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Winzer kämpfen um Weinstöcke


Autor: red

Hammelburg, Freitag, 26. August 2022

Trostlos erscheint das Bild in einzelnen Hammelburger Weinbergen. Es gibt reichlich abgestorbene Blätter. Warum die Lage nicht aussichtslos ist und ein Ruf jetzt lauter wird.
Stefan Ruppert (links) begutachtet mit Jannik Schneider bewässerte Rebstöcke mit Jungpflanzen dazwischen.


Je nach Lage, Alter und Sorte ist der Hitzestress bei den Saaletaler Rebstöcken unterschiedlich. Manche darben sichtlich, anderen, mit prallen Trauben daran, geht es erstaunlich gut. Das hat Gründe: "Fünf Jahre alte Pflanzen sind eigentlich über den Berg", sagt Winzermeister Stefan Ruppert bei einem Besuch dieser Redaktion im Weinberg.

Denn ältere Stöcke bilden ein bis zu 15 Meter langes Wurzelwerk, das mehr oder weniger in die Tiefe wächst. Betagte Rebstöcke erweisen sich bei Trockenheit als wahre Überlebenskünstler. Eine Rolle spielt für das Gedeihen auch die Sorte und die Bodenauflage über dem Muschelkalk am jeweiligen Standort.

Wetterstation untermauert Regenmangel

Auf jeden Fall viel gefährdeter seien Neuanpflanzungen. Ihnen droht ohne Niederschläge die Vertrocknung. Gerade deshalb sehnen die Saaletaler Winzer Regen herbei. Wie sehr er fehlt, untermauert Ruppert mit einem Blick auf die Aufzeichnungen einer Wetterstation des Staatlichen Hofkellers (Würzburg) im Trautlestal Richtung Seeshof.

Demnach fielen dort im Juni, Juli und August 2022 bisher zusammen gerade Mal 48 Liter Regen auf den Quadratmeter. Im Vorjahr seien es 200 bis 250 Liter gewesen. "Da kamen immer auch Mal wieder Gewitter", erinnert sich Ruppert. Ein Glück immerhin, dass 2021 feuchter war als die vorausgehenden Jahre und dass Januar und Februar mit länger anhaltenden Niederschlägen bei keinem Frost aufwarteten.

Niederschläge ungleich verteilt

Doch die aktuelle Durststrecke dauere einfach zu lang. Zumal einzelne von den Metereologen versprochene Gewittergüsse nicht eintraten. So, wie vergangenes Wochenende: Da regnete es im Trautlestal gerade Mal acht Liter auf den Quadratmeter, über der Stadt dagegen schon wieder nichts.

Um Junganlagen über die Runden zu bringen, hilft laut Ruppert nur eines: künstliche Bewässerung. Doch die ist zeitaufwändig. Mit einem 6000-Liter-Faß transportiert das Weingut Ruppert, wie andere Winzerkollegen, Wasser in den Weinberg. Wasser dafür holen sie von einer Zapfstelle an der alten Linde im Seeshofer Tal. Sie ist über eine Wasserleitung aus dem Jahr 1906 an die alte Quelle bei Seeshof angeschlossen. Diese Quelle ist laut Ruppert mit einer guten Schüttung gesegnet. Auch bei Trockenheit sprudelt das Wasser unaufhörlich.

Oben im Weinberg wird der Tankwagen zum Entleeren an einen dicken Schlauch angeschlossen, von dem aus das Wasser in dünne, schwarze Unterverteilungen rinnt. Daraus tropft es punktuell aus wenigen Zentimetern Höhe auf den Boden nahe der Rebstöcke.

Rund fünf Kilometer solcher Leitungen seien pro Hektar erforderlich, überschlägt Ruppert. Das Problem dieses Verfahrens in Hammelburg: Rund eine Stunde dauert es, bis der Tankwagen an der Zapfstelle vollgelaufen ist. Wenn noch andere Winzer Wasser holen, kann die Wartezeit hier schon Mal zwei Stunden Stunden betragen.

Auf der Suche nach einer besseren Lösung kündigt Ruppert als Vorsitzender des Weinbauvereins Gespräche mit der Stadtverwaltung und dem Wasserwirtschaftsamt an. Denn bei der Bewässerung ihrer Weinberge sind Kolleginnen und Kollegen im Fränkischen Weinland klar im Vorteil. Sie dürfen zur Bewässerung Wasser aus dem Main holen.

Für das Saaletal wird nun der Ruf nach Möglichkeiten zur Wasserspeicherung lauter. Dafür gibt es in Unterfranken bereits Pilotprojekte. Vor rund zehn Jahren sei das Thema im Saaletal schon einmal in den Fokus gekommen, aber dann wegen weniger trockener Jahre nicht weiterverfolgt worden.

Suche nach Wasserspeichern

Wenn es mit der Trockenheit so weiter geht, kommt es wieder auf den Tisch. Für das Saaletal kann sich Ruppert Speicherung von winterlichem Hochwasser oder eine Lösung in Verbindung mit dem Teich im Seeshofer Tal vorstellen. Denkbar seien auch Projekte mit unterirdischen Betonrohren oder das Bohren von Brunnen. "Am Ende muss jeder Winzer für sich selbst entscheiden, ob er sich an einer Lösung beteiligt", findet Ruppert.

Eher nicht gedacht sei an eine flächendeckende Bewässerung, sondern eben nur an die der Jungpflanzen. Zumal sich Rebstöcke bei zu viel Bewässerung die Ausprägung von tiefem Wurzelwerk ersparen. Das wäre kontraproduktiv. Bei punktueller Bewässerung halte sich der Wasserbedarf mit 15 Litern je Jungpflanze in Grenzen. Bei alledem führt für die Winzer kein Weg daran vorbei, sich intensiv für den Klimawandel zu wappnen. "Unsere Lebensversicherung sind jetzt die Rebstöcke, die unser Betrieb vor 40 bis 45 Jahren gesetzt hat", spielt Ruppert auf betagte Müller-Thurgau-Pflanzen seines Weingutes an. Genauso wie damals gelte es nun, für die heutige Generation etwas Bleibendes zu schaffen. Denn: "Es ist erstaunlich, wie gut die alten Pflanzen die Hitze wegstecken", schwärmt Ruppert. Zum vorausschauenden Wirtschaften trage bereits heute ein gezieltes Feuchtigkeitsmanagement im Boden bei. So werde der Bewuchs zwischen den Rebzeilen nicht mehr untergepflügt, sondern beim Mulchen mit Walzen zwischen den Rebzeilen abgeknickt. Liegengelassenes schützt den Boden vor Sonneneinstrahlung.

Auch mit der Wahl hitzeresistenter Weinsorten können sich Winzer zukunftsfähig aufstellen. "Der Bacchus wird der Verlierer", ist Ruppert überzeugt. Er leidet schon heute übermäßig unter der Hitze. Mit Blick auf Sorten, die im trockenen Italien und Spanien gedeihen, ist es dem Winzermeister auf längere Sicht nicht bange. "Da haben wir noch 100 Jahre Luft", sieht er Potenzial bei der Auswahl geeigneter Sorten.

Wie der 2022er-Jahrgang werde, bleibt abzuwarten, sagt Ruppert. Klar scheint, dass die Lese Mitte September und damit erneut etwa einen Monat früher als im langjährigen Mittel beginnt.

Wolfgang Dünnebier