Mutmaßlicher Mord: Details einer blutigen Nacht
Autor: Redaktion.
Hanau, Freitag, 27. Juni 2014
Ergenisse der Spurensicherung, Telefondaten und Zeitangaben standen im Mordprozess gegen zwei 35 und 52 Jahre alte Männer aus Schlüchtern im Mittelpunkt der Verhandlung.
Vor der ersten Großen Strafkammer am Landgericht Hanau ging es beim jüngsten Verhandlungstermin im Mordprozess gegen zwei Männer aus Schlüchtern um die Rekonstruktion der Tatnacht sowie der Beziehung der Angeklagten untereinander und zu dem Opfer. Der Zeitlofser war im September beim Versuch, einen Fahrkartenautomaten zu sprengen, getötet worden.
Rettungswagen hätte in 17 Minuten vor Ort sein können
Eine Frage beschäftigt das Gericht: Hätte dem 47-Jährigen geholfen werden können, wenn seine Komplizen direkt einen Notruf abgesetzt hätten? Zur Aufklärung soll ein Kriminalhauptkommissar aus Tauberbischofsheim beitragen. Er schildert die Haltestelle in Gaubüttelbrunn als verlassen und schwer einsehbar. Nachts würden dort Güterzüge fahren, der nächste Personenzug hätte erst um 6.35 Uhr gehalten. Den Knall hatte ein Anwohner jedoch schon gegen 1.19 Uhr an jenem 17. September gehört.
Dann spielen Zahlen eine Rolle. "Laut Leitstelle hätte ein Rettungswagen nach 17 Minuten vor Ort sein können", erklärt der Polizist. Weiter gehe die Leitstelle davon aus, dass die Stabilisierung des Patienten 15 Minuten dauere, die Fahrt in die nächste Klinik in Ochsenfurt nochmals gut 23 Minuten. Bis nach Tauberbischofsheim wären 24 Minuten, bis in die Uniklinik Würzburg 28 Minuten nötig.
Die Schlüchterner waren jedoch fast zwei Stunden mit dem Mann bis ins 120 Kilometer entfernte Salmünster unterwegs. Als ein Mitarbeiter der Bahn in jener Nacht am Bahnübergang, nur wenige 100 Meter von der Haltestelle entfernt, eintraf, waren sie schon nicht mehr dort. Ein Spannungsabfall an einer Schranke, bedingt durch den von der Sprengung verursachten Schaden an einem Verteilerkasten, hatte den Mann gegen 1.45 Uhr auf den Plan gerufen. Als die Ursache nicht am Übergang zu finden war, sei er zum Bahnsteig gegangen und habe die Trümmer des Wartehäuschens und des Automaten entdeckt.
Jede Menge Blut
"Ich war noch erschrockener, als ich das Blut sah", berichtet der Mann. Ein halber bis ein dreiviertel Liter sei es gewesen, schätzt indes der Polizist. Auf der Rückbank des Mercedes des Zeitlofsers muss es laut der Leiterin der "Arbeitsgruppe Bahnhof" von der Kripo Gelnhausen noch mehr gewesen sein. Beim ersten Blick in das verschlossene Auto "erinnerte mich der wohl zwei Zentimeter hohe Blutkuchen an eine Plazenta". Beweisfotos zeigen auch im vorderen Bereich zahlreiche Blutspuren. Das decke sich mit der Aussage des jüngeren Angeklagten, der geholfen habe, das Opfer in den Benz zu hieven, und dessen DNA an einer Getränkedose darin nachgewiesen wurde.
Zudem wurde bei der Untersuchung ein Fußabdruck auf der Beifahrerseite sichtbar, der dem älteren Angeklagten zugeordnet wurde. Hinter dem Fahrersitz habe die Spurensicherung unter einem Sweatshirt der in rechtsextremen Kreisen beliebten Marke "Steinar" später einen zur Maske umfunktionierten Ärmel gefunden. "Der war schwer und triefte. Die Löcher im Stoff passen zu Öffnungen für Mund und Augen und einer Verletzung oberhalb des linken Auges", erinnert sich die Kripobeamtin, die von komplizierten und umfangreichen Ermittlungen spricht.
Zunächst sei das Umfeld des Toten, der anhand einer Tätowierung und der Fingerabdrücke identifiziert wurde, überprüft worden. "Auch in Richtung Drogenmilieu haben wir ermittelt", schildert die Polizistin. Der Zusammenhang mit Gaubüttelbrunn kam eher zufällig durch eine Meldung der Bundespolizei. Darin sei ihr der merkwürdige Ortsname aufgefallen, von dem der Bruder des Toten schon gesprochen hatte. Am 13. September habe der dem Opfer nämlich eine Routenplanung ausgedruckt. Auf dieser fanden sich auch Fingerabdrücke des 35-Jährigen.
Umfangreiche Ermittlungen
So sei auch die Sprengerszene in den Fokus gerückt. Auch wenn die Angeklagten dort nicht unter den Sachkundigen zu finden waren, die Zeugin bescheinigt dem älteren "konspiratives und professionelles Verhalten". Vor allem im Umgang mit den Handys. "Wir hatten am Ende knapp eine Million Datensätze", verdeutlicht sie, wie umfangreich sich die Ermittlungen für die Beamten gestalteten.
Auf die Details geht einer ihrer Kollegen ein und gibt Aufschluss über die Beziehungen in dem Trio, in dem der Getötete das Bindeglied war. Seine beiden Handys waren zur Tatzeit am Tatort eingeloggt. Eines davon benutzte laut Ermittler der jüngere Angeklagte und kommunizierte damit häufiger mit dem Zeitlofser. Auch nach dem Knall am Bahnsteig habe er den Auswertungen zufolge versucht Kontakt aufzunehmen. Der 52-Jährige hingegen ließ sein auf einen fremden Namen laufendes Mobiltelefon für mehrere Tage ausgeschaltet. Er soll auch die Akkus aus den Handys geholt haben, um die Ortung zu verhindern.
Nur Mitläufer?
Oberstaatsanwalt Jürgen Heinze geht inzwischen davon aus, dass die Angeklagten nicht nur Mitläufer waren, wie sie behaupten. Auch deshalb will er einen weiteren Mann vorladen lassen, dem Sprengstoff und Waffen gehören sollen, die bei dem 35-Jährigen gefunden wurden. Heinze bezweifelt, dass der Mann, der einräumte, in rechtsradikalen Kreisen verkehrt zu haben, das Material nur verwahrt habe. Er erhofft sich Aufschluss über die Schwere der Tatbeteiligung. Unklar bleibt unterdessen, welche Kontakte das Trio in die Rockerszene hat. Jedenfalls beobachten den Prozess Männer, deren T-Shirts stark auf eine Zugehörigkeit zu den Hells Angels, oder zumindest deren Umfeld, hindeuten.