Organisierte Hilfe für die Hilflosen
Autor: Steffen Standke
Bad Kissingen, Dienstag, 12. November 2019
Auch im Landkreis Bad Kissingen leben viele Menschen, die ihr alltägliches Leben aus gesundheitlichen oder seelischen Gründen nicht mehr bewältigen und organisieren können. Doch in der Kreisstadt gibt es Hilfe für die Hilflosen.
Marko Brust sieht täglich viel Leid: Menschen mit Alkohol- oder Drogenproblemen. Menschen, die krank oder invalide geworden sind, die mit Depressionen oder anderen psychischen Problemen kämpfen. Die alle gemeinsam haben, ihre Alltagsgeschäfte nicht mehr organisieren und bewältigen zu können. Marko Brust kommt, um diesen Menschen zu helfen. Der 48-jährige Sozialpädagoge arbeitet für einen Betreuungsverein. Die rückten kürzlich in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.
Ein Amts-, Vereins- oder Berufsbetreuer kümmert sich um Volljährige, die "auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbstständig erledigen können". So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch.
In der Region füllt der Allgemeine Rettungsverband Unterfranken (ARV) mit Hauptsitz Bad Kissingen diese gesellschaftliche Aufgabe aus und beschäftigt dafür neben zwei Bürokräften fünf bis sechs gesetzliche (Vereins-)Betreuer, alle Diplom-Sozialpädagogen. Sie kümmern sich um rund 170 Fälle in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld - und einige wenige im Raum Schweinfurt.
Mit klassischer Pflege - sagt ARV-Vorstand Jürgen Bereiter - hat die gesetzliche Betreuung nichts zu tun. Ein Berufsbetreuer wäscht keine Pflegebedürftigen, füttert sie oder kauft nicht für sie ein. Er kümmert sich zum Beispiel um Bankgeschäfte und Schriftverkehr mit Behörden. Er organisiert Umzüge und veranlasst, dass alle Rechnungen bezahlt sind. Auch das Beantragen von Pflegestufen gehört zu seinen Aufgaben. Einsetzen darf Betreuer nur ein Gericht - entweder auf Antrag des Betroffenen selbst oder - was weit öfter der Fall ist - von Amts wegen auf Basis eines ärztlichen Befundes. Es legt auch die Befugnisse des Betreuers fest.
Marko Brust betreut rund 40 Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht oder fast nicht mehr allein regeln können. Wie zum Beispiel ein Mann Ende 50. Ein schwerer Schlaganfall riss ihn aus dem Berufsleben. Da er allein lebte, fand man ihn erst zwei bis drei Tage nach dem Schicksalsschlag. "So etwas krempelt urplötzlich ein Leben um", sagt Marko Brust. Heute muss sich sein Schützling mit einer halbseitigen Lähmung abfinden; er ist auf den Rollstuhl angewiesen. Sprechen kann er, tut sich aber schwer, einfachste Worte zu finden. Da er sich früher stark über die Arbeit definierte, blieb ihm kein weiteres soziales Umfeld.
Mittlerweile lebt der Endfünfziger - von Brust organisiert - in einem Pflegeheim. Der Sozialpädagoge darf als rechtlicher Vertreter in dessen Namen Unterschriften bei Banken und Behörden leisten. Dafür verlieh ihm das Gericht die Vollmacht.
Seine Klientel - berichtet der 48-Jährige - rekrutiert sich meist aus den in der Gesellschaft Schlechtergestellten. Viele leiden unter Süchten. Zigaretten, Alkohol, Drogen. Wie der 35-Jährige, den Brust vor 17 Jahren als einen seiner ersten Fälle übernahm. Schon damals war der gerade volljährig Gewordene schwer drogenabhängig, hatte kaum Kontakt zur eigenen Familie. Heute lebt er in einer eigenen Wohnung; das Drogenproblem besteht weiter. Doch mit Marko Brusts Hilfe hält er den Status Quo. "Seine Rechnungen und die Miete sind bezahlt. Und auch auf Beziehungsebene lässt er etwas zu." Eigentlich ist eine gesetzliche Betreuung auf sieben Jahre begrenzt. Nachdem Betreuer, Betreuter und Gutachter gehört wurden, kann das Gericht sie verlängern.