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Stadt geht Mitarbeitern ans Geld


Autor: Redaktion.

Bad Kissingen, Freitag, 08. August 2014

Das Rathaus will Details der neuen Rentenregelungen nutzen, um bei der Altersteilzeit zu sparen. Die städtischen Arbeitnehmer sind entsetzt.
Im Bad Kissinger Rathaus will man Bestimmungen des neuen Rentengesetzes für Einsparungen nutzen.  Foto: Archiv


VON Siegfried Farkas

Bad Kissingen — Altersteilzeit war in den vergangenen Jahren bei der Stadt Bad Kissingen ein beliebtes Mittel, um die Zahl der Stellen zu senken. In der Amtszeit von Karl Heinz Laudenbach begonnen, hatte das für die Stadt angenehme Effekte. Die Betroffenen arbeiteten noch voll, bekamen aber bereits etwas weniger. Die Leistung blieb, die Personalkosten sanken.

Jetzt allerdings erleben Beschäftigte, die den passiven Teil der Altersteilzeit erreicht haben, ein böses Erwachen.
Hintergrund ist das in diesem Jahr in Kraft getretene Verbesserungsgesetz für die Altersvorsorge. Es gestattet Menschen, die mindestens 45 Jahre Rentenbeiträge eingezahlt haben, mit 63 abschlagsfrei in Rente zu gehen. Das will die Stadt Bad Kissingen für Einsparungen bei den Kosten der Altersteilzeit nutzen.
Bei Beschäftigten, welche die Bedingungen des neuen Gesetzes erfüllen, sollen die Altersteilzeitverträge "nicht fortgeführt werden", wenn sie 63 sind. Das hat der Stadtrat jüngst nichtöffentlich beschlossen. Und damit für erhebliche Unruhe bei den Betroffenen gesorgt. Denn für einige bedeutet das Einbußen in fünfstelliger Größenordnung.
Offen auf den Tisch gelegt werden die Zahlen zwar nicht. Thomas Hack, Pressesprecher des Rathauses, bestätigte auf Anfrage aber nicht nur die Entscheidung an sich, sondern auch, dass es für die Stadt insgesamt um etwa 300 000 Euro Einsparung geht.
Schon dieser Betrag macht deutlich, es handelt sich nicht um Einzelfälle. Etwa zehn städtische Bedienstete mit Altersteilzeitverträgen, so heißt es, sollen betroffen sein. Sie würden beim abrupten Wechsel von der Altersteilzeit in die Rente nicht nur monatlich etliche hundert Euro verlieren. Für den entfallenden Rest ihrer Altersteilzeit würden auch keine Beiträge in die Rentenkasse mehr bezahlt, sagen Gewerkschafter.
Die Entscheidung darüber, die Altersteilzeitverträge nicht fortzuführen soll unbestätigten Informationen zufolge mit einer relativ knappen Mehrheit von 15 zu 12 Stimmen gefallen sein. Oberbürgermeister Kay Blankenburg, so heißt es in Andeutungen verschiedener Seiten, habe zur unterlegenen Minderheit gehört.
Getroffen habe der Stadtrat die Entscheidung, so Hack, "wegen der Rechtssituation und wegen der Haushaltssituation". Das soll wohl heißen, die Stadt hat durch das Altenversorgungsverbesserungsgesetz die entsprechende Möglichkeit bekommen und nutzt sie, weil sie finanziell schlecht da steht. Es bestehe zwar kein Zwang so zu handeln, so Hack weiter. Die Stadt könne sich aber als Arbeitgeber aus freiem Willen so entscheiden. Rechtswidrig sei der Schritt aus städtischer Sicht jedenfalls nicht.
Wenn die Stadt auf ihrer Position beharrt, könnte es die Aufgabe von Gerichten werden zu entscheiden, ob es rechtswidrig ist, Verträge, deren Vorteile man schon genossen hat, zu kündigen, sobald es daran geht, seine Vertragspflichten zu erfüllen. Ralf Sander, Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft Verdi, sagt: "Wir empfehlen, notfalls Klage zu erheben." Die Betroffenen hätten die Verträge in einer "klaren Rechtslage" abgeschlossen. Darauf müssten sie sich verlassen können. Vergleichbare Fälle sind Sander noch nicht zugetragen worden. Bad Kissingen sei in der Region bis jetzt die einzige Kommune, die auf diese Weise an Mitarbeitern in Altersteilzeit sparen wolle.
"Entsetzt" darüber, "wie man ein Gesetz von der Intention her umdrehen kann", zeigte sich auf Anfrage auch Alexander Deml, der Vorsitzende des städtischen Personalrats. Der Personalrat erkenne an, dass die Stadt sparen müsse. Aber das dürfe nicht so und nicht auf Kosten der Mitarbeiter geschehen. Die Altersteilzeit sei von der Stadt gefördert worden. Die Mitarbeiter müssten auf Verträge mit der Stadt vertrauen können. Der Personalrat werde die Betroffenen "in jeder Hinsicht unterstützen".