Keine leichte Geburt
Autor: Gerhild Ahnert
Bad Kissingen, Mittwoch, 06. November 2013
Goethes Jugendkomödie "Die Mitschuldigen" tat sich etwas schwer mit der Begründung seiner Wiederbelebung durch die Maßbacher.
Es ist nicht so ganz einfach, ein vielleicht mit Recht mehr oder weniger vergessenes Stück Theaterliteratur wieder auf der Bühne zum Leben zu erwecken. Der Maßbacher Regisseur Augustinus von Loë glaubte, das mit Goethes in dessen Jugendzeit geschriebener Komödie "Die Mitschuldigen" bewerkstelligen zu können, wie das in einer Reihe von Theater- und Fernsehinszenierungen im Laufe der letzten Jahre geschehen ist.
Aber irgendwie wollte der Funke nicht überspringen auf das Publikum des Theaterrings im Kurtheater.
Die etwas dünne Handlung um einen neugierigen, etwas begriffsstutzigen Wirt, seinen ständig verschuldeten und deshalb zum Dieb werdenden Hallodri und Schwiegersohn Söller, seine noch immer in ihre Jugendliebe Alcest verliebte Tochter und eben diesen strahlenden Erfolgsmenschen Alcest aus einer anderen, weniger in die Kleinkariertheiten des Alltags verstrickten Schicht versuchte von Loë mit zum Teil witzigen und vom Publikum goutierten Aktualisierungen aus der politischen Parteien-Gegenwart nach der Bundestagswahl aufzupeppen. Die beim Schauspielschreiberlehrling Goethe recht typisierende Gestaltung der vier Charaktere wollte er durch sehr genau, teilweise betulich ausgespielte Gags, zum Teil aus dem Repertoire drastisch überzeichnenden Kindertheaters aufmöbeln.
Auch das von ihm selbst besorgte Bühnenbild mit seinem expressionistischen schräg gestellten Mobiliar und der schwarz-weiß-roten Rautensymbolik mit Verweis auf politische Embleme unserer Tage, im Goethe'schen Versmaß eingestreute Meldungen unserer Tage wirkten zum Teil witzig, oft aber auch etwas befremdlich. Goethes gereimten, nur mit viel Mühe natürlich zu sprechenden Alexandrinern halfen die umständlich zelebrierten Gags und Regieeinfälle nicht so recht auf die Sprünge.
Von Loë versuchte angesichts der Textlastigkeit seine Akteure ständig in Bewegung zu halten, doch stellte sich dabei kein mitreißender Rhythmus ein, und so blieb die Inszenierung weit von der von einem Lustspiel zu fordernden Leichtigkeit entfernt. Da half auch die pikant ausinszenierte Bettszene nichts und die Fesselung des Gauners Söller an die Theke oder auch sein rotes Narrenkäppchen als plakativer Hinweis auf sein Dasein als gehörnter Ehemann wirkten nicht wirklich komisch.
Die vier Schauspieler hatten sich ihre Rollen mit viel Herzblut erarbeitet und schafften es gelegentlich, den Figuren einen Hauch von Persönlichkeit zu geben. Am wenigsten gelang das Daniel Schwinger als Gauner, Schmarotzer, schmieriger Ehemann Söller. Er kam nicht gut zurecht mit Goethes sperrigen Versen, sprach nicht präzise, war so nicht gut zu verstehen und wirkte kaum glaubhaft in seiner Rolle. Iris Faber kam da schon überzeugender rüber, stellte genau und textsicher das Schwanken der Gastwirtstochter zwischen Tugendhemmung und Liebeslust einer mit dem Falschen liierten Ehefrau dar. Ingo Pfeiffer hatte sichtlich Spaß an den sehr präzisen Regievorstellungen vom alten Gastwirt, doch auch bei ihm blieb so manches, was verschmitzt präsentierte Geste hätte sein sollen, aufgesetzt wirkende Fassade wie etwa das angestrengte Winseln, mit dem er seine Angstanfälle begleitete. Christoph Schulenberger war schon rein körperlich eine imposante Gestalt in dieser zwielichtigen Gesellschaft. Auch bei ihm minderten das entschleunigte Spiel und umständliche Einschübe von Seiten der Regie aber das Vergnügen.
Das Publikum spendete freundlichen und ausführlichen Beifall, doch blieb das Gefühl zurück, dass hier eine Petitesse durch Breittreten nicht wirklich zu einem großen Ereignis geworden war, es eines zündenden Funkens bedurft hätte, um dieser Fingerübung in Sachen Lustspiel des Studenten Goethe mehr Esprit und Vergnügungspotenzial zu vermitteln.