Haftstrafe nach Anschlag auf Strecke der Werntalbahn

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Am 6. Januar 2021 raste ein ICE auf der Strecke der Werntalbahn im Landkreis Main-Spessart in eines von fünf aufgespannten Plakaten.
Am 6. Januar 2021 raste ein ICE auf der Strecke der Werntalbahn im Landkreis Main-Spessart in eines von fünf aufgespannten Plakaten.
Ronny Sauer (Archivbild)

Die beiden Angeklagten, die in der Bad Kissinger "Querdenker"-Szene aktiv waren, hatten den gesamten Prozess über geschwiegen. Jetzt ist das Urteil gefallen.

Das Urteil im Prozess um die Plakate auf der Strecke der Werntalbahn (Landkreis Main-Spessart), in die ein ICE raste, ist gefallen: Der 38-jährige Hauptangeklagte muss wegen Eingriffs in den Bahnverkehr und Nötigung durch die Notbremsung des Zuges für ein Jahr und neun Monate in Haft. Die mitangeklagte 61-Jährige wurde zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Niemand wurde verletzt

Das Schöffengericht in Gemünden hatte keinen Zweifel, dass die beiden im Januar 2021 am Aufspannen der fünf Plakate beteiligt waren. Richter Sven Krischker sah aber keine Anhaltspunkte, dass es die Angeklagten auf einen ICE abgesehen hatten und Personen, etwa durch die Vollbremsung, schädigen wollten. Denn die Werntalbahn wird fast ausschließlich von Güterzügen befahren. Tatsächlich wurde bei der Kollision niemand verletzt, es entstand kein Sachschaden am ICE. Durch Zugausfälle und Verspätungen entstand der Deutschen Bahn aber ein Schaden von 37.000 Euro.

Die beiden Angeklagten, die in der Bad Kissinger "Querdenker"-Szene aktiv waren, hatten den gesamten Prozess über geschwiegen. Vor allem das abgehörte Telefongespräch des Hauptangeklagten mit einem Vertreter der "Anwälte für Aufklärung", der aber selbst kein Rechtsanwalt war, sah das Gericht als Beweis für eine Beteiligung der Angeklagten. Aus Sicht der Verteidigerin des 38-Jährigen, die vergeblich den Antrag gestellt hatte, das Telefonat nicht als Beweismittel zu verwerten, konnte das geäußerte "wir" auch bedeuten, dass ihr Mandant mit den tatsächlichen Tätern sympathisiere. Das sei nicht strafbar.

Am letzten Verhandlungstag wurde eine 74-jährige Zeugin gehört. Sie hatte am Tattag am Friedhof ein Auto aus Kissingen und Vorgänge auf den Gleisen beobachtet. Das Auto wurde als Wagen der Ehefrau des Angeklagten identifiziert. Dessen Verteidigerin sah dies nicht als Beweis, da die Zeugin keine Personen erkannt habe. Das Auto sei öfter verliehen worden.

Belastende Chatnachrichten

Die belastenden Chatnachrichten, die der Angeklagte kurz vor und nach dem Tatzeitpunkt an seine Mutter, einen Bekannten und seine Frau geschickt hat, würden lediglich andeuten, dass ihr Mandant an einer Aktion teilgenommen habe, die mediale Aufmerksamkeit erzeugen sollte, so die Verteidigerin. Der Staatsanwalt hatte die Chat-Inhalte zuvor noch einmal verlesen lassen. Der 38-Jährige hatte seiner Mutter geschrieben, dass sie am Abend Nachrichten schauen solle. Da werde über eine Aktion berichtet, an der er beteiligt sei. Und seiner Frau hatte er kurz nach 17 Uhr geschrieben: "Erfolg, bin in Sicherheit, liebe dich." Wenige Minuten später stieß der ICE mit einem der Plakate zusammen.

Für den Staatsanwalt war die Indizienlage eindeutig. Die Verteidigerin des Hauptangeklagten forderte Freispruch. Der Verteidiger der Mitangeklagten, die sich mittlerweile aus der Querdenkerszene gelöst habe, sagte, dass es keine Beweise gebe, dass seine Mandantin an der Tat beteiligt war.

Richter Krischker hingegen sah es als ausreichend an, dass der 38-Jährige die 61-Jährige in dem abgehörten Gespräch als Mittäterin benannte. Zulasten der beiden Angeklagten wurden ihre Vorstrafen gewertet. Der Hauptangeklagte hatte im Januar 2021 noch unter Bewährung gestanden. Deshalb sehe er keine Möglichkeit, die Strafe erneut auf Bewährung auszusetzen, sagte Krischker. Die Mitangeklagte muss als Auflage zudem 1500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.Björn Kohlhepp