Aus der Hölle in ein neues Leben: bewegende Geschichten im Schweinfurter Frauenhaus
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Freitag, 09. Februar 2018
Geschlagen und misshandelt: Im Schweinfurter Frauenhaus bekommen sie Hilfe. Von hier starten Frauen in ein neues Leben. So wie Raha Jousufi*.
Nach der ersten Nacht mit ihrem Ehemann war alles voller Blut. Raha* wird wochenlang Infusionen bekommen, ehe sie sich erholt hat. Von dem was in dem Bett passiert ist, hat sie nicht viel mitbekommen, erzählt sie. Ein Arzt habe ihr damals Tabletten gegeben. Eine von den Pillen sollte sie vorher nehmen, damit sie weniger spürt. Raha* schluckte gleich mehrere. Sie hatte keine Ahnung, was der Mann, mit dem sie seit einem Jahr verheiratet war, mit ihr vor hatte. Raha* war elf Jahre alt.
Ihr richtiger Name soll geheim bleiben. Ihre Geschichte nicht. Vielleicht kann sie so anderen Frauen helfen, Mut machen, sagt Raha Jousufi*. Frauen, die wie sie im Schweinfurter Frauenhaus Hilfe suchen - und finden.
Raha Jousufi* sitzt an dem runden Holztisch im "Beratungszimmer 1". Beinahe unsichtbar fixieren dünne Nadeln das akurat gefaltete Kopftuch. Schwarzer Pulli, langer grauer Rock, Turnschuhe spitzen darunter hervor. Ihre Hände fassen eine Tasse Kaffee. Neben ihr: Gertrud Schätzlein, Leiterin des Frauenhauses. Seit 17 Monaten lebt Raha Jousufi getrennt von ihrem Mann. Vor ein paar Wochen ist die 31-Jährige vom Frauenhaus in ihre erste eigene Wohnung gezogen - samt der drei Kinder. Sehen darf die ihr Noch-Ehemann nicht mehr.
Versuchter Selbstmord
Raha Jousufi spürte bald, dass der Mann, mit dem sie verheiratet worden war, kein guter Mensch ist, erzählt sie. Die Eltern hatten die Hochzeit mit dem 21 Jahre älteren Schafhirten arrangiert. Raha Jousufi ist in Afghanistan geboren worden. Später flüchtete sie mit ihrer Familie in den Iran. Dass ihr Mann nicht gut zu ihr ist, wollte ihre Familie schon früher nicht hören, sagt sie, fasst sich ums Handgelenk und erzählt, wie ihr Bruder ihr mit 13 Jahren aus Zorn darüber den Arm brach. Beim Erzählen schießen ihr die Tränen in die Augen. Sie versucht sich umzubringen - immer wieder. Tabletten, Gift - die 31-Jährige zuckt mit den Schultern und lächelt fast als sie sagt: "Ich lebe immer noch."
Der Mann von Raha Jousufi säuft. Er misshandelt seine Ehefrau, schlägt und tritt die Kinder. Ohne Grund. Immer wieder. Er ist eifersüchtig, kontrolliert sie, beschimpft sie. Ende 2015 kommt die Familie nach Deutschland. "Ich hatte immer die Hoffnung, es wird besser", sagt Raha Jousufi. Bis zu dem Tag, an dem er sie wieder mal bewusstlos prügelt. Danach wurde nicht ihre Ehe besser, sondern ihr ganzes Leben. Sie kam ins Frauenhaus.
Ein Viertel geht wieder zurück zu den gewalttätigen Männern
Es war gerade etwas frei. Sie hatte Glück: Meistens sind die zwölf Plätze belegt. Gerade weil die Frauen inzwischen länger unter der Obhut der Pädagogen leben als noch vor ein paar Jahren. Im Schnitt bleiben sie gut drei Monate. Und danach?
Einige ziehen zu Freunden oder Verwandten, andere - wie Raha Jousufi - in eine eigene Wohnung. Ein Viertel kehrt zurück zu ihrem gewalttätigen Mann. Oftmacht die eigene Familie Druck, erzählt Gertrud Schätzlein. "Besonders bei geflüchteten Frauen aus sehr konservativen Kulturkreisen." Raha Jousufis Familie hat lange gedrängt, sie sollte zu ihm zurück.
Laut des Sachberichts, den das Frauenhaus für das Jahr 2016 herausgegeben hat, haben in diesem Jahr 52 Frauen und 54 Kinder Schutz gesucht. Ein Drittel stammen aus Deutschland, die anderen von überall aus der Welt. Ein Viertel melden sich selbst. Die anderen kommen über Freunde und Verwandte, soziale Einrichtungen, Ämter, Ärzte oder die Polizei in Kontakt mit den Mitarbeiterinnen. Die können die Frauen auch weitervermitteln - an andere Beratungsstellen, Anwälte, Therapeuten oder Ämter.