Ilse Aigner im Interview: "Zwei minus x" Stromtrassen
Autor: Paul Ziegler
Bad Kissingen, Montag, 23. Februar 2015
Südlink ist noch nicht gebaut, Energie ist weit mehr als nur Strom, und eine Frau als Ministerpräsidentin in Bayern würde sicherlich nicht schaden - Diese und andere Erkenntnisse gab es bei dem Redaktionsbesuch der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner bei der Saale Zeitung in Bad Kissingen.
Den Wortlaut des Interviews haben wir (nach unserer Berichterstattung am Samstag) noch einmal in den wesentlichen Teilen zusammengefasst:
Wir haben hier im Landkreis ein großes Thema, das war Südlink und die geplante Stromtrasse durch den Landkreis, das ist Südlink. Der bayerische Energie-Dialog ist, solange er gelaufen ist, sehr oft auf Südlink reduziert. War der Energie-Dialog darauf ausgelegt, ihn auf dieses Thema zu kaprizieren?
Ilse Aigner: Nein, von uns aus überhaupt nicht. Wenn Sie das Ergebnis des Energiedialoges betrachten, dann sehen Sie, dass das nur ein relativ kleiner Teil ist von einem sehr umfassenden Programm. Aber es ist natürlich immer zugespitzt worden auf diesen einen Punkt, weil es die Bürger vor Ort verständlicherweise interessiert. Aber Energie ist mehr als nur Strom. 54 Prozent der Energie benötigen wir beim Heizen und 21 Prozent beim Strom. Hieran kann man sehen, dass zum Beispiel auch in der Energieeinsparung ein beachtliches Potenzial steckt.
Wir sind noch lange nicht am Ende der Diskussion. Doch die Frage, die sich bei uns stellt, ist die Frage nach den Stromtrassen. Wieviele werden gebaut? Sie sagen 2 minus x, steht Ihre Aussage noch so?
Nach wie vor. Technisch können wir eine sichere Versorgung auch ohne neue Trassen gewährleisten. Das hängt aber im Wesentlichen davon ab, ob und wieviele Gaskraftwerke in Bayern gebaut werden. Da sich diese momentan nicht wirtschaftlich betreiben lassen, muss auf Bundesebene das Strommarkt-Design angepasst werden. Genau das wird der Ministerpräsident mit der Bundeskanzlerin und dem Wirtschaftsminister in Berlin aushandeln.
Seehofer will überhaupt keine Stromtrassen, weil er den Ärger mit den Bürgern nicht will, Sie sagen 2 minus x Stromtrassen, das kann dasselbe sein. Ist es dasselbe?
Wie gesagt: Wie groß das "x" ist, hängt vom Verhandlungsergebnis in Berlin ab. Es geht vor allem um das Strommarkt-Design, aber auch viele andere Bereiche, wie etwa die Rahmenbedingungen für Kraftwärmekopplung.
Es war die Rede davon, dass diese Rahmenbedingungen innerhalb der CSU bis Aschermittwoch definiert sind und man danach in die Entscheidungsphase geht. Ist sie gestartet?
Sie ist losgegangen, aber noch nicht beendet (lacht).
Wann rechnen Sie damit?
Das hängt wirklich davon ab, wie man sich in Berlin einigt, auch vom Koalitionspartner. Die Entscheidung muss aber zeitnah fallen, Planungssicherheit ist für alle Beteiligten sehr wichtig, insbesondere mit Hinblick auf den Wirtschaftsstandort.
Ist der Leitungsbau in Bayern ein machtpolitisches Problem?
Neue Stromtrassen wollen wir nur, wenn sie wirklich notwendig sind. Wir haben hier auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Aber es geht nicht nur um die großen Leistungen, sondern es geht insgesamt um den Leitungsausbau.
Aber es muss ja was passieren. Sie selbst haben gesagt, dass in Bayern bis 2023 fünf Gigawatt an gesicherter Leistung fehlen und bei der Stromversorgung 40 Terawattstunden. Das heißt, es muss von irgendwo noch etwas herkommen. Wie und woher soll das kommen?
Für die Leistung benötigen wir schnell regelbare Kraftwerke. Diese sind von Seiten der Bundesregierung so geplant. Dabei sind unter anderem zwei Kraftwerke eingeplant, die noch gar nicht stehen. Die entscheidende Frage wird jetzt sein, wie man ein Marktdesign auf den Weg bringen kann, so dass ein Investor neue Kraftwerke baut. Auf der heutigen Basis funktioniert das nicht. Für uns ist es deshalb sehr wichtig, eine Leistungsabsicherung zu realisieren, dass diese Leistung immer zur Verfügung steht, egal ob die Sonne scheint oder der Wind weht. Das ist im Übrigen für ganz Deutschland wichtig, da wir sonst im ganzen Land in ein Energiedefizit hineinlaufen. Dazu gehört auch die Netzstabilität, die man vor Ort haben muss.
