Ganz besonderer Männerhaushalt: 92-Jähriger aus Franken pflegt seinen Sohn rund um die Uhr
Autor: Redaktion
Bad Kissingen, Freitag, 17. Januar 2020
Ein echter Fall von Menschlichkeit: Andere sind in diesem Alter oft selbst pflegebedürftig. Andreas Engert indes betreut noch immer ganz alleine seinen behinderten Sohn Joachim. Ein Besuch bei Vater und Sohn.
Sie sind ein Männerhaushalt, ein ganz besonderer. Nicht nur weil mit Großvater, Sohn und Enkel drei Generationen unter einem Dach leben. Das Besondere an der Wohngemeinschaft im Dittelbrunner Ortsteil Hambach (Landkreis Schweinfurt), das sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder "Respekt" abverlangt, ist vielmehr die Tatsache, dass in dieser Männer-WG der 92-jährige Großvater seinen 60-jährigen behinderten Sohn betreut - und das schon seit fünf Jahrzehnten. Dafür erhielt Andreas Engert das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten.
"Was der Opa macht, ist schon ziemlich stark", sagt Enkel Michel Engert. Er kann es beurteilen: Der 20-Jährige ist ausgebildeter Pfleger und betreut beruflich selbst behinderte Menschen bei der Diakonie Schweinfurt. "Wenn ich nach acht Stunden Arbeit nach Hause komme, bin ich kaputt. Und Opa macht das 24 Stunden", sagt Michel Engert.
Damit nicht genug. Der 92-Jährige ist auch Vorsitzender des Versehrtensportvereins Dittelbrunnn, den er mitbegründet hat und den er seit 30 Jahren leitet. "Dieser Einsatz ist von zentraler Bedeutung für unser Land. Er erfüllt unsere Werte mit Leben und sorgt für Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft", heißt es in der Würdigung von Ministerpräsident Söder.
Gratulationen aus der Politik
"Ich war total überrascht", sagt Andreas Engert über den Brief des Ministerpräsidenten, der im vergangenen September in seinem Briefkasten lag. Und er habe gar nicht gewusst, welche herausragende Ehrung ihm da zuteil wurde. Bis die vielen Gratulationsschreiben eintrafen: vom Bayerischen Landtag, vom Kultusministerium, von Innenstaatssekretär Gerhard Eck, von Digitalministerin Dorothee Bär, von Landrat Florian Töpper und, und, und. Von der Gemeinde Dittelbrunn hat Engert bereits die Bürgermedaille erhalten. Bürgermeister Willi Warmuth war selbstverständlich bei der Verleihung des Ehrenzeichens im Landratsamt dabei. Und natürlich Stiefsohn Joachim. Andreas Engert nimmt ihn immer und überall hin mit, denn "er gehört dazu".
Joachim Engert war zehn Jahre alt, als ihn die zweite Ehefrau von Andreas Engert mit in die Ehe brachte. Aufgrund von Sauerstoffmangel bei der Geburt hat der heute 60-Jährige eine geistige Behinderung, sein Entwicklungsniveau ist das eines Kindes. Mit 28 Jahren kam eine Diabetes hinzu. Und seit einer Herzoperation vor zwölf Jahren braucht Joachim eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Tagsüber arbeitet er in der Werkstatt der Lebenshilfe, die Versorgung zu Hause übernimmt Andreas Engert alleine.
Belastung, die Freude macht
"Es ist schon eine Belastung", gibt der 92-Jährige zu, "aber eine, die auch Freude macht." Denn Joachim wird bei allen Tätigkeiten eingebunden. Montags ist Saunatag, freitags geht's zum Schwimmen und jeden Abend spazieren. Im Haushalt erledigt der 92-Jährige nahezu alles alleine. Sohn Joachim hilft beim Spülen und Aufräumen. Täglich wird das Essen frisch zubereitet, jeden Tag gibt es Salat. "Opa kocht sehr gut", lobt Enkel Michel vor allem die Schinkennudeln mit gebratenen Paprika. Sohn Joachim mag am liebsten "Kräpfli" mit Apfelbrei.