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Chef im Nebenberuf


Autor: Redaktion

Euerdorf, Mittwoch, 06. April 2022

Handwerker sind gefragt wie nie. Drei Beschäftigte aus Mainfranken berichten, was sie dazu gebracht hat, nebenbei einen eigenen Betrieb zu gründen.
Florian Pfenning (von links), Jonas Stöhr und Johannes Brand haben viel vor.


Es klingt wie ein Widerspruch: Die Zahl der Betriebe im unterfränkischen Handwerk ist laut Jahresbericht der Handwerkskammer (HWK) für Unterfranken binnen Jahresfrist gestiegen - die Zahl der Beschäftigten aber gesunken. Der Grund für die Diskrepanz: Viele der neuen Betriebe sind im Nebenerwerb entstanden, also oft Ein-Mensch-Firmen.

Drei Handwerker aus der Region berichten, was sie zum Chef im Nebenberuf gebracht hat.

1. Schreiner Florian Pfenning: Möbelbau vom Nebenerwerb zum Vollerwerb

Florian Pfenning ist bereits ein paar Schritte weitergegangen. Der 40-jährige Schreinermeister aus Schollbrunn (Lkr. Main-Spessart) hat seinen Betrieb 2014 im Nebenerwerb gegründet. Seit 2018 ist er mit seiner eigenen Schreinerei komplett selbstständig und baut individuell gefertigte Massivholzmöbel.

"Es war klar, dass ich mich nach der Meisterschule selbstständig machen werde", sagt Pfenning. "Aber ich wollte nicht gleich in die Vollen gehen. Man weiß ja nie, was kommt." Doch es wurden immer mehr Kunden, auch dank viel Mund-zu-Mund-Propaganda. Während der Elternzeit habe er sich dann darauf vorbereitet, sich komplett selbstständig zu machen, sagt der Schreiner lachend: "Mir blieb nichts anderes übrig." Für seinen Vollerwerb ließ Pfenning sich von der HWK für Unterfranken und einer Gründeragentur beraten. Er änderte seinen Firmennamen und gab den Status als Kleingewerbetreibender auf. Zudem baute er seine Doppelgarage um, um genug Platz für Maschinen, Werkzeuge und Material zu haben. Über seine Entscheidung sagt Pfenning: "Es ist eine Erfüllung." Die Flexibilität, Kreativität und Freiheit, die er als sein eigener Chef habe, gefallen ihm. Wenn er mit einem Vertreter länger sprechen oder eine Kaffeepause machen wolle, könne er das einfach tun. "Aber man muss auch mehr als 40 Stunden die Woche in Kauf nehmen", fügt er an. Bei ihm seien es eher 60 bis 70 Stunden.

2. Brauer Jonas Stöhr aus Kirchlauter: Bier auf eigene Art

Jonas Stöhr hat seinen Nebenerwerb bereits 2018 gegründet. Der 33-jährige Brauer- und Mälzermeister braut in seinem Haus in Kirchlauter (Lkr. Haßberge) eigene Craftbiere. Mit 75 Litern habe er angefangen und sich dann, weil er auch Schlosser gelernt hatte, einen Edelstahltank mit 300 Liter Fassungsvermögen gebaut. "So viel braue ich jetzt etwa monatlich daheim, individuell, wie es mir gefällt", sagt Stöhr. Die Biere von "Stöhrs BierArt" kommen an. Um die Nachfrage zu bedienen, erweiterte Stöhr seinen Betrieb im vergangenen Jahr. Mit Erlaubnis seines Chefs kann er regelmäßig einen der 3000-Liter-Tanks der Brauerei im nahen Trossenfurt nutzen, in der Stöhr hauptberuflich 30 Stunden die Woche arbeitet. Seit ein paar Monaten bietet er außerdem Brau-Seminare an, mit Weißwurstfrühstück, Biertasting und Wissensvermittlung rund ums Brauen. Vom Brauen über das Abfüllen bis zu Marketing und Vertrieb macht Stöhr alles selbst. Seine Biere verkauft er zu Hause sowie in einigen Wirtschaften und Geschäften in den Landkreisen Haßberge und Bamberg. "Ich hatte schon immer die Liebe zum Bier", sagt Stöhr. "Als wir unser Haus gekauft haben, habe ich gesagt, ich möchte es probieren und meine eigene Brauerei machen."

Es sei zwar stressig, aber bisher sei er sehr zufrieden: "Ich würde jedem, der Leidenschaft für etwas hat, empfehlen, es im Nebengewerbe zu versuchen." Das Risiko dabei sei gering und man könne schauen, wie es läuft.

3. Elektrotechniker Johannes Brand aus Euerdorf: Aufträge auch nach Feierabend

Johannes Brand ist seit 2020 Elektrotechniker-Meister. Er kommt aus Euerdorf (Lkr. Bad Kissingen) und ist Abteilungsleiter in einem Betrieb für Schlüsselfertigbau in Poppenhausen (Lkr. Schweinfurt). Neben den 30 Stunden, die er dort pro Woche arbeitet, ist er seit Sommer 2021 auch nebenberuflich als Elektrotechniker tätig. Von Donnerstagmittag bis Samstagabend installiert der 24-Jährige Photovoltaikanlagen, programmiert sogenannte Bus-Systeme für das Smarthome oder kümmert sich um klassische Elektrotechnik-Aufgaben wie Kabelverlegen oder Zähler einbauen. Dass er das seit vergangenem Sommer nebenbei macht, hat mehrere Gründe. Einerseits seien seine privaten Aufträge "über die gute Nachbarschaftshilfe hinaus" gegangen, sagt Johannes Brand. Zähler könne er beispielsweise nur als Meister mit Sicherheitsschein und eigener Firma beim Energieversorger anmelden. Andererseits habe er schon öfter davon geträumt, sein eigener Chef zu sein. "Mich reizt es, für mich selbst verantwortlich zu sein. Wenn ich jetzt am Freitag länger arbeiten muss, bin ich sozusagen selbst schuld."

Brand hat seinen eigenen Betrieb zunächst im Nebenerwerb gegründet, um weiterhin abgesichert zu sein. Über seinen Vollzeitjob ist er sozialversichert und kann sich auf das regelmäßige Gehalt verlassen. "Zudem sind Materiallieferungen zurzeit sehr unsicher", sagt Brand. "Wenn Teile fehlen, kann ich meine Arbeit nicht fertigstellen und keine Rechnungen schreiben." Wie es mit seinem Betrieb weitergeht, macht Brand abhängig von der Auftragslage. "Klar ist es interessant, den Schritt in die komplette Selbstständigkeit zu gehen." Doch dann brauche er wohl auch eigenes Personal, sagt der Elektriker. "Und da sieht es nicht rosig aus." Vanessa Möller