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Das Spielzeug eines Weltkriegs


Autor: Redaktion.

Lohr am Main, Donnerstag, 21. August 2014

Eine Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum widmet sich dem "Krieg im Kinderzimmer". Zu sehen sind bis 1. Februar 2015 nicht nur Brettspiele und Spielzeugwaffen, sondern auch Kinderbücher und Puzzles.
"Krieg im Kinderzimmer" heißt eine Ausstellung, die aktuell im Lohrer Schulmuseum zu sehen ist. Unser Foto zeigt das Schießspiel: "Üb' Aug' u. Hand fürs Vaterland!"  Fotos: Lohrer Schulmuseum


Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte der Spielzeugindustrie einen lukrativen Absatzmarkt der besonderen Art. Geschäfte und Kaufhäuser boten in ihren Katalogen ein reichhaltiges Sortiment an Kriegsspielzeug aller Art an. Es umfasste den gesamten militärischen Bereich von den Uniförmchen, Säbeln, Degen und Kinderhelmen der verschiedenen Waffengattungen bis hin zum "Kasernenschrank mit kompletter Ausrüstung" für 10,50 Mark.

Beliebt, aber auch

sehr teuer, war "modernes" technisches Kriegsspielzeug. Ein "Kriegsschiff mit solidem Uhrwerk, gepanzertem Geschützraum mit zwei Kanonen, zwei Drehkränen, zwei Panzertürmen mit Signalmasten, Länge 65 Zentimeter" kostete "in ganz feiner Ausführung" 25 Mark. Zur "Abwehr" derartiger Kriegsschiffe bot der gleiche Katalog eines Würzburger Kaufhauses ein "Küsten- und Festungsgeschütz" an, mit "durch Schne ckengewinde drehbarer Lafette, fester Lage des Rohres und gediegener Konstruktion in Eisen und Messing, 25 Zentimeter hoch, Preis: 14,50 Mark".

Zeppelin und U-Boot

Neben diesen Waffen fanden auch die neuesten kriegstechnischen Errungenschaften ihren Weg in solche Kataloge. Die erste Form der Luftwaffe, der Kriegszeppelin, und die neue Wunderwaffe zur See, das U-Boot, gehörten zu den begehrtesten Spielzeugen der Zeit. Auch dazu gab es entsprechende Abwehrwaffen.

So teures Spielzeug war der wohlhabenden Bürgerschicht vorbehalten. Ein Tagelöhner verdiente pro Tag etwa drei Mark und brachte so seine Familie mehr schlecht als recht über die Runden. Bei einem so spärlichen Verdienst war es ein Ding der Unmöglichkeit, für den Sohn einen Helm für vier Mark oder ein Schiff für 25 Mark zu kaufen. Eine derartige Aufrüstung im Kinderzimmer war also vor allem auf die reichen Haushalte beschränkt. Trotzdem wollte das weniger betuchte Elternhaus den Kindern militärisches Spielzeug nicht vorenthalten, also bastelten Familienväter Papierhelme, Holzschwerter und einfache Gewehre aus Holz.

Entsprechend der Kriegsbegeisterung boten die Geschäfte auch eine Vielzahl von Brett- und Würfelspielen an, zum Beispiel das Würfelspiel "Der Weltkrieg 1914 - Neuestes, sehr unterhaltendes und belehrendes Kriegsspiel", "Feuernde Mörserbatterie - ein zeitgemäßes Gesellschaftsspiel für Groß und Klein".

Die Kriegspropaganda vergaß auch die Jüngsten nicht. Für die Vorschulkinder gab es passende Spiele, etwa ein Klotz-Puzzle-Spiel um 1915 "Der Völkerkrieg 1914/15". Themenvorlagen waren unter anderem "Der Sturm auf Lüttich", "Der kleine Kreuzer ,Augsburg' bombardiert Libau", "Unterseeboot U9 bringt drei englische Kreuzer zum Sinken".

Gereimte Vaterlandsliebe

Reichhaltig war auch das Angebot an entsprechender Kinder- und Jugendliteratur. Beliebt waren als Weihnachtsgeschenke Bücher mit Themen deutscher Heldentaten, etwa: "Ich hatt' einen Kameraden - eine fesselnde Erzählung aus dem großen Krieg 1914/15, ein Buch von Vaterlandsliebe, Treue und begeistertem Heldentum" oder "Die Geschichte vom General Hindenburg - lustig dargestellt und gereimt von Arpard Schmidhammer" 1915, vor allem für die Jüngeren verfasst.

Es endet mit einem Versvierzeiler: "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt! Es lebe General Hindenburg, der große deutsche Held. Er rettet unser Vaterland aus Not und aus Gefahr, und siegreich über einer Welt von Feinden schwebt der Aar."

Es waren vor allem derartige Kriegsbilderbücher für das erste Lesealter, die zu den obligatorischen Weihnachtsgeschenken gehörten. In ihnen wurden die Kriegsereignisse in Text und Bild verniedlicht dargestellt und sollten auf diese Weise den Krieg verharmlosend eher als lustiges Spiel erleben lassen, bei dem es keine Toten gab, wohl aber ängstliche Gegner, die schon beim Anblick einer deutschen Uniform Reißaus nahmen und dabei auch noch ins Wasser fielen.

Im Kriegsjahr 1916 aber, als sich die Todesanzeigen in den Tageszeitungen häuften, Siegesmeldung ausblieben und in der Heimat gehungert wurde, verschwanden die bunten Kriegsbilderbücher aus den Regalen der Buchläden. Die Zeit des "Hurrapatriotismus" war vorbei, die Menschen sehnten sich nach einem Leben ohne Krieg. Gewehr, Helm und Säbel wurden in der Folgezeit mehr und mehr aus den Kinderstuben verbannt.

Auch in den Schulen wurde abgerüstet. Das wird in dem Aufsatzthema an der Rodenbacher Schule 1916 "Warum wir uns auf den Frieden freuen" besonders deutlich. Der Schüler Gustav Emrich schrieb: "Wir freuen uns auf den Frieden, weil schon 20 Monate Krieg ist. Es sind viele unserer tapferen Soldaten gefallen. Im ganzen Bayernlande ist Jammer und Elend. Hoffentlich werden bald die Glocken zum Frieden läuten. Ich bin froh, wenn es Frieden wird. Jetzt muß man ganz viel sparen, weil nichts mehr ins Land kommt. Es steht eine Übermacht von Feinden gegen uns. Unsere Leute sind nicht so stark wie die Feinde. (Randnotiz des Lehrers mit roter Tinte: "Oha! Lüge nicht!") Wenn es Frieden ist, da wird ein Fest gehalten." Aber es dauerte noch zwei lange Jahre, bis dieser unheilvolle Krieg zu Ende war, der später als der Erste Weltkrieg mit 15 Millionen Toten in die Geschichte einging.

Einblicke in die Erziehung

Die Sonderausstellung "Krieg im Kinderzimmer" im Eingangsbereich des Museums ermöglicht mit der Jahressonderausstellung "Meine Feder werd' zur Lanze!" - Erziehung zum Krieg 1914 bis 1918 - im Gewölbekeller dem Besucher Einblicke in das Erziehungsgeschehen in Elternhaus und Schule während des Ersten Weltkriegs.