Druckartikel: Altes Handwerk wird begreifbar

Altes Handwerk wird begreifbar


Autor: Ralf Ruppert

Sulzthal, Mittwoch, 26. Juli 2017

Die Alte Büttnerei aus Sulzthal ist das erste Gebäude aus dem Landkreis, das im Freilandmuseum Fladungen fertig wird. Von Gerhard Fischer und Ralf Ruppert.
Die Kulturwissenschaftlerin Simone Doll-Gerstendörfer hat intensiv am Inklusionsprojekt des Fladunger Freilandmuseums mitgewirkt. Mit einem Rollstuhl testet sie, ob die Schauobjekte der ehemaligen Sulzthaler Büttnerei für behinderte Besucher gut erreichbar sind. Foto: Gerhard Fischer


20 historische Gebäude oder Hofstellen waren bislang im Freilandmuseum Fladungen vollständig rekonstruiert zu sehen: Elf aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld, drei aus den Haßbergen, zwei aus dem Kreis Aschaffenburg und jeweils eine aus den Kreisen Main-Spessart, Fulda und Wartburg. Ab Samstag reiht sich offiziell das erste Gebäude aus dem Landkreis Bad Kissingen ein: Die Alte Büttnerei aus Sulzthal wird feierlich eingeweiht. Die Genossenschaftsschäferei Hausen soll ein Jahr später folgen.


Leitsystem und Hinweistafeln

Auf die Eröffnung ihrer alten Schäferei warten die Hausener bereits seit 2004, aber auch die Fertigstellung der Büttnerei hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach verschoben. Hauptgrund war die Umsetzung eines völlig neuartigen und in Bayern einmaligem Konzeptes, um das Gebäude für Menschen mit Behinderung erlebbar zu machen: "Die ebenerdige Büttnerei ist das erste Gebäude hier, das sich für das Inklusions-Thema eignet", sagt Ariane Weidlich, Leiterin des Fladunger Freilandmuseums. Enge Zimmer oder winklige Treppen verhinderten in den meisten anderen Häusern bisher, dass die historischen Gebäude zum Beispiel für Rollstuhlfahrer erreichbar gemacht werden konnten. Inklusion ist laut Weidlich schwierig in Gebäuden aus einer Zeit, in der es noch keinen Inklusionsgedanken gab.
Wie sieht das konkret aus? Eine Linie aus doppelt gelegten Basaltpflastern weist im Freilandmuseum Fladungen den Weg in die Alte Büttnerei. Innen führt eine blaue Kunststoffleiste am Boden vorbei an Werkbank, Hobel und Fassdauben zur Schleifmaschine und weiter in den Maschinenraum. Diese Kunststoffleiste hat in regelmäßigen Abständen Einkerbungen. Dort ist sie mit einem Blech verkleidet. "Wenn der Knauf des Taststocks darüberfährt, verändert sich auch der Klang", sagt Simone Doll-Gerstendörfer. Die Kulturwissenschaftlerin aus Randersacker bei Würzburg berät das Museum bei der Umsetzung des Inklusionskonzeptes.
Kommt ein Sehbehinderter oder Blinder mit dem Stock an einer solchen Stelle an, spürt und hört er, dass er eine spannende Station erreicht hat. Er kann die entsprechende Nummer seines Audio-Guides wählen, und erfährt, was es etwa mit den Antriebsriemen und dem Holzkasten für den Motor neben der Tür auf sich hat. Von einem Rollstuhl aus prüft Simone Doll-Gerstendörfer, wie ein 15-Liter-Holzfass angefasst werden darf. "Vielleicht noch ein Stück weiter nach vorne, damit auch Kinder noch hinfassen können", meint die Kulturwissenschaftlerin. Ariane Weidlich nickt zufrieden.
Bis zur Eröffnung der Alten Büttnerei am Samstag werden die letzten kleinen Hürden überwunden sein - dann hat das Museum sein erstes historisches Gebäude, das voll und ganz dem Inklusionsgedanken entspricht. Dazu gehören auch Hinweistafeln in erhabener Schrift und in Braille-Schreibweise, Videos mit Erläuterungen in Gebärdensprache oder Hörführer-Texte in ganz einfachen Worten für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung.


Nächste Eröffnung 2018 geplant

Ein Jahr lang hat Weidlich mit ihrem Team an dem Konzept gearbeitet. Die detailreich ausgestattete Werkstatt bietet viele Gelegenheiten für taktile Erfahrungen über Berühren und Tasten. "Das ist ein Pilotprojekt, nicht nur für unser Haus, sondern für die Freilandmuseen in Bayern überhaupt", erklärt Ariane Weidlich, die seit Herbst 2016 in Fladungen die Museumsleitung innehat. "Das alles in einem Jahr zu verwirklichen, war ein sportlicher Zeitplan."
Und die Arbeit geht weiter: "Unser langfristiges Ziel ist es, das gesamte Museumsgelände über ein Leitsystem für Blinde und Sehbehinderte autonom erlebbar zu machen", blickt die Museumsleiterin in die Zukunft. Ganz einfach sei das allerdings nicht: "Wir wollen Inklusion, fühlen uns aber auch dem Originalzustand der Gebäude verpflichtet."
Auch das nächste Projekt aus dem Landkreis Bad Kissingen wartet bereits: "Mein Ziel ist, die Schäferei Hausen im nächsten Jahr der Öffentlichkeit zugänglich zu machen", kündigt Weidlich auf Nachfrage an. Das Ensemble aus Wohnhaus und Scheune steht bereits seit dem Jahr 2004 in Fladungen, die Scheune ist bereits nutzbar, aber im Haus fehlt noch die komplette Inneneinrichtung: "Dafür müssen wir jetzt erst noch ein Konzept erarbeiten", sagt Weidlich.

Termin Die Büttnerei wird mit einem großen Fest am Samstag, 29. Juli, eingeweiht. Es beginnt um 11 Uhr mit einem Festzug zur Büttnerei mit Bürgern und Vertretern aus der Ursprungsgemeinde Sulzthal. Ab 12 Uhr spielen die Sulzthaler Musikanten.

Eintritt Sulzthaler haben mit Personalausweis freien Eintritt.

Info Mehr zum Museum im Internet unter www.freilandmuseum-fladungen.de.