"Tischlein deck dich" in Wildflecken versorgt 120 Bedürftige
Autor: Redaktion.
Wildflecken, Dienstag, 17. Juni 2014
Wer sagt eigentlich, dass Märchen nicht wahr werden können? Wie gut das möglich ist, zeigt die Initiative "Tischlein deck dich" in Wildflecken, und zwar ganz ohne Hexerei und Zaubertrank. Stattdessen mit festem Willen, offenem Herzen und zupackenden Händen.
Auf diese Weise unterstützt das Team um Brigitte Schüßler und Christine Gehrlein seit sechs Jahren bedürftige Menschen mit Lebensmitteln und anderem täglichen Bedarf.
Eines will Brigitte Schüßler, rüstige Seniorin mit 66 Jahren, mal gleich klarstellen: "Wir verdienen bei unserem Einsatz absolut nichts.
Im Gegenteil: Jeder trägt seine Fahrkosten selbst."
Mehrmals pro Woche holt das rund 20-köpfige Team von "Tischlein deck dich" Nahrungsmittel aus Wildflecken und den umliegenden Ortschaften, die dortige Supermärkte oder Bäckereien nicht mehr verkaufen dürfen. Bis Freitagmittag werden sie dann im Kreuzgang des evangelischen Pfarrhauses gelagert und in Körbe gepackt, bevor sie am Nachmittag für 1,50 Euro an die Kunden abgegeben werden. "Alles wird gerecht verteilt", betont Christine Gehrlein, Vertrauensfrau im Kirchenvorstand von Wildflecken.
Reichlich Gemüse und Obst
"Anfangs sind wir erschrocken, wie viele Bedürftige es hier gibt", verhehlt die 52-Jährige nicht. Sie hatte einst zusammen mit dem früheren Pfarrer Udo Sehmisch und seiner Frau Monja die Idee für das Projekt. "Denn immer wieder haben am Pfarrhaus Menschen geklingelt und baten um Geld." Doch Geld gibt es bei "Tischlein deck dich" nicht, auch keine Tabakwaren, keinen Alkohol, keine Pommes und erst recht keine Fleischwaren - der strengen hygienischen Bestimmungen wegen. Stattdessen aber allerlei Grundnahrungsmittel, reichlich Gemüse, oft sogar exotisches Obst wie Granatäpfel oder Mangos. Dass immer freitags an der evangelischen Kreuzkirche nicht nur ein Tischlein, sondern eine beachtliche Tafel gedeckt wird, hat sich herumgesprochen. Rund 120 Kunden kommen regelmäßig. Manchmal herrsche umtriebige Stimmung wie in einer Markthalle, schmunzelt Brigitte Schüßler. "Wir achten aber auf Disziplin und Respekt. Es kommt ja jeder dran."
"Tischlein deck dich" sieht sich als Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb gibt es den Essenskorb nicht umsonst, deshalb müssen die Kunden rechtzeitig und zuverlässig kommen oder sich abmelden, wenn sie mal nicht kommen. Und sie müssen ihre Bedürftigkeit regelmäßig nachweisen. "Das fällt vielen sicher nicht leicht, aber wie sollen wir sonst wissen, dass wir wirklich denen helfen, die es auch brauchen", erklärt Christine Gehrlein.
Fast 12 300 Kilometer sind die Mitarbeiter von "Tischlein deck dich" im vergangenen Jahr gefahren, wahrlich keine Selbstverständlichkeit. "Ich hatte schon immer das Helfersyndrom-Gen", sagt Brigitte Schüßler über ihren Einsatz. Und Christine Gehrlein ergänzt: "Dienst am Nächsten ist ein zutiefst christlicher Wert." Und darin haben Nahrungsmittel ihre besondere Bedeutung. "Ich werfe bei mir zu Hause niemals Essen weg", betont Brigitte Schüßler. Was übrig bleibe, werde eingefroren und irgendwann zu einem schmackhaften Herrgottssüpple verarbeitet. Herrgottssüpple? "Naja", schmunzelt Brigitte Schüßler einmal mehr. "Nur der liebe Gott und die Köchin wissen, was drin ist." Susanne Wahler-Göbel