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Notunterkünfte für Flüchtlinge gesucht


Autor: Ulrike Müller

Bad Kissingen, Mittwoch, 22. Oktober 2014

Der Winternotfallplan Asyl der Bayerischen Staatsregierung stellt den Landkreis Bad Kissingen vor neue Herausforderungen. Die Suche nach Notunterkünften wird immer schwieriger.
Irakli Zhvania und seine Tochter haben im Landkreis Zuflucht gefunden. Seit Mitte September sind sie im Bad Brückenauer Stadtteil Wernarz untergebracht. Foto: Ulrike Müller


Wenn Olena K. von ihrer Heimat spricht, sucht sie nach Worten. Dann greift die zierliche Frau zum Handy und tippt auf russisch ein, was sie sagen will. Auf dem Display erscheinen dann Worte wie "Strafverfolgung" oder "alte Regierung". Olena K. ist aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew geflüchtet. Da ihr Mann für die gestürzte Regierung von Wiktor Janukowytsch gearbeitet hatte, gehört die Familie nun zu den Geächteten des neuen Systems.

So einfach ist das politische Spiel in einem Land, das völlig aus den Fugen geraten ist.

Etwa 4000 Flüchtlinge erwartet

Seit 3. September lebt Olena K. mit ihrem Mann und dem sechsjährigen Sohn im "Weißen Ross" im Bad Brückenauer Stadtteil Wernarz. Das Gasthaus ist eine von sechs dezentralen Unterkünften, die das Landratsamt für die Flüchtlinge angemietet hat. Jede Woche kommen zwölf neue Asylbewerber im Landkreis an - ein Ende ist nicht abzusehen. "Wir müssen uns wöchentlich, ja täglich, um neue Lösungen bemühen", berichtet Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken.

Knapp 3800 Asylbewerber leben aktuell in Unterfranken. Allein bis Ende September wurden dem Bezirk heuer 2059 neue Flüchtlinge zugeteilt. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2013 waren es 1831 Menschen, die in Unterfranken Zuflucht suchten. "Bis Ende des Jahres rechnen wir mit 4000 Flüchtlingen", sagt Hardenacke. Schon jetzt sucht die Regierung händeringend nach Unterkünften. Und noch etwas kommt hinzu: Der Winter steht vor der Tür.

Am Dienstag gab deshalb der Krisenstab Asyl der Bayerischen Staatsregierung den "Winternotfallplan Asyl" aus. Bis zum 3. November müssen alle Landkreise und kreisfreien Städte Notunterkünfte melden, um kurzfristig 200 bis 300 Personen unterzubringen. "Das können Turnhallen sein oder sonstige Einrichtungen", erklärt Hardenacke. Im gesamten Freistaat sollen so bis zu 30.000 Menschen übergangsweise versorgt werden können, denn bei Schnee und Eis kann man die Flüchtlinge schlecht in Zelte stecken.

Notfallunterkünfte gesucht

Das stellt auch den Landkreis Bad Kissingen vor neue Herausforderungen. "Wir schauen erst einmal, welche Liegenschaften des Landkreises in Frage kommen", berichtet Stefan Seufert vom Landratsamt, der die Unterbringung der Flüchtlinge koordiniert. In einem zweiten Schritt werde überprüft, ob sich auch andere öffentliche Gebäude als Notunterkünfte eignen.

Irakli Zhvania hat es noch vor dem Winter nach Deutschland geschafft. Auch er lebt seit wenigen Wochen in Wernarz. Er floh mit seiner Frau und der eineinhalbjährigen Tochter aus Donezk im Osten der Ukraine. "Wir haben in der Nähe des Flughafens gewohnt", erzählt Zhvania und mehr muss er gar nicht sagen. Das Gebiet ist schon lange umkämpft. Erst Anfang der Woche erhob die Organisation "Human Rights Watch" den Vorwurf, Regierungstruppen hätten Donezk mit Streubomben bombardiert. Und plötzlich bekommt die Meldung aus den Nachrichten das Gesicht eines jungen Mannes, 28 Jahre alt, der seine Tochter auf dem Arm hält und in Wernarz auf eine bessere Zukunft wartet.

Viele Flüchtlinge sind dankbar

"Wir brauchen den Zusammenhalt und den gemeinsamen Willen der Bevölkerung zu helfen", setzt sich Stefan Seufert vom Landratsamt für eine gelingende Integration ein. Schon längst stoßen die Behörden an ihre Grenzen. "Wir müssen die Bürger darauf vorbereiten, dass noch mehr Menschen zu uns kommen werden", fügt er an. Natürlich sorgt das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen für Spannungen - auch in Wernarz. Alles in allem aber gelte: "Viele Flüchtlinge sind dankbar", sagt Seufert.