Grundschulübertritt sorgt für mehr Stress
Autor: Benedikt Borst, Charlotte Wittnebel-Schmitz
Bad Kissingen, Sonntag, 01. Mai 2022
Auch in Bayern sollten die Eltern entscheiden, in welche Schule ihr Kind nach der vierten Klasse geht, das fordert der BLLV. Der Lehrerverband zweifelt die Aussagekraft von Noten an - gerade nach Corona.
Charlotte Wittnebel-Schmitz Für bayerische Viertklässlerinnen und Viertklässler ist der 2. Mai wichtig: Die Kinder bekommen ihr Übertrittszeugnis für die weiterführende Schule. Gewertet werden die Fächer Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht. Auf der Basis dieser wird ein Schnitt errechnet. Ist er besser als 2,33, gibt es eine Übertrittsempfehlung fürs Gymnasium. Für eine Realschulempfehlung brauchen die Kinder einen Schnitt besser als 2,66.
Jetzt ärgern sich unterfränkische Betroffene über die strikte bayerische Übertrittsregelung mehr als sonst: "Mein Sohn hatte doch seit der zweiten Klasse keinen geregelten Unterricht mehr!", sagt ein Vater aus der Region, dessen Kind die Gymnasialempfehlung eventuell verpasst. Der Grundschulstoff sei wegen der Pandemie nicht so gut vermittelt und geübt worden wie in Vor-Corona-Jahren. Auf die Frage, ob Kinder den Lernstoff nicht in den von den Schulen organisierten Brückenkursen aufholen konnten, sagt eine Würzburger Mutter: "In unserer Schule gab es keine Aufholkurse. Unsere Klassenlehrerin war monatelang krank. Den Stoff, den meine Tochter in der zweiten und dritten Klasse verpasst hat, versuchen wir mit einem Nachhilfelehrer aufzuholen."
Die Verantwortung für die Wahl der weiterführenden Schule gehöre in die Hände der Eltern, fordert Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Der Druck, ein gutes Übertrittszeugnis zu erzielen, beeinflusse das Lernverhalten und die seelische Gesundheit der Kinder negativ. "Corona hat diese Effekte weiter verstärkt." Bayerns Kultusministerium sieht keine Notwendigkeit, am Übertrittssystem etwas zu ändern. "Ein Schulversuch zur Änderung des Übertritts ist vonseiten des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (...) nicht angedacht", teilt Pressesprecher Michael Kern mit.
Probeunterricht vom 17. bis 19. Mai
Wer den Notendurchschnitt nicht erreicht hat, kann am Probeunterricht teilnehmen. Dieser findet im Landkreis Bad Kissingen nach Auskunft des Schulamts vom 17. bis 19. Mai statt. Die Anmeldung läuft am Sekretariat der jeweiligen Schule. "Die Zahl, wie viele Kinder die Möglichkeit des Probeunterrichts nutzen, liegt noch nicht vor", sagt Anja Vorndran, Pressesprecherin am Landratsamt Bad Kissingen. Im Landkreis hätten die Schulen viel getan, um Lerndefizite aufgrund von Unterrichtsausfällen und Homeschooling auszugleichen. Es seien Brückenangebote gemacht worden. Die Schulen konnten mit Geldern vom Kultusministerium Personal für zusätzliche Fördermaßnahmen einstellen.
"Unsere Lehrkräfte haben die Kinder nach bestem Wissen und Gewissen und mit viel Engagement zum Übertritt geführt", sagt Rektorin Barbara Buz von der Grundschule Bad Brückenau. "Ich gehe davon aus, dass die Noten aussagekräftig sind." Natürlich seien es Ausnahmejahre gewesen. Dennoch sei genügend Zeit für die Lehrkräfte gewesen, um sich von den Kindern ein Bild zu machen. Es gebe genügend Leistungserhebungen. "Ich denke nicht, dass die Kinder irgendwo falsch hingeschickt werden."
Dennoch: Die Teilnahme am Probeunterricht bedeutet noch keine Eintrittskarte für die gewünschte Schulart - den Probeunterricht an Gymnasien besteht in Bayern nur ungefähr die Hälfte, an Realschulen nur rund ein Drittel. Die Aufgaben werden zentral gestellt.
Gisela Rauch