Nationalparkdebatte: Buchendickicht in der Rhön
Autor: Benedikt Borst
Bad Kissingen, Donnerstag, 27. Oktober 2016
Der Freistaat will einen neuen Nationalpark ausweisen. Das Umweltministerium hat jetzt erste Gespräche mit Politikern aus der Rhön geführt.
Unterfranken ist die laubwaldreichste Region Bayerns. Allein in der Rhön machen Laubbäume mehr als 50 Prozent des Waldbestandes aus. Kein Wunder also, dass die Rhön und der Spessart von Anfang an als mögliche Regionen für einen weiteren bayerischen Nationalpark ins Spiel gebracht wurden. Im August hatte das Kabinett die Ausweisung eines dritten Nationalparks beschlossen, der insbesondere Buchenwälder schützen und sich auf Staatsforstgebiet erstrecken soll.
Ministerium prüft Eignung
Die Informationen zu dem Thema waren ansonsten allerdings recht spärlich. Am Mittwoch hat jetzt ein erstes Sondierungsgespräch stattgefunden zwischen Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU), Bad Kissingens Landrat Thomas Bold (CSU), seinem Amtskollegen aus dem Rhön-Grabfeld Thomas Habermann (CSU) sowie Vertretern des Gemeindetages.
Fazit: Eine Entscheidung wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Das Umweltministerium klopft zunächst bayernweit nach und nach potenzielle Gebiete auf ihre fachliche und rechtliche Eignung ab. "Die Ministerin hat Suchräume in verschiedenen Regionen Bayerns und führt jetzt Gespräche mit Vertretern aus diesen Regionen", berichtet Bold. Das Gespräch am Mittwoch sei sachlich und offen gewesen.
Scharf habe erneut betont, dass es das Vorhaben nicht gegen den Widerstand der Bürger und der Verantwortlichen geben werde. Auch Bold will einen offenen Dialog. "Wir haben deutlich gemacht, dass das Unesco-Biosphärenreservat einen sehr hohen Stellenwert für uns hat", sagt er. Es dürfe in seinem Bestand von einem Nationalpark nicht beeinträchtigt werden. Das gilt vor allem für die Hochrhön, die über viele Offenlandflächen verfügt und als Kulturlandschaft gepflegt wird. "Das macht die Rhön als Land der offenen Ferne aus", erklärt Bold. Die Nutzung als Kulturlandschaft leistet einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt.
Derzeit wird daran gearbeitet, das Rahmenkonzept für das Biosphärenreservat fortzuschreiben. Ein Nationalpark Rhön darf laut Bold nicht der weiteren Entwicklung und der finanziellen Ausstattung des Biosphärenreservats schaden.
Waldmeister-Wälder
"Es wurde nicht über konkrete Flächen gesprochen. Dafür wäre es noch zu früh", berichtet der Landrat weiter. Auch für eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung fehlen seiner Ansicht nach bislang die Grundlagen.
Weil die Rahmenbedingungen zu vage sind, beziehen die beiden Rhönlandkreise auch noch nicht eindeutig Position, sondern warten ab. Aus wirtschaftlicher Perspektive würde ein Schutzgebiet jedenfalls befürwortet. Bold: "In den bisherigen Nationalparks gab es über die Jahre entsprechend hohe Investitionen. Sie haben einen hohen touristischen Wert." Die Nutzungsbeschränkungen, die die Ausweisung eines solchen Schutzgebietes mit sich bringt, müssen aber abgewogen
werden.Der Bund Naturschutz (BN) befürwortet einen bayerischen Buchenwald-Nationalpark. Aus naturschutzfachlicher Sicht wäre die Rhön ein geeigneter Standort. Der Grund: In der Rhön existieren auf kleinstem Raum so viele unterschiedliche Buchenwaldtypen wie nirgendwo sonst in Bayern. "Wir haben hier eine extrem hohe geologische Vielfalt", erklärt Oswald Türbl vom BN-Kreisverband. Buntsandstein, Muschelkalk, Basalt und Löß, schroffe Berge, Steilhänge und zu Blockmeeren verstreute Felsbrocken bieten sprichwörtlich einen abwechlungsreichen Nährboden für verschiedenste Waldformen.
"Wir haben an vielen Orten sehr naturnahe Bestände", erklärt BN-Forstfachmann Ingo Queck aus Bad Brückenau. Das Besondere an den Rhöner Buchenwäldern ist vor allem die Begleitvegetation, die je nach Standort wächst. So gibt es etwa Wälder, in denen überwiegend Waldmeister und Bärlauch zu finden sind, oder aber Hainsimse, Zwiebel-Zahnwurz, Christophskraut und Eisenhut wachsen. Elf verschiedene Laubwaldgesellschaften werden laut BN in der Rhön unterschieden. "Aus Sicht der Schutzwürdigkeit haben wir viele Waldtypen, die in einen Nationalpark eingebracht werden können", ist sich der BN-Kreisvorsitzende Franz Zang sicher.
Betretungsrecht
im SchutzgebietDie Naturschützer teilen nicht die Befürchtungen der Landräte, dass ein eventueller Nationalpark das Biosphärenreservat beeinträchtigt. Beide Konzepte würden sich ergänzen und etwa im Berchtesgadener Land gut funktionieren. Die Kulturlandschaft der Hochrhön halten sie für einen Nationalpark für Buchenwälder ohnehin für wenig relevant. Es bestehe demnach keine Gefahr, dass das Land der offenen Ferne vor jeglichem menschlichen Eingriff geschützt wird und zuwuchert. Und: "Es gibt ein freies Betretungsrecht", sagt Türbl. Naturliebhaber könnten nach wie vor mit dem Hund spazieren gehen oder Pilze sammeln. Auch private oder kommunale Waldbesitzer hätten keine Nachteile in Sachen Holzeinschlag zu befürchten, weil ein Nationalpark nur den Staatsforst betreffen würde.