Dreiste Gäste in Hotels
Autor: Redaktion
Bad Kissingen, Freitag, 19. August 2016
Bademäntel, Handtücher, Geschirr: Manche Gäste packen einfach alles ein. Hoteliers in der Region klagen über Diebstähle.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Hotelgäste auf kuschlige Bademäntel stehen. So sehr, dass manche das gute Stück vor der Heimreise gleich mit in den Koffer packen. Dazu gerne mal ein Handtuch oder auch ein paar Kleiderbügel. In Gaststätten sind es meist Gläser oder Geschirr. Doch das, was für viele harmlos klingt, ist dreister Diebstahl.
Jedes Jahr entsteht in Hotels ein hoher Beute- und Vermögensschaden. Darunter sind aber auch die Fälle, in denen es Täter auf das Eigentum von Hotelgästen abgesehen haben. Allein in Unterfranken ist dabei im vergangenen Jahr ein Schaden von 272 364 Euro entstanden. 270 Mal schlugen die Diebe in Hotels, Pensionen, Gaststätten und Kantinen der Region erfolgreich zu, dazu kamen 66 versuchte Diebstähle, erklärte Pressesprecherin Kathrin Thamm vom Polizeipräsidium Unterfranken auf Anfrage. "Bei zwei Taten lag die Schadenshöhe über 25 000 Euro und sticht damit aus der Masse der Gesamttaten heraus." Insgesamt sind die Diebstähle in unterfränkischen Hotels und Gaststätten aber zurückgegangen. 2011 waren es laut Polizeistatistik noch 516 Fälle.
Zweierlei Maß
Wird ein Hotelgast bestohlen, ist die Aufregung groß, die Polizei schnell eingeschaltet. Doch es sind nicht wenige Menschen, die dabei mit zweierlei Maß messen. Die es im Gegenzug nicht schlimm finden, wenn man das eine oder andere aus dem Hotelzimmer "nur als Erinnerung mitnimmt". Zum Beispiel die Schreibmappe aus Leder oder sämtliche Badutensilien wie Shampoo-Fläschchen oder Frottee-Hausschuhe. Das ist doch kein Diebstahl, oder?
Plötzlich war das Klavier weg
Hotelexperte Tassilo Keilmann lacht. "Doch. Ist es. Aber es gibt viel dreistere Diebstähle in Hotels", sagt er. "Der heftigste aus unserer Umfrage dürfte das Klavier sein, das plötzlich aus der Lobby eines italienischen Hotels verschwunden war."Der Quantenphysiker Keilmann und seine Frau Andrea Labonte aus München betreiben seit zehn Jahren das Hotel-Bewertungsportal "Wellness Heaven", sind schon in Hunderten Hotels in Europa und Asien zu Gast gewesen und haben mit etlichen Hotelbetreibern gesprochen. "In diesen Gesprächen ging es häufig auch um klassische Diebstähle durch Gäste in Vier- und Fünf-Sterne-Hotels", erzählt Keilmann. Und dass dabei die Idee entstanden sei, über die skurrilsten und dreistesten Diebstähle zu schreiben.
Die Auswertung ihrer aktuellen Umfrage bei 937 Hoteliers hat ergeben, dass Handtücher auf der Diebstahl-Liste mit 79,1 Prozent Platz eins einnehmen, gefolgt von Bademänteln (65,3 Prozent), Kleiderbügeln (50,3 Prozent), Stiften (38,5 Prozent) und Kosmetik (32,1 Prozent). Auch Batterien und Kunstwerke verschwinden erstaunlich häufig. Nicht so häufig, weil eben auch besonders dreist, sind Diebstähle von TV-Geräten, Lampen, Telefonen und Matratzen.
Und besonders forsch, so sagt Keilmann, seien eben die Diebe im Fall des Klavieres gewesen. "Der italienische Hotelier hat uns erzählt, dass er durch die Lobby ging und das Gefühl hatte, dass irgendetwas fehle. Kurz darauf hat er erfahren, dass drei Männer in Overalls das große Piano abtransportiert hatten. Es tauchte auch nie wieder auf."
Handtücher und Kleiderbügel
Mit solchen skurrilen Fällen haben die meisten der von unserer Redaktion befragten Vier-Sterne-Hoteliers in der Region nichts zu tun. Im Landkreis Bad Kissingen sind in Hotels schon mal Handtücher und Kleiderbügel verschwunden, in einem Hotel in Aschaffenburg gleich zwei Bilder aus einem Zimmer. In Schweinfurt weiß man nur vom "üblichen Schwund" wie Shampoo, Badelatschen, Kulis und Schreibblöcken samt Ledereinband. In einem Hotel in Kitzingen war der merkwürdigste Diebstahl ein einzelner Vorhang. Aber auch Wolldecken sind schon verschwunden, Duftkerzen und Espressotassen. In der Umfrage von "Wellness Heaven" sind sogar Kaffeemaschinen mit immerhin 5,2 Prozent auf der Liste. Die meisten Hoteldiebstähle werden zähneknirschend von den Betreibern zur Kenntnis genommen, in den wenigsten Fällen wird Anzeige erstattet. Die Diebesware fällt eben meist in die Kategorie "geringfügiger Schaden". Doch Kleinvieh macht auch Mist und so entsteht in großen Häusern schnell ein beträchtlicher Schaden.
Im Würzburger Hotel Rebstock gibt es indes nur einen geringen Schwund. Stefanie Langer, die Rezeptions- und Reservierungsleiterin des 116-Betten-Hauses, erzählt vielmehr von Gästen, die an die Rezeption kommen und fragen, ob sie den Kuschelbademantel kaufen könnten oder wo man das duftende Shampoo erwerben könne.
Dass gerade kleine Shampoo- und Duschgel-Fläschchen von vielen Gästen arglos mitgenommen würden, sei normal. "Da denkt keiner an Diebstahl. Das ist für Hotels auch ein minimaler Kostenaufwand. Und wem das zu viel wird, der soll halt keine hinstellen", empfiehlt die Chefrezeptionistin. Denn in Hotels mit 200 oder 300 Betten könnten sich Kosten natürlich schnell summieren. In einem Hotel in Miltenberg weiß man von einem beliebten Gästetrick, was die Minibar angeht. "Es werden sehr oft Mineralwasserflaschen mit Leitungswasser aufgefüllt und zurückgestellt."
Fünf-Sterne-Gäste klauen mehr
Fernsehgeräte sind laut "Wellness Heaven"-Umfrage vor allem bei Gästen, die sich ein Zimmer im Fünf-Sterne-Hotel leisten könnten, sehr beliebt. Weil in diesen Häusern hochwertige Geräte zur Verfügung stünden, würden sie entsprechend häufig geklaut. In Fünf-Sterne-Hotels neunmal häufiger als in Vier-Sterne-Häusern. "Matratzen verschwinden im Luxushotel achtmal häufiger als im Vier-Sterne-Segment", weiß Tassilo Keilmann.Warum Gäste indes im Urlaub zu Langfingern werden und Dinge mitnehmen, die sie sich finanziell locker leisten könnten, ist eine Frage, die Keilmann nicht beantworten kann. "Dazu müssten wir mit den Langfingern sprechen. Und das ist schwierig." Melanie Jäger