Druckartikel: Ohne Hallenbad kein Unterricht

Ohne Hallenbad kein Unterricht


Autor: Sigismund von Dobschütz

Nüdlingen, Donnerstag, 17. Sept. 2015

In der Nüdlinger Grundschule haben die Drittklässler seit sechs Jahren keinen Schwimmunterricht mehr, weil kein Hallenbad zur Verfügung steht seit das Münnerstädter geschlossen wurde. Eine Lösung ist nicht in Sicht.
Planschen im Hallenbad - wie hier in Bad Kissingen - gefällt fast allen Kindern. Doch immer weniger können Schwimmen. Trotzdem fällt der Schwimmunterricht in vielen Schulen aus, obwohl er in der 3. Klasse auf dem Lehrplan steht. So auch in Nüdlingen. Seit der Schließung des Münnerstädter Hallenbades weiß die Schule nicht mehr wohin. Das Kissinger Hallenbad ist ausgelastet. Foto: Annett Luedeke/ Archiv


Weil Kommunen aus Kostengründen ihre Hallenbäder schließen, fällt der Schwimmunterricht an immer mehr Schulen aus. Nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen könnten heute als sichere Schwimmer bezeichnet werden. Auch an der Nüdlinger Schlossberg-Grundschule ist seit 2009 in den dritten Klassen das Schwimmen gestrichen, nachdem das Hallenbad in Münnerstadt geschlossen wurde.

"Schwimmen lernen ist wichtig, manchmal überlebenswichtig", meint aber Schulleiterin Ritta Helfrich.
Schwimmen gehört in der Grundschule eigentlich fest zum Lehrplan. Eine von drei wöchentlichen Sportstunden der dritten Jahrgangsstufe ist für das Schwimmen lernen vorgesehen. "Der gute Wille ist ja da, es scheitert einfach an den praktischen Möglichkeiten", weiß die Rektorin keine Lösung des Problems. Sogar in den höheren Klassen der Mittelschule wäre Schwimmen als Teil des Sportunterrichts wünschenswert. "Schwimmen ist persönlichkeitsbildend und eine Voraussetzung zur gesunden Lebensführung."


Verständnis für Kommunen

Immer wieder fragte Helfrich in den vergangenen Jahren in Bad Kissingen an, ob im dortigen Hallenbad freie Zeiten für ihre Schüler verfügbar wären. Doch jedes Mal bekam sie eine Absage. Andere Bäder eignen sich nicht, zumal längere Fahrtzeiten bei der ohnehin knappen Unterrichtszeit nicht möglich sind. "Man muss die Kommunen angesichts knapper Kassen natürlich verstehen", ist der Schulleiterin bewusst. "Nicht jede Gemeinde kann sich ein eigenes Schwimmbad leisten."


Spaßbäder ungeeignet

Andererseits werden von Privatinvestoren Spaßbäder und Thermen gebaut, die aber für den Unterricht nicht geeignet sind. In Kliniken und Sanatorium mit eigenem Schwimmbad hat Helfrich bisher noch nicht nachgefragt. Denn das Problem ist überall dasselbe: Für die Unterrichtung von Nichtschwimmern ist ein Lehrbecken mit niedrigem Wasserstand unbedingte Voraussetzung.
Droht bei Wegfall des Schwimmunterrichts also eine Generation von Nichtschwimmern? Laut einer Forsa-Studie konnte bereits 2010 jedes zweite zehnjährige Kind nicht schwimmen! Nach einer älteren Emnid-Studie sind 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen und 25 Prozent der Erwachsenen nach eigenen Angaben Nichtschwimmer oder schlechte Schwimmer.
Konnten vor 15 Jahren noch über 90 Prozent aller Einschulkinder schwimmen, sind es laut einer Statistik der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft heute gerade noch 65 Prozent. Bereits jetzt können 20 Prozent aller Schulen in Deutschland keinen Schwimmunterricht mehr anbieten.


Projekt geplant

Politik und Regierungen sind sich des Problems bewusst, versuchen verstärkt gegenzusteuern und neue Wege im Schwimmunterricht zu finden. Deshalb will die Bezirksregierung von Unterfranken das Konzept "Schwimmkids durch Schwimmfix" im neuen Schuljahr auf ganz Unterfranken ausweiten, das von Sportwissenschaftlern an der Universität Heidelberg entwickelt und an ausgewählten Grundschulen bereits erfolgreich umgesetzt wurde. Dabei lernen Zweit- und Drittklässler in nur 16 Doppelstunden nicht komplexe Schwimmtechniken wie Brustschwimmen oder Kraulen, sondern als deren Vorstufe effektive Bewegungstechniken und -abläufe in neuer Kombination.
Grundschulen ohne Möglichkeit zum Schwimmunterricht sollen solche Kurse gezielt während ihrer Aufenthalte in Schullandheimen wahrnehmen können. Nüdlingens Schulleiterin Ritta Helfrich denkt darüber nach, dieses Angebot auch für ihre Grundschüler zu nutzen.


Eltern sind gefragt

Natürlich bestehen auch andere Möglichkeiten, kleinen Kindern das Schwimmen beizubringen. So gibt es fast überall privat organisierte Schwimmkurse, wo Eltern ihre Sprösslinge anmelden könnten. Oder: "Warum können Eltern ihre Kinder nicht sogar selbst unterrichten?", fragt die Schlossberg-Rektorin. "Alles wird immer von der Schule verlangt." Für die Nüdlinger Schlossberg-Grundschule sieht sie jedenfalls seit Schließung des Münnerstädter Hallenbades keine Aussicht auf regelmäßigen Schwimmunterricht: "Was nicht geht, geht nicht."