Bad Brückenau: Herber Schlag für die PWG
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Montag, 12. Sept. 2016
Noch nie hat ein Kandidat der PWG eine Bürgermeisterwahl verloren. Von 1952 bis 2010 stellte sie durchgängig den Bürgermeister. Was ist los mit der PWG?
Seit April führt Jonathan Kirchner die Parteilose Wählergruppe - FW Freie Wähler (PWG) an. Der Verein vermeidet bewusst jede Parteibindung und prägt seit 1948 die Stadtpolitik. Die Wahlschlappe am Wochenende wird nicht spurlos an der PWG vorbeigehen. Im Gespräch mit dieser Zeitung spricht Kirchner über enttäuschte Erwartungen, die verkannten Qualitäten des PWG-Kandidaten Mike Richter und darüber, wie sich die PWG in Zukunft aufstellen will.
Herr Kirchner, erstmals in der Geschichte der PWG hat ein Bürgermeisterkandidat die Wahl verloren. Haben Sie damit gerechnet?
Jonathan Kirchner: Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Zumindest eine Stichwahl hätte drin sein müssen. Die PWG hat einen Wählerstamm in der Stadt, das hat man ja bei der Stadtratswahl gesehen. Aber da hat der Amtsbonus von Brigitte Meyerdierks wohl gezogen.
War Mike Richter der falsche Kandidat?
Jonathan Kirchner: Dem Ergebnis nach schon, aber nicht nach seinen Fähigkeiten. Mike Richter ist ein gradliniger Mensch, der zu seinem Wort steht. Er ist zielorientiert und vertrauenswürdig. Und er kann Strukturen aufbauen.
Mike Richter kommt aus dem hessischen Oberzell. Viele Brückenauer störten sich daran, das er nicht in die Stadt ziehen wollte. Haben Sie Verständnis dafür?
Jonathan Kirchner: Ich habe Verständnis für Mike Richter. Zum einen hat er seine Familie dort, zum anderen ist das keine Entfernung. Bei einer Fahrzeit von zehn Minuten ist man bei jedem Notfall zur Stelle. Ich hätte es sogar vorteilhaft gefunden, denn ein Bürgermeister hat auch mal einen freien Tag. Da fällt es viel leichter abzuschalten, als wenn man mitten in der Stadt wohnt.
Mit 34,63 Prozent hat Claudio Kleinhans mehr als doppelt so viele Stimmen wie Mike Richter geholt. Wie wird die PWG mit dem jungen Mitbewerber umgehen?
Jonathan Kirchner: Mit diesem Ergebnis haben wir nicht gerechnet. Es ist bemerkenswert, wie sich Claudio Kleinhans entwickelt und eingebracht hat. Eine solche starke und frische Kraft sollte ein Verein wie die PWG nicht links liegen lassen.
Was heißt das genau? Werden Sie auf ihn zugehen?
Jonathan Kirchner: Wenn er Interesse äußert, sich bei der PWG einzubringen, würde ich das auf jeden Fall befürworten. Zunächst aber möchte ich den Wahlkampf für uns als PWG auswerten und klären, was für Fehler wir gemacht haben.
Wer wird bei der nächsten Wahl als Bürgermeisterkandidat für die PWG antreten?
Jonathan Kirchner: Diese Frage ist zu diesem Zeitpunkt für mich nicht relevant. Wichtig ist, was dazu beigetragen hat, dass die PWG so abgschnitten hat, und welche Fehler im Wahlkampf gemacht wurden.
Was wird die PWG jetzt tun?
Jonathan Kirchner: Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir den Verein wieder lebendiger machen können. Ich will wieder frischen Wind reinbringen, um das kommunalpolitische Bewusstsein vielleicht auch jüngerer Wähler zu wecken. Ein Mittel dafür sind zum Beispiel die Stadtgespräche der PWG. Ich wünsche mir einfach, dass in alle Wählergruppen und Parteien Bewegung kommt, denn nur so kann ein kommunalpolitisches Bewusstsein bei den Menschen dieser Stadt geweckt werden.
Mit 50,96 Prozent der Stimmen ist Amtsinhaberin Brigitte Meyerdierks knapp einer Stichwahl entgangen. Was sagen Sie ihr?
Jonathan Kirchner: Meinen Glückwunsch! Ich hätte nicht gedacht, dass sie es im ersten Anlauf packt. Ich ziehe den Hut in aller Wertschätzung. Jetzt müssen wir als PWG uns ernsthaft darüber Gedanken machen, was falsch gelaufen ist. Ich kann es mir nur so erklären, dass wir die Qualitäten unseres Kandidaten nicht deutlich genug herausgestellt haben.
Das Gespräch führte Ulrike Müller.
Aus der Geschichte der PWG:
Gründung Zum ersten Mal trat die PWG zur Stadtratratswahl am 25. April 1948 auf. Als ihre Gründer sind Philipp Weigand, Konrad Zirkel und der frühere Bürgermeister Egid Trost (1934-1945) überliefert. 1990 gründete sich der Verein "Parteilose Wählergruppe - FW Freie Wähler" mit aktuell 51 Mitgliedern.
Bürgermeister Von 1952 bis 2010 lenkten durchgehend PWGler das Geschick der Stadt. Diese waren: Egid Trost (1952-1970), Georg Robert Ratsch (1970-1976), Ludwig Müller (1976-1986), Hans Rohrmüller (1986-1998) und Thomas Ullmann (1998-2010). Bei der Bürgermeisterwahl im Jahr 2010 stellte die PWG keinen eigenen Kandidaten auf. Bei der Wahl am Wochenende holte PWG-Mann Mike Richter 14,41 Prozent.
Stadtrat Aktuell sitzen sieben PWGler im Stadtrat. Diese sind: Jürgen Pfister, Birgit Poeck-Kleinhenz, Dirk Stumpe, Heribert Jakobsche, Emanuel Fritschka, Ingo Walcher und Eberhard Schelle. Mit Jürgen Pfister stellt die PWG den 2. Bürgermeister. Sie ist - neben der CSU mit 9 Sitzen plus Bürgermeisterin - die zweitstärkste Fraktion.
Kreistag Die PWG strahlt auch in den Altlandkreis Bad Brückenau aus. Vier von 60 Kreisräten gehören zur PWG. Diese sind: Jürgen Pfister (Bad Brückenau), Beatrix Lieb (Schondra), Dieter Muth (Oberleichtersbach) und Roland Limpert (Zeitlofs).
Das Ergebnis der Bürgermeisterwahl am 11. September finden Sie hier.