Komödie: Jüdischer Schwiegersohn gesucht!
Autor: Thomas Ahnert
Maßbach, Montag, 09. Dezember 2013
In James Shermans Komödie "Der muss es sein" wird ein großes Dilemma auf eine köstliche Spitze getrieben - und endet überraschend.
Wenn doch Sarah Goldman am Telefon noch die eine Frage gestellt hätte: Sie hätte sich viel Ärger und Aufregung ersparen können. Sie hätte nur noch fragen müssen, ob Bob Jacobson Jude ist. Wenn er es wenigstens gewesen wäre! Dann wäre alles nicht ganz so dramatisch geworden. Aber so!
Dabei hatte Sarah sich alles ganz raffiniert ausgedacht, um aus ihrem Dilemma herauszukommen.
Verlobt ist sie mit Donald Tugg, mit dem sie ihre Zukunft plant - ein Journalist, aber trotzdem eine ehrliche Haut. Aber er hat den größten aller möglichen Makel: Er ist kein Jude. Bei ihren Eltern ist er allein deshalb schon durchgefallen. Und jetzt haben die und ihr Bruder sich angekündigt, um bei ihr Papas Geburtstag zu feiern. Donald muss also verschwinden. Denn Sarah hatte ihren Eltern erzählt, dass sie eine neue große Liebe gefunden habe.
Um sie zu beruhigen, muss also ein Ersatz her.
Ein Mann für alle Fälle
Über einen Escort Service, eine Begleiteragentur, bucht sie einen jungen Mann: eben jenen Bob Jacobson. Mit so einem Namen ist man in New York Jude. Woher sollte sie denn wissen, dass sein Vater ein eingewanderter Schwede und seine Mutter Italienerin ist. Als sie das erfährt, ist es bereits zu spät: Eltern und Bruder haben geklingelt. Und dann greift sie vollends daneben, um vor allem ihre Mutter zu beeindrucken und sich selbst ein bisschen zu erhöhen: Sie stellt Bob als den Chirurgen Dr. David Steinbeck vor. Der Ärmste ist mehr oder weniger arbeitsloser Schauspieler. An Krankheiten kennt er nur die, die sein Vater gehabt hat. Und von jüdischen Tisch- und Segensritualen weiß er nur das, was er als Kleindarsteller bei einer "Anatevka"-Tournee aufgeschnappt hat. Aber sein grenzenloses Selbstbewusstsein hilft ihm über jede Klippe. Die Eltern, vor allem die Mutter, sind von ihrem künftigen Schwiegersohn so beeindruckt, dass sie immer öfter kommen - bis die ganze Sache auffliegt. Und Sarah plötzlich zwei Verlobte hat: den gewählten und den gemieteten.
Was der Amerikaner James Sherman da in seiner Komödie "Beau Jest" zusammengebraut hat, die jetzt unter dem Titel "Der muss es sein" im Maßbacher Intimen Theater Premiere hatte, ist nicht nur eine hochgradig gelungene klassische Boulevardkomödie, die geschickt mit den Mitteln spielt: mit witzigen Dialogen, mit Running Gags, mit Irrungen und Wirrungen - obwohl jeder immer zur richtigen Türe rauskommt. Dank der geschickten Konstruktion kann Sherman auf spannungssteigernde Mätzchen völlig verzichten, weil auch beim Zuschauer sich immer mehr die nervöse Frage ins Bewusstsein drängt, wie Sarah aus dem ganzen Dilemma wieder herauskommen will - wenn sie es überhaupt schafft.
Und so hatte Komödienroutinier Rolf Heiermann, der das Stück für die Maßbacher inszeniert hat, keine Not, es mit einer sehr genauen, konzentrierten Personenregie auf ein mitreißendes Tempo zu bringen. Das war nicht überraschend. Eher, wie er mit in Deutschland verständlichen Bedenken gegenüber der komischen Darstellung jüdischen Lebens umging. Da bot er dem Publikum geschickt die Möglichkeit, sich an einer feinfühligen Selbstironie der Handelnden anzuhängen und die Stimmung von vornherein zu entspannen.
Sensible Spielfreude
Freilich hat er auch ein Team, das diese Sensibilität und diese Selbstironie gestalten kann: im Mittelpunktt Iris Faber als Sarah, die immer mehr zur Krisenmanagerin wird, bis sie die Notbremse zieht: Susanne Pfeiffer und Eike Domroes als ihre Eltern Miriam und Abe, die so in der jüdisch-amerikanischen Kultur verankert sind, dass sie sich für die Situation ihrer Tochter überhaupt nicht interessieren. Daniel Schwingel als trittbrettfahrender Psychologenbruder Joel, der erst handelnde Kontur gewinnt, als er auf die fatale Idee kommt, einmal im Krankenhaus nach dem vermeintlichen Dr. Steinbeck zu fragen. Benjamin Jorns als Verlobter Donald, der schwer gegen das Vergessenwerden ankämpfen müsste. Und Christoph Schulenberger, dessen rotzfreche Fassade immer mehr bröckelt und einen erstaunlich sensiblen Menschen zum Vorschein bringt. Und das Ganze in einer Umgebung der Leichtigkeit mit dem imposanten Bühnenbild von Peter Picciani und den den geschmackvollen Kostümen von Christina Halbfas.
Tja, wenn Sarah noch die eine Frage gestellt hätte, dann hätte sie sich viel Stress ersparen können - aber wir könnten auch nicht über eine so wunderbare Komödie lachen.