Nüdlingen beschließt Vorkaufsrecht: So schnell ist Ihr Grundstück weg
Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz
Nüdlingen, Montag, 21. März 2022
Wer eine Fläche veräußern oder kaufen will, sollte einkalkulieren, dass die Gemeinde daran Interesse hat. In Nüdlingen wurde nun für eine Vorkaufsrechtsatzung gestimmt. Im Zweifel steht der Käufer mit seinem Kredit im Regen.
Stellen Sie sich vor: Eine junge Familie möchte ein Grundstück kaufen. Nach langer Suche finden sie schließlich eins und einigen sich mit dem Verkäufer auf einen Preis, mit dem beide Seiten einverstanden sind. Die Familie klärt die Finanzierung und einen Kredit bei der Bank ab, vereinbart einen Termin beim Notar und unterschreibt mit dem Verkäufer den Kaufvertrag. Alle Beteiligten sind zufrieden. Doch plötzlich gibt es einen dritten Interessent für das Grundstück: Die Gemeinde. Sie beruft sich auf ihr Vorkaufsrecht.
"Das ist meistens eine Situation, da gibt es beim einzelnen Bürger ein sehr großes Unverständnis", sagte Dr. Markus Roßmann. Der Notar aus Münnerstadt war Gast in der vergangenen Nüdlinger Gemeinderatssitzung, bei der die Gemeinderäte über den Erlass einer Vorkaufsrechtsatzung abstimmten.
Roßmann sagte: Die Gemeinde habe oftmals ein nachvollziehbares Interesse, warum sie ihr Vorkaufsrecht ausüben wolle. Keine Baulücken zum Beispiel, ein neuer Stellplatz oder die Erweiterung des Gehwegs. Aber die Mitglieder des Gemeinderates müssten sich bei einer Entscheidung für das Vorkaufsrecht bewusst machen: "Dahinter stehen manchmal Schicksale."
Wenn eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübe, bringe das etwa die Hausplanung einer Familie durcheinander. Die Familie habe dann möglicherweise plötzlich das Problem, dass der Kredit für 500.000 Euro unterschrieben sei und die Bank sage: "Du hast jetzt sechs Monate oder ein Jahr Zeit, ein Ersatzobjekt zu finden. Schau dich um, kauf was anderes, übertrag deine Finanzierung da drauf."
So mancher Verkäufer eines Grundstücks würde sich da fragen: Muss ich der Gemeinde mein Grundstück verkaufen oder kann ich auch sagen, dann behalte ich es? "Das geht nicht", antwortet Roßmann dann immer. "Wenn Sie verkauft haben und die öffentliche Hand Ihnen das Gleiche bietet, dann ist der Würfel gefallen."
Das müssten Menschen vor dem Verkauf von Grundstücken bedenken. Er erlebe es immer wieder, dass sich Verkäufer aus emotionaler Verbundenheit für einen Freundschaftspreis entschieden. Da werde dann gesagt: "Du hast mir jahrelang geholfen, dir möchte ich es zum Preis von 50 Cent pro Quadratmeter verkaufen. Wenn es ein andere bekommt, sehe ich diesen Preis aber nicht ein." Möglicherweise wird das Grundstück aber gerade dann durch den attraktiven Preis für die Gemeinde interessant. Nach Vertragsabschluss hat sie drei Monate Zeit zu überlegen, ob sie das Vorkaufsrecht ausüben möchte.
Das Recht, das Vorkaufsrecht auszuüben, gelte nur bei Kaufverträgen, erklärte Roßmann weiter. Etwas anderes sei es bei familiären Schenkungen, innerfamiliären Übertragungen oder einem Tausch.