Nach mehr als 60 Jahren: Meisterbetrieb in Rottershausen muss schließen - Kunden fehlen
Autor: Redaktion
Rottershausen, Dienstag, 09. November 2021
Elfriede Kiesel übernahm 1987 den Fachbetrieb der Eltern. Wegen ihrer kreativen Ader gilt sie unter den Kunden als Geheimtipp.
Nun kommt es doch früher als geplant: "Renninger Pelze & Leder" schließt die Pforten. Denn eigentlich hatte Elfriede Kiesel ihren kreativen Meisterbetrieb noch zwei Jahre weiterführen wollen. Doch die Coronakrise machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Zudem würde eine geplante Gemeinde-Baustelle in der Domstraße 2022 den Kunden den Zugang zu ihrem Geschäft erschweren, sagt sie. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht", so die 63-Jährige. In ihrer Stimme schwingt freilich Wehmut über die geplante Schließung mit.
Denn für Elfriede Kiesel war und ist die Tätigkeit der Kürschnermeisterin ein "toller Beruf": "Man kann seine Kreativität ausleben", sagt sie leidenschaftlich und erklärt, dass eine Kürschnerin Pelze nach Farbe, Glanz und Haarstruktur verarbeitet. Ihre Augen leuchten, wenn sie von den verschiedenen Materialien spricht, die sie bei der Arbeit zu mischen pflegt und davon, wie sie es genießt, die unterschiedlichen Pelze "an der Hand zu spüren".
"Renninger Pelze & Leder": Kreativer Meisterbetrieb in Rottershausen macht zu
Den Pelzfachbetrieb Renninger gibt es schon seit 62 Jahren. 1959 begann Kiesels Mutter Hildegard Renninger in ihrem Wohnhaus mit der Bearbeitung von Pelzkrägen. Das Geschäft florierte, so dass die Eltern in ihrem Eigenheim einen Verkaufsraum frei räumten und 1968 eine kleine Werkstatt anbauten. 25 Personen zählte die Belegschaft seinerzeit. Es wurde viel Lohnarbeit für große Kataloge wie Quelle, Bader und Baur gemacht.
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In den 1970er Jahren setzte geradezu ein Boom auf Pelzwaren ein. Der Besitz beispielsweise eines Persianermantels oder einer Nerzstola war damals für viele Menschen in Deutschland zum Wohlstands- und Statussymbol geworden, sagt Elfriede Kiesel. "Ich bin im Betrieb groß geworden, kam von der Schule heim und half eben mit. Das hat sehr viel Spaß gemacht."
Für die junge Frau war nach dem Realschulabschluss im Jahr 1974 klar, dass sie Kürschnerin werden wollte. Nach der Lehre in Würzburg und ersten Erfahrungen bei Pelz-Fachbetrieben in Neuisenburg und Wiesbaden machte sie 1983 schließlich ihre Meisterprüfung an der Fachschule in Frankfurt.
Geschäft der Eltern übernommen
1987 übernahm Elfriede Kiesel das Geschäft der Eltern und damit auch die Verantwortung für 20 Mitarbeiterinnen. Sie hatte inzwischen geheiratet und ihre erste Tochter war auf der Welt. Umso schöner war es, wie sie sagt, dass sie dann zu Hause arbeiten konnte. Doch der Run auf Pelzwaren ebbte in den 1980ern, ausgelöst durch verschiedene Anti-Pelz-Kampagnen, allmählich ab, was auch der Pelzfachbetrieb in Rottershausen zu spüren bekam. "Wir haben uns damals weiter Standbeine geschaffen", erzählt sie.
1985 nahmen ihre Eltern schon die Bearbeitung von Lammfellen in die Produktionspalette auf. Später kam Lederbekleidung hinzu und zehn Jahre lang zählten auch Textilien zum Sortiment. Dass Elfriede Kiesel für ihre Kunden, meistenteils übrigens treue Stammkunden, stets auf der Höhe der Zeit blieb, indem sie Fortbildungen besuchte und auf Messen nach topmodernen Neuheiten suchte, machte ihren Fachbetrieb umso attraktiver.