Reichenbach: Die Rettung eines Rehbocks
Autor: Redaktion
Reichenbach bei Münnerstadt, Montag, 03. August 2020
Ein Wildtier im Wasserspeicher in Reichenbach? Da hatten selbst die Profis der Feuerwehr keine Patentlösung. Zwei Jäger halfen bei einsetzender Dämmerung tatkräftig aus.
Spaziergänger hatten ihn abends entdeckt: einen Rehbock, der in den Bewässerungsteich von Clemens Schmitts Erdbeerplantage in Reichenbach (Lkr. Bad Kissingen) geplumpst war. Und der auf den glatten Planen am Rand des künstlichen Gewässers immer wieder ausrutschte. Für die Spaziergänger war sofort klar: Aus eigener Kraft wird das Tier nicht aus dem 20 mal 30 Meter großen Speichersee herauskommen.
Sie riefen bei Hofbetreiber Clemens Schmitt an. Der alarmierte die Feuerwehr und bat Christoph Hein um Rat, der seit ein paar Monaten als Jäger einen Begehungsschein im örtlichen Jagdrevier hat. Und es begann die außergewöhnliche Rettungsaktion für das stämmige Tier.
Telefonischer Hilferuf
Hein war an jenem Abend noch spät mit dem Großwenkheimer Ludwig Friedel, ebenfalls einem Jäger, geschäftlich unterwegs, als ihn der telefonische Hilferuf erreichte. Die beiden Freunde überlegten nicht lange, zehn Minuten später standen sie am Erdbeerfeld. Die Feuerwehr war schon zur Stelle, hatte aber zunächst auch keine Lösung für die Rettung des Tieres - und es dämmerte bereits.
Die Feuerwehrmänner hatten Seile und eine Leiter dabei. "Ich hab erst mal versucht, ein Lasso über das Gehörn des Rehbocks da unten im Wasserspeicher zu werfen, aber das ging nicht", erzählt Jungjäger Hein. Er habe nur zwei Optionen gesehen: entweder das Tier zu erschießen oder zu versuchen, es zu fangen. "Der Rehbock war gestresst, wir wollten ihn da lebend herausbringen."
Ins Wasser hinunter gelassen
Ludwig Friedel fackelte nicht lange: Er zog sich bis zur Unterhose aus und ließ sich auf einer Leiter, die die Feuerwehrler ins Becken gestellt hatten, ins Wasser hinunter. Er versuchte, an den Rehbock heranzukommen, während Hein ihm von oben das Seil reichte. Schließlich gelang es Friedel, dem Tier die Schlinge über den Kopf zu werfen. Die beiden Jäger manövrierten es per Seil zum Beckenrand, dann packten die Feuerwehrler von oben zu: Mit vereinten Kräften wurde der Bock - soweit das ging, behutsam - nach oben gezogen. "Ich hatte Sorge, dass er am Hals Verletzungen haben würde", so Hein.
Aber weil das Seil sich auch ums Geweih gelegt hatte und die Schlinge nicht nur am Hals zerrte, sei der Rehbock mit dem Schrecken davongekommen. "Ein Glück", sagt auch Friedel. Auf sicherem Boden stülpten sie dem geretteten Tier erst mal einen Sack über den Kopf, um es zu beruhigen und stillzuhalten. Ein "sehr starker Rehbock von gut 25 Kilo Lebendgewicht" sei das gewesen, sagt Hein. Ein "bisschen platt" sei der gewichtige Kerl aber nach dem unfreiwilligen Bad schon gewesen. In einer nahen Hecke sei das Tier noch eine ganze Weile still herumgesessen, bevor es in der Dunkelheit verschwand.
"So etwas erlebt man im Jägerleben nur einmal", sagt Friedel. Man dürfe da nicht zögern und sollte einem Tier in solch misslicher Lage helfen, auch wenn man erst mal gar nicht wisse, wie. "Auch die Feuerwehr tat während des zweistündigen Rettungseinsatzes ihr Bestmögliches", lobt Hein. Ohne die Materialien der Wehrleute hätten die Jäger keine Chance gehabt, den Rehbock hochzuhieven."