Rückbau muss noch warten
Autor: Redaktion
Schweinfurt, Dienstag, 10. Sept. 2019
Kann der neue Eigentümer der Steigerwaldbahn die Strecke ohne rechtskräftige Entwidmung zurückbauen? Das Eisenbahnrecht ist kompliziert und das Verfahren zieht sich hin.
"Wir wussten beim Kauf der Steigerwaldbahn, dass die Strecke nicht entwidmet ist und wir werden das Entwidmungsverfahren abwarten", versichert Timo Meißner von der Firma Gleisrückbau Meißner im baden-württembergischen Dörzbach.
Mehr möchte er aufgrund schlechter Erfahrungen bei der Berichterstattung in der Vergangenheit über das Thema Streckenrückbau nicht sagen, auch nicht zu der Frage, ob er eventuell einen vorzeitigen Rückbau beantragen würde, wenn ihm das Entwidmungsverfahren zu lange dauert.
Dass sich das Verfahren hinzieht, ist angesichts der komplizierten Lage durchaus denkbar. Meißner würde dann auf totem Kapital sitzen.
Klar ist: Änderungen von Eisenbahnanlagen müssen vorher planfestgestellt beziehungsweise plangenehmigt werden. Zu Änderungen zählt auch der Rückbau von Anlagen. So steht es in Paragraf 18 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. So lange eine Strecke nicht entwidmet ist, gilt sie rechtlich als Eisenbahnanlage. Das bedeutet, dass der Eigentümer für Rückbaumaßnahmen vor der Entwidmung eine Genehmigung bei der zuständigen Behörde (Eisenbahn-Bundesamt oder wie im Fall der Steigerwaldbahn die zuständige Landesbehörde, also die Regierung von Mittelfranken) zu beantragen hat.
Kompliziertes Eisenbahnrecht
Das erklärt die grüne Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann aus Hammelburg auf Anfrage. Die gelernte Juristin hat bis Ende März 2017 bei der DB Netz AG gearbeitet. Sie hat zwar nicht direkt mit Entwidmungsverfahren zu tun gehabt, aber in der Zeit ihrer Betriebszugehörigkeit viel über das komplizierte Eisenbahnrecht gelernt. Sollte der neue Eigentümer der Steigerwaldbahn die Trasse vor einer Entwidmung demontieren wollen, müsste die Regierung von Mittelfranken den entsprechenden Antrag der Firma öffentlich bekanntmachen. Dritte mit einem Verkehrsinteresse an der Anlage können dieses wie schon beim laufenden Entwidmungsverfahren bei der Behörde geltend machen. Der Prüfungsgegenstand bei der Rückbaugenehmigung hat damit einen gewissen Zusammenhang mit der Freistellung (Entwidmung), die ja die Gemeinden längs der Strecke mit Ausnahme der Stadt Gerolzhofen beantragt haben. Bei der Entwidmung wird geprüft, ob ein langfristiges Verkehrsinteresse besteht (§ 23 AEG), bei der Genehmigung des Rückbaus, ob die Anlage verkehrlich entbehrlich ist. Dadurch könnte ein Parallelverfahren entstehen.
Nach der aktuellen Haltung der Regierung von Mittelfranken ist ein Rückbau vor der Entwidmung allerdings vorerst nicht zu befürchten. Sie beabsichtige, mit ihrer Entscheidung zur Entwidmung bis zum Abschluss des Reaktivierungsverfahrens zu warten, sofern dieses kontinuierlich betrieben wird, hieß es aus Ansbach. Bleibt die Frage, ob diese Kontinuität einzuhalten ist angesichts des Kompetenzgerangels zwischen Landratsämtern und Bayerischer Eisenbahngesellschaft (BEG) darum, wer jetzt als erstes was tun muss. Natürlich gibt es auch Rückbaugenehmigungen, ohne dass deswegen gleich die ganze Strecke entwidmet wird.
Der Fall Sinntalbahn
Das ist in der Praxis regelmäßig der Fall, wenn zum Beispiel Ausweichgleise abgebaut werden. Auch wenn ein Entwidmungsverfahren stockt (wie im Fall der Steigerwaldbahn) oder noch gar nicht in Gang gesetzt wurde, kann der Streckeneigentümer unabhängig von diesem Verfahren den Streckenrückbau beantragen. Einen ähnlichen Fall gab es vor einigen Jahren in der Region - bei der Sinntalbahn, die vom hessischen Jossa ins bayerische Wildflecken führte. Auch da brannten die Bürgermeister der bayerischen Gemeinden längs der Strecke auf eine Entwidmung, weil sie einen gemeinsamen Radweg wollten (den dann die Firma Meißner für sie baute). Die Lage in der Rhön war allerdings etwas anders als bei der Steigerwaldbahn. Dort gab es so gut wie keine Befürworter der Strecke mehr, selbst die Bäderverwaltung in Bad Brückenau wollte die Bahn nicht. Der letzte Interessent an einer Reaktivierung, die Staudenbahn aus Augsburg, kapitulierte im Oktober 2016, indem sie ihre Klage gegen eine Entwidmung vor dem Verwaltungsgericht Würzburg zurückzog. Die Gesellschaft wollte nicht mehr länger gegen die Vorbehalte der Politiker ankämpfen. Danach war die Entwidmung nur noch eine Formsache.