"Wir waren eine normale Familie"
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Sonntag, 01. Dezember 2013
Die Probleme einer Alltags-Familie bringt das Fränkische Theater Schloss Maßbach auf die Bühne. Theaterpädagogik wird in einer neuen Form präsentiert, in einer Form, die Jugendlichen aufnehmen, weil sie mit einbezogen werden.
Theater statt Unterricht, lustiges Treiben auf der Bühne statt Mathe. Eine willkommene Abwechslung bei den Schülern. Hochstimmung und ausgelassene Vorfreude gab es da allenthalben. Die Lehrer hatten alle Hände voll zu tun, um ihre Schützlinge sicher über die Straße und zum Thea terplatz in Bad Kissingen zu geleiten. Ulrike Weilbach, Lehrerin der 5c des Jack-Steinberger Gymnasiums, ließ sicherheitshalber erst mal nachzählen, bevor auch ihre Klasse die Plüschsessel des ehrwürdigen Kurtheaters stürmten. Aber als sich der Vorhang öffnete war es mucksmäuschenstill.
Neue Wege im Theater
Es gelingt dem Ensemble des Fränkischen Theater Schloss Maßbach immer wieder, neue, attraktive Kinderstücke ins Programm zu nehmen. Auf ansprechendes Niveau kann man sich verlassen, denn die Maßbacher wissen, was Theater für Kinder kann und darf. Phantasievoll und kindgerecht werden spannende und lustige Stücke auf ihre Bühne und in Spielstätten außerhalb der Freilichtbühne gebracht. Mit dem Stück "Mokupoku" ist man einen Schritt weitergegangen und hat in einer Produktion mit dem Stadttheater Fürth eine zeitkritische Komödie für Kinder und Erwachsene ins Programm genommen.
Theaterspaß, als Abwechslung vom Schulalltag ist den Autoren des Stückes nämlich zu wenig. Verpackt in eine abenteuerliche Lügengeschichte wird versucht, Sehnsüchte eines jungen Publikums aufzugreifen und daraus ein komödiantisches Stück mit Hintergrund zu inszenieren. Das Grundthema, der Wunsch nach der "heilen Familie", ist nah an der sozialen Wirklichkeit, soll die kindliche Phantasie anregen, ist aber auch eine Herausforderung, sich mit der erlebten Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Denn es geht um Probleme einer Alltagsfamilie und bei weitem nicht nur um Lügen und deren Folgen. Das ist so geschickt verpackt, dass ein moralisierender Zeigefinger nie zu sehen ist.
Das junge Autorenduo Sophie Linnenbaum und Thomas Klischke arbeitet seit 2006 erfolgreich zusammen. Er, der auch Regie führt, ist gern gesehener Gast in Maßbach, wo er verschiedene Märchen und Komödien für Kinder inszenierte.
Keine Lügen mehr
Der Inhalt des Stückes: Der Schüler Gustav Glock-Schlag wünscht sich die Zeiten zurück, als die Familie in Harmonie zusammenlebte. Aber seit die Mutter einen stressigen Job als Moderatorin beim Werbefernsehen angenommen hat, der Vater seine Tierarztpraxis vernachlässigt und sich mit Ausflüchten ständig außer Haus begibt, seine Schwester sich zur Vorbereitung auf ein Casting für Models in ihr Zimmer einschließt, ist es damit vorbei. Als die Großmutter, die auf der kleinen hawaiianischen Insel Mokupoku lebt, ihren jährlichen Besuch ankündigt, der immer mit einem großen Familienfest gefeiert wird, bricht das Chaos aus.
Blumengirlanden und Palmen, Kokosnüsse und Sandstrand gehören zur festlichen Dekoration, aber keiner hat Zeit, sich darum zu kümmern. Als Gustav seine Familie zur Rede stellt, flüchten sie sich in immer merkwürdigere Lügen, um sich zu rechtfertigen. Verzweifelt wünscht er sich, dass die Lügerei ein Ende hat. Tatsächlich geht durch ein magisches Versehen sein Wunsch in Erfüllung. Aber nun kommt alles noch schlimmer, denn nun wird jede Lüge zur Wahrheit. So passieren die unglaublichsten Dinge...
Ansprechende Dekoration
Der "Lügenraum" ist als aufgeklappte blaue Wand mit vielen, sich immer wieder überraschend öffnenden Türen, Fenstern, Klappen und Schubladen gestaltet. Eine fahrbare Treppe eröffnet zusätzliche Möglichkeiten für die immer turbulenter werdende Handlung, die Nielz Bessel als Gustav einerseits moderiert, dann aber wieder mitten im Geschehen auftritt. Übergangslos beherrscht er diesen Spagat und überzeugt in jeder Situation. Silvia Steger, als Gustavs Schwester Margie , lebt den nervtötenden pubertierenden Teenager gnadenlos aus und Johanna Seitz gibt einerseits den Star des Werbefernsehkanals, der das Lügenchaos anzettelt, will aber eigentlich die fürsorgliche Mutter Grete sein. Ausdrucksstark.
Das kaum zu überbietende Tempo der aufeinander folgenden Slapstick Einlagen befeuert Georg Schmiechen als Vater Michael Schlag.
Als Jogger immer in Bewegung rennt er auch im Haus, stellt alles auf den Kopf, nur um abzunehmen, verheimlicht das und verstrickt sich in unlösbare Lügengespinste. Das macht er so überzeugend, dass die Zuschauer mitleiden. Diana Klose als farbenfrohe Hawaii-Oma und Philipp Lochner als origineller Schulpedell Konrad Knuppke vervollständigen das spielfreudige Ensemble. Für die flippigen Kostüme zeichnete Jutta Reinhard verantwortlich.
Auseinandersetzung erwünscht
Den Kindern gefielen die sich überschlagenden Ereignisse. Überbordende Situationskomik, die sie vom Zeichentrickfilmchen vom Kinderkanal kennen, haben sie in dieser Inszenierung wiedergefunden. Alina, 8 Jahre war begeistert, besonders, weil der als Haustier gehaltene Affe Spaß gemacht hat. Leo fügt hinzu, dass Margie coole Klamotten anhatte, und Jonas aus dem Gymnasium haben Polizisten und Tatort-Melodie gefallen.
Was Lügen anrichten können, haben die Kinder verstanden. Weitere, beabsichtigte Hintergründe des Stücks werden sie ohne Hinführung von Eltern und Pädagogen aber kaum erkennen, wie man ihren Kommentaren entnehmen kann. Dann bleibt immerhin noch eine turbulente Komödie, temporeich und ohne Atempausen inszeniert, als Erlebnis, aber die Theaterpädagogen haben auf der Homepage des Fränkischen Theaters eine ausführliche erklärende Materialsammlung zusammengestellt, die anregt das Theater spielerisch nachklingen zu lassen. "Mokupoku" hatte in Fürth Premiere und wird bis Weihnachten in bayerischen Städten, etwa in Schweinfurt und Maßbach aufgeführt.