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Notunterkunft für 200 Flüchtlinge: Betrieb wird zur Herberge


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Donnerstag, 20. August 2015

Am Montag kommen die ersten 100 Flüchtlinge in Bad Kissingen an - kurzfristig. Bis dahin haben Handwerker und Helfer damit zu tun, die Notunterkunft in der ehemaligen Fabrik einzurichten.
Am Montag kommen die ersten 100 Flüchtlinge in Bad Kissingen an - kurzfristig. Bis dahin haben Handwerker und Helfer damit zu tun, die Notunterkunft in der ehemaligen Fabrik einzurichten. Foto: Carmen Schmitt


"Essensausgabe" steht auf dem Schild neben der Tür. Fünfmal. Für die einen sind es fremde Sprachen und exotische Schriftzeichen, für die anderen ist es das einzige, was ihnen vertraut vorkommt. Ein Stück Gewohnheit in einem Wort. Ab Montag soll es im ersten Obergeschoss des alten Fabrikgebäudes Mahlzeiten geben. Dann werden die ersten Flüchtlinge die Notunterkunft erreicht haben und Zuflucht in Bad Kissingen finden.

Handwerker und ehrenamtliche Helfer arbeiten bis dahin unter hohem Druck, um aus dem ehemaligen Betrieb eine Bleibe für 200 Flüchtlinge zu machen.

Vor der alten Wäschefabrik in der Röntgenstraße parken Firmenbusse, Rotes Kreuz, Polizei, Helfer und Einsatzleute. Seit Mittwoch werden auf drei Stockwerken Räume und Zimmer geschaffen für die Flüchtlinge, die nächste Woche in Bad Kissingen ankommen sollen. Erst in der vergangenen Woche hatte der Landkreis von der unterfränkischen Regierung erfahren, dass sie kurzfristig ihren Notfallplan aktivieren müssen. Bad Kissingen ist der letzte Landkreis im Bezirk, der diese Vorgabe umsetzen muss. Vor einer Woche organisierte der Landkreis die alte Fabrik als Notunterkunft und kommt somit um die ursprünglichen Pläne herum, den Menschen in Turnhallen ein Obdach zu stellen. Davon profitiert nicht nur der Schulsport.


Rückzugsort für Familien

"So können wir Räume stellen, die ein Rückzugsort sein können", sagt Tim Eichenberg vom Landratsamt. Mal die Tür hinter sich zu ziehen, als Familie für sich sein - in den 40 Zimmern wird ein Stück Privatsphäre möglich. Über die Hälfte der 200 Menschen können in Zimmern mit vier bis acht Schlafplätzen untergebracht werden. Für den Rest sind provisorische Räume in dem Gebäude eingerichtet, abgetrennt mit Stellwänden aus Holz und stabiler Pappe.

Das Landratsamt hat aus den Erfahrungen der benachbarten Landkreise gelernt. Der Landkreis hat aber auch Probleme, weil er der letzte im Bezirk ist, der mit einer Notunterkunft reagieren muss.

"Der Markt in Deutschland ist abgegrast", sagt Klaus Plescher vom Landratsamt. Mobile Dusch- und Toilettenkontainer, Feldbetten, Bettwäsche: Mangelware. Die Stockbetten, die auf den 2600 Quaratmeter verteilt stehen, stammen aus der Wildfleckener Kaserne. Ein Glücksgriff für das Landratsamt. 150 Betten sind inzwischen bezugsbereit. Ausreichend für die ersten Menschen, die am Montag in der Röntgenstraße 12 ankommen werden.
Ein Bus wird sie aus Schweinfurt nach Bad Kissingen bringen. Die Erstauffangstationen in Würzburg und Schweinfurt sind überfüllt, in Südbayern sind die Kapazitäten aufgebraucht. Zelte sollen vielerorts zusätzlich Raum schaffen. "Wir haben einen kleinen Puffer nach oben", sagt Emil Müller (CSU), stellvertretender Landrat. "Wenn diese Unterkunft voll ist, müssen wir weitersuchen." Im Auftrag der Regierung Unterfranken.

Für die Ankunft am Montag stehen Dolmetscher auf Abruf. Der Landkreis rechnet damit, dass hauptsächlich Menschen aus Syrien hier Hilfe suchen. Erst gestern Morgen hat die Regierung die Anzahl der Ankömmlinge kurzfristig auf 100 verdoppelt. Dem Landkreis bleibt nur, flexibel zu reagieren.


Scheu ablegen

Die Einstellung der Bevölkerung hält Emil Müller für positiv. Bei der Bürgerversammlung am Mittwochabend im Landratsamt haben 100 Menschen Fragen gestellt und über Ängste gesprochen. Emil Müller empfiehlt auf die Menschen "unvoreingenommen zuzugehen und die Scheu abzulegen". Mehr zur Bürgerversammlung lesen Sie auf.