Die Caritas Sozialstation stopft ein Loch im System. Dank der Weihnachtshilfe kann sie Menschen über Wasser halten, bis eine Behörde entschieden hat.
Als Heinz R* aus dem Krankenhaus entlassen wird und zurück nach Hause darf, hat er niemanden, der sich um ihn kümmert. Der 81-Jährige ist Diabetiker. Seine offenen Beine müssen jeden Tag versorgt und frisch verbunden werden. Heinz R*
(Name geändert) ist auf Medikamente angewiesen. Langsam wird er vergesslich, manchmal weiß er nicht mehr genau, wo er ist. Kochen, waschen, putzen: Der Haushalt ist ihm längst über den Kopf gewachsen. Die Rente ist knapp: Das Geld im Portmonnaie von Heinz R* reicht nicht einmal, um in der Apotheke den Eigenanteil für das Verbandsmaterial zu zahlen. Doch dann springt Bruno Straub-Meißner von der Caritas-Sozialstation St. Marien ein und spielt seine letzte Karte aus: die "Weihnachtshilfe".
Gut drei Dutzend Frauen und Männer kümmern sich für die Caritas-Sozialstation St. Marien um 250 Klienten in und um
Bad Kissingen. Fachkräfte, Alltagsbegleiter, Alten- und Krankenpfleger sind unterwegs und umsorgen Menschen, die nicht mehr so können, wie sie wollen. Wie Heinz R*. Der 81-Jährige hatte keine Pflegestufe als Bruno Straub-Meißner ihn kennenlernte. Er schämte sich und war zu stolz, um selbst nach Hilfe zu fragen, erzählt Straub-Meißner, stellvertretender Pflegedienstleiter. Als der Anruf vom Krankenhaus kam, war für ihn klar: wir müssen einspringen - und zwar schnell.
Kein Frühstück, keine Medizin
Nicht selten mussten die Pfleger wieder kehrt machen. Sie konnten dem Rentner das Insulin nicht verabreichen, weil er nichts gefrühstückt hatte. Der Grund: der Kühlschrank war leer. Kein Geld. Keine Kraft. Kein Antrieb. Auf zum Bäcker, um eine Grundlage für den Tag zu besorgen. "Wir gehen häufig in Vorleistung", sagt Bruno Straub-Meißner. Damit meint er nicht nur die paar Euro für eine Mahlzeit, die ein Krankenpfleger kurzzeitig auslegt, sondern auch Personalkosten. "Es braucht jemanden, der sich um solche Fälle kümmert. Wenn wir den Mann nicht verbinden würden - das hätte fatale Folgen."
Manchmal hängen Patienten in der Luft, warten auf eine Bescheinigung vom Amt, auf eine Unterschrift, die Bestätigung der Krankenkasse... "Grenzfälle wird es immer wieder geben", sagt der 59-Jährige. "Unser Sozialsystem ist nicht perfekt. Viele würden durch dieses System fallen, die man so über Wasser halten kann." Dank der Spendenaktion der
Saale-Zeitung kann er und sein Team unkompliziert Akuthilfe bieten.
Plötzlich kommt alles zusammen
Heinz R* ist mit der Miete im Rückstand, die Rechnungen für Strom und Heizung wurden schon länger nicht mehr bezahlt. Plötzlich bleibt das Wasser kalt. Dann die Waschmaschine: nichts geht mehr. Heinz R* stürzt. Wieder ins Krankenhaus. "Bis man ein Ding geregelt hat, passiert etwas Neues", sagt der Pflege-Chef. Es wird ein Jahr vergehen, bis sich die Situation für den 81-Jährigen entspannt. Heute hat er einen Betreuer, Pflegegrad zwei und einen Platz in einem Heim. "Wir haben nur das Nötigste machen können."
Einsatz über Dienst hinaus
Die Caritas-Mitarbeiter der Sozialstation kümmern sich um mehr als die Grundversorgung: Sie organisieren frische Kleider und Bettwäsche, helfen im Haushalt, fahren zum Amt. "Das erfordert viel Engagement." Eine Mitarbeiterin hat zu Weihnachten ein Stück ihres hausgemachten Bratens abgeschnitten, weil einer der Patienten über die Feiertage nichts mehr zu essen im Haus hatte, erzählt Bruno Straub-Meißner. Er erwarte diesen Einsatz nicht, wisse ihn aber zu schätzen.
Genauso wie seinen Trumpf: die "Weihnachtshilfe". "Wir versuchen erst alles andere, aber es ist gut zu wissen, dass wir diese allerletzte Möglichkeit haben. Ich wüsste nicht, ob es eine andere Lösung geben würde. Ohne die ,Weihnachtshilfe' wäre es schwierig." Besonders jetzt zur Weihnachtszeit, wenn Ämter schlecht besetzt sind und alles noch länger dauert als sonst, rechnet er mit Fällen wie dem von Heinz R*. Dann heißt es wieder: schnell handeln.