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Der Edelbrand des Unterfranken


Autor: Redaktion

Maßbach, Montag, 17. Oktober 2016

Lazarus Eberhardt aus Maßbach verkaufte zunächst Wein in Kitzingen und gründete 1879 in München eine Schnapsbrennerei. Sein Sohn machte den Enzian berühmt.
Die von Illustrator Paul Neu und Heimatdichter Georg Queri gestalteten Werbemarken der Enzianbrennerei L. Eberhardt sind unter Sammlern noch heute begehrt.  Quelle: Joseph Maran


Der "Blaukranz-Enzian" der Münchner Firma Eberhardt war Anfang des 20. Jahrhunderts wohl jedem Liebhaber branntweinhaltiger Getränke in Bayern ein Begriff. Lazarus Eberhardt aus Maßbach hatte 1879 in der bayerischen Hauptstadt mit dem Brennen dieses Alpenschnapses begonnen. Als sein Sohn Sigmund 1902 die Firma übernahm, wurde der Brand aus der Wurzel des gelben Enzians schließlich zur "deutschen Marke".
Dass der Gründer der seinerzeit deutschlandweit wohl

bekanntesten Enziandestillerie Jude war und seine florierende Firma später unter dem Hitler-Regime "arisiert" wurde, ist in München kaum bekannt. Auch den Maßbachern ist wohl nicht bewusst, dass der Produzent des einst so bekannten "L. Eberhardt"-Enzians aus den eigenen Reihen stammte.
"Auch meine Mutter hat nichts erzählt. Man merkte, dass es da etwas gab, was sie nicht sagen wollte", sagt Joseph Maran, Ururenkel von Lazarus Eberhardt und Professor für Ur- und Frühgeschichte in Heidelberg. Erst später habe er mitbekommen, dass er mit dem bekannten bayerischen Enzianbrenner Eberhardt verwandt ist, erzählt der 59-Jährige.
"Vielleicht hat meine Mutter uns Kinder auch schützen wollen?" Erst um die Jahrtausendwende hatte er erfahren, dass seine Familie unterfränkische Wurzeln hat. Und als er dabei war, das Geheimnis seiner Herkunft zu lüften und im Jahr 2003 begann, sich mit der Genealogie der Eberhardts näher zu befassen, war seine Mutter bereits krank und starb wenig später.
Der Name Eberhardt ist in den Maßbacher Annalen im 18. Jahrhundert erstmals belegt, fand Klaus Bub, der Leiter des Museums in Poppenlauer, heraus. Alexander Eberhardt (1807 bis 1871) ist sozusagen der Stammvater dieser Linie. Er und seine Frau Mirjam Rosenstein hatten neun Kinder.
Lazarus wurde 1849 in Maßbach geboren. Über seine Kindheit weiß man nicht viel. Verbürgt ist in den Schulakten, dass er als Achtjähriger 15 Kreuzer an die Schulkasse entrichten musste, weil er mit 25 Schulkameraden bei einer jüdischen Hochzeit im Gasthaus Schöllhammer tanzte.
Mit 18 Jahren taucht er in den Unterlagen der Lehrerbildungsanstalt in Würzburg auf, wo er 1867/68 Kurse belegte. Doch er wurde nicht Lehrer, sondern ging nach Kitzingen und betrieb mit seinem Schwager eine Weinhandlung, fand Ururenkel Maran heraus. 1877 heiratete er Cäcilie Klopfer aus Hürbenkrumbach bei Günzburg. 1878 wurde Sohn Sigmund geboren. Bald darauf verließ er Kitzingen und gründete in München seine Branntweindestillerie. Dort kamen Leopold und Else Amalie zur Welt.


Durch Recherche entdeckt

Lazarus Eberhardt wurde 63 Jahre alt. Nach seinem Tod 1902 stieg Sohn Sigmund ins Geschäft ein und machte den Hausbrand bald zur deutschen Edelmarke. Wie Maran recherchierte, verstand sich der Bruder seiner Urgroßmutter Else Amalie gut aufs Marketing. Der Münchner Illustrator Paul Neu bekam den Auftrag, bunte Werbemarken zu gestalten, zu denen Heimatdichter Georg Queri Verse reimte.
Nach Marans Angaben wurde die Firma in den 1930er Jahren mehrfach ausgezeichnet. Es heißt in den alten Unterlagen, dass "Seine Königliche Hoheit, der Prince of Wales" dem Eberhardt'schen Schnapsbrand zugetan gewesen sei. Der Firmenchef genoss in seinen Kreisen hohe Wertschätzung, man wählte ihn zum Zweiten Präsidenten des Vereins bayerischer Branntwein- und Likörfabrikanten.
Unvorstellbar, dass sich dies alles über Nacht ändern sollte. Schon bald nach der Machtergreifung Hitlers 1933 bekamen Sigmund Eberhardt und seine Frau Gretchen Schikane und Hetze der Nazis gegen die Firma zu spüren. Die Produktion ging schlagartig zurück. Bereits 1935 schien dem Firmenchef, nach Marans Recherchen, klar gewesen zu sein, dass er seine Firma einem "arischen" Interessenten werde übergeben müssen. 1938 wurden Betriebsräume und Privatwohnung von der NSDAP gekündigt. Im November 1938 wurde Sigmund Eberhardt im KZ Dachau interniert.


In die USA emigriert

Doch plötzlich kam er frei. Kurze Zeit später emigrierte er mit seiner Frau in die USA. Nach dem Krieg kam er wieder nach München. Es gelang ihm in zähem Ringen, seine Firma wieder zurückzubekommen. Das langwierige Verfahren endete mit einem Vergleich. Zwei Jahre lang produzierte er seinen Enzianschnaps weiter. Mit 74 Jahren verkaufte er die Firma und siedelte wieder in die USA über. L. Eberhardt-Spirituosen wurden noch bis 1969 verkauft.


Bäckerei verkauft

Etliche Mitglieder der Eberhardts wurden von den Nazis ermordet. Andere hatten Glück, weil sie in die USA auswandern konnten. So gelang es dem früheren Maßbacher Bäckermeister Samuel Eberhardt, der Kultusvorstand der dortigen jüdischen Gemeinde war, mit seiner Frau Amalie das Land 1937 zu verlassen. 1928 hatte Samuel die Bäckerei im Fränkischen verkauft und war zu seiner verheirateten Tochter Nelly Bacharach nach Fulda gezogen.
Die ganze Bäckersfamilie Eberhardt ist auf einem Friedhof in New York begraben, fand Klaus Bub heraus. Der geschichtsinteressierte Poppenläurer begann 2008 damit, sich auf Spurensuche nach den jüdischen Mitbürgern zu begeben. Auch in Maßbach waren viele Juden einst angesehene Leute. Aber es dauerte lange, bis man ihre Namen wieder nannte. Isolde Krapf