Das ist der eine Punkt. Das Zweite ist die Menge, die Arbeit, die 40 Milliarden Kilowattstunden. Es bleibt die Frage, wo wir die herbekommen, ob wir die selbst produzieren können, ob wir die über Kraftwärmekopplung generieren, wie es mit der Energieeffizienz aussieht, wieviel brauchen wir wirklich an Transport.
Es ist immer wieder die Rede von einem Gaskraftwerk in Grafenrheinfeld. Wie sieht dabei der Sachstand aus?
Für alle Gaskraftwerke, für die, die im Plan des Bundes stehen, oder für jedes weitere Kraftwerk fehlt zur Zeit der Anreiz, weil die Gaskraftwerke momentan nicht laufen, weil sie durch Kohle und erneuerbare Energien aus dem Markt gedrängt werden. Es ist vollkommen egal, wo sie stehen, wir brauchen einen Markt, in dem neue Kapazitäten überhaupt aufgebaut werden können.
Wie kann das dann gehen?
Für jeden Kraftwerksneubau, egal ob in Grafenrheinfeld oder Leibheim, müssen wir einen Anreiz schaffen, dass ein Stromversorger Geld in die Hand nimmt und das Kraftwerk hinstellt. Und das hängt ganz wesentlich an dem, was jetzt ausgehandelt werden muss ... Reservekraftwerksverordnung, Strommarktdesign, da gibt es sehr viele unterschiedliche Interessen.
Bringt man die alle unter einen Hut?
Das ist ambitioniert, so etwa wie beim Länderfinanzausgleich, mindestens genauso kompliziert.
Sie setzen sich schon seit langem mit den Bürgerprotesten zu den geplanten Stromtrassen auseinander. Neulich in München nach dem Energiedialog, heute Abend in Bad Bocklet geht es weiter. Wie verarbeiten Sie das?
Das ist eine Aufgabe, der sich ein Politiker stellt. Wir stehen in der Gesamtverantwortung, dass das Land Bayern mit Strom versorgt werden muss. Und da muss die kostengünstigste und verträglichste Lösung gesucht werden. Da sind wir im Boot mit anderen Ländern und der Bundesregierung, die die wesentlichen Rahmenbedingungen gestaltet. Da heißt es dann kämpfen für bayerische Belange, in diesem Fall auch für Ihre Belange ...
Damit ist der Energiedialog auch nie beendet?
Ganz im Gegenteil. Manche meinen, da könnte man einen Schalter umlegen und das Problem wäre erledigt. Es ist mitnichten so, weil es sehr, sehr kompliziert ist. Es hat eben nicht nur mit Strom zu tun, sondern auch mit der Verbindung von Wärme und Strom. Deshalb ist zum Beispiel unser "10 000-Häuser-Programm", das wir initiieren wollen, jetzt so wichtig. Wie sieht es mit Speichermöglichkeiten nicht nur beim Strom aus, auch bei der Wärme? Wie kann man Effizienz im Haus steigern, wie können wir das mit Elektromobilität kombinieren - Bad Neustadt ist Modellstadt und -region für dieses Thema. Wie können wir solche Dinge miteinander verbinden? Das sind sehr komplizierte Sachverhalte, die uns in den nächsten Jahrzehnten begleiten.
Sandro Kirchner: Das 10 000-Häuser-Programm bringt eine deutliche steuerliche Entlastung.
Für die steuerliche Absetzbarkeit einer energetischen Häusersanierung stehen wir gerade in Verhandlungen auf Bundesebene. Wir fordern dafür die steuerliche Anerkennung. Da sind wir bislang im Bundesrat einige Male gescheitert, jetzt sind wir wieder mittendrin. Das Programm ist eine wichtige Motivation, im eigenen Haus etwas zu machen und die Energieeffizienz massiv zu steigern. Das 10 000-Häuser-Programm soll mit Zuschüssen Anreize schaffen, auch in Technologie zu investieren. Es geht nicht um die Gebäudehülle oder die Fenster, sondern um den Einsatz von intelligenten Kombinationslösungen. Wir setzen darauf, dass die Bürger ein solches Programm annehmen.
Wie schätzen Sie Unterfranken als Wirtschaftsstandort ein.
Unterfranken hat eine gute mittelständische Struktur. Sie haben sehr viel im Gesundheitsbereich hier im Landkreis. Im Tourismus ist eine prinzipiell günstige Entwicklung feststellbar, wobei natürlich noch Luft nach oben ist. Hier schieben wir immer wieder an: Wir haben zum Beispiel den Tourismus-Etat angehoben, um die Kommunen besser unterstützen zu können.
Anderes Thema: Halten Sie es für ein erstrebenswertes Ziel, erste bayerische Ministerpräsidentin zu werden.
Sagen wir es mal so: Eine Frau als Chefin würde dem Land ja vielleicht richtig gut tun! Aber im Ernst: Bis dahin vergeht noch so viel Zeit und es kann so viel passieren. Ich mache mir darüber keine ernsthaften Gedanken. Jedenfalls werde ich bei der Entscheidung als Vorsitzende der CSU-Oberbayern ein gewichtiges Wort mitreden.
Das Gespräch
führte Paul Ziegler