliche Potenzial dauerhaft zu halten. Aus den Ergebnissen, die wir in der zweiten Jahreshälfte 2023 erwarten, wollen wir weitere Maßnahmen zur Förderung des Ehrenamts ableiten. Eine Bezahlung des Ehrenamts sehen wir jedoch grundsätzlich kritisch.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat angesichts der Unsicherheiten bei der Energieversorgung einen stärkeren Ausbau des zivilen Katastrophenschutzes gefordert. Die Bundesregierung habe die Lage zwar erkannt, handle aber nicht ausreichend. Wie sichert der Freistaat die Energieversorgung in Bayern?

Die sichere Energieversorgung ist für die Bayerische Staatsregierung ein zentrales Thema. Denn durch die angespannte Situation bei der Gasversorgung sind auch Auswirkungen auf das Stromsystem nicht auszuschließen. Die Bundesregierung scheint den Ernst der Lage noch nicht erkannt zu haben. Laut unserem zuständigen Wirtschaftsministerium werden zur aktuellen Energieversorgungssituation auf Landes- und Bundesebene bereits regelmäßig Übungen abgehalten, um die existierenden Notfallpläne fortzuentwickeln.

Das Gespräch führte Sigismund von Dobschütz.