Druckartikel: Nichts kann sie davon abbringen

Nichts kann sie davon abbringen


Autor: Kathrin Kupka-Hahn

Steinach an der Saale, Montag, 18. Juli 2016

Seit 50 Jahren treffen sich Damen zu ihren monatlichen Kaffeekränzchen.
Beim Faschingszug in Steinach waren die Damen in den 1970er- und 80er-Jahren immer dabei. Hier waren sie Störche. Das Indianermädchen ist Bettina Gundalach.Foto: Privat


Die Wirtschaft ist gut besucht. Sämtliche Tische sind besetzt. Der Duft von frisch Gekochtem zieht durch den Raum, Teller und Bestecke klappern. Gedämpfte Gespräche sind zu hören. Nur an einem Tisch nicht. Dort geht es deutlich lauter zu und es wird herzlich gelacht. Denn soeben ist Karola Grom eingetroffen und begrüßt die Freundinnen mit einem flotten Spruch.

Sie ist die letzte im Bunde und komplettiert nun die illustre Damenrunde am großen quadratischen Tisch in der Ecke.
Neun Frauen haben sich dort im Gasthaus Adler & Post in Steinach versammelt. So, wie sie das jeden ersten Donnerstagabend im Monat tun. Doch Moment. Diesmal ist es schon der zweite Donnerstag im Monat. "Wir haben unser Treffen um eine Woche verschoben, wegen des Fußballspiels der Deutschen bei der Europameisterschaft", erklärt Organisatorin Ingrid Schuck. Das ist eigentlich eine absolute Ausnahme, denn normalerweise kann nichts und niemand die Damen von ihren regelmäßigen Treffen abbringen. Und das seit 50 Jahren schon.
1966 haben sie ihr erstes Kaffeekränzchen im Café der Familie Groß in Steinach abgehalten. Das hatte erst 1965 eröffnet und befand sich dort, wo heute der Igros-Laden ist. Man bekam dort gute Torten und es stand eine Musikbox darin, erinnern sich die Damen. Heutzutage sind solche Treffen oder Kaffeekränzchen nichts Besonderes, aber in den 1960er-Jahren war das schon die große Ausnahme. "Man ging als Frau halt nicht alleine fort", erklärt Ingrid Schuck. Schon gar nicht abends. Denn die "Lustigen Acht vom Kaffeekränzchen", wie sie sich selber nannten, trafen sich immer erst, wenn die Arbeit zu Hause getan war. "Schließlich waren wir alle verheiratet und hatten noch kleine Kinder oder es waren welche unterwegs", fügt Karola Grom hinzu. Zudem betrieben einige Familien damals noch eine kleine Landwirtschaft, hielten Milchkühe. So auch Ingrid Schuck. "Ich weiß noch, wie ich mich beim Melken immer beeilt habe. Danach bin ich schnell ins Haus, habe mich umgezogen, gekämmt und bin dann fort zu unserem Kaffeekränzchen", erzählt sie. Das wollte sie auf keinen Fall verpassen.


Nichts drang nach außen

Denn in der illustren Damenrunde erfuhr man nicht nur die Neuigkeiten oder den Klatsch aus dem Dorf. "Damals liefen gerade die Oswald-Kolle-Filme im Kino sowie der Hausfrauen- oder Schulmädchenreport, darüber mussten wir uns doch austauschen", erklärt die Frau des Altbürgermeisters. Zwar hätten die Pfarrer bei ihren Predigten ganz schön über die Filme gezankt, doch das habe nichts genützt. Alles rund ums Thema Sex interessierte. "Schließlich waren wir ja nicht so aufgeklärt, wie die jungen Frauen von heute." Parallel dazu wurden beim abendlichen Kaffeekränzchen auch Kochrezepte ausgetauscht, die Kindererziehung oder der Hausbau besprochen oder was gerade im Garten so los ist, beispielsweise ob die Bohnen voller Läuse hängen. Eheprobleme hingegen blieben außen vor. "Und, was wir hier redeten, blieb unter uns und wurde nicht nach außen getragen", sagt Ingrid Schuck.


Perlen des Orients

Somit war es für die Steinacher auch jedes Mal eine große Überraschung, in welchem Outfit und zu welchem Motto die Damen vom Kaffeekränzchen beim Faschingszug mitliefen. In der 1970er- und 80er-Jahren waren sie stets dabei, unter anderem als Störche, Kosaken, Märchenfiguren oder als Perlen des Orients. "Da haben wir uns zum Schmuck die Weihnachtsketten umgehängt", erinnert sich Magda Borst, die einzige der Frauen, die in Nickersfelden wohnt. Die Kostüme haben sie zu Hause selbst genäht, den Fasching dann ausgiebig gefeiert.
"Wir hatten eine schöne Zeit", fasst Ingrid Schuck zusammen. Ihre Freundinnen nicken. "Wir hatten sogar anonyme Verehrer", fügen sie hinzu und müssen lachen. "Bei mir stand mal eine Flasche Asbach vor der Tür", erzählt Irmgard Dünisch, andere können sich an eine Kaffeekanne oder Sektflaschen erinnern.
Anfangs trafen sich die Damen alle zwei Wochen im Café Groß. Als dieses 1976 zumachte, wanderte die illustre Runde erst einmal durch die Wirtschaften in Steinach, bevor sie schließlich im Gasthaus Adler &Post "hängenblieb".
Dort stieß dann Paula Reuß zur Truppe, weshalb aus den lustigen Acht Neun wurden. "Und wir hatten immer unseren selbst gebackenen Kuchen dabei", erzählt Marianne Schwarz. Eine Tradition, die bis heute besteht. "Ich habe heute für unser 50-Jähriges eine Sekttorte gemacht", verkündet Ingrid Schuck. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben, lediglich die Treffen der Damen wurden etwas reduziert. Seit 15 Jahren treffen sich die Steinacherinnen immer am ersten Donnerstag im Monat, außer, die deutsche Fußballnationalmannschaft der Herren spielt.

Das Kaffeekränzchen in Zahlen:
Rund 1020 Treffen haben seit der Gründung der "Lustigen Acht" im Jahr 1966 stattgefunden. Bis 2001 haben sie die Damen sogar zweimal im Monat getroffen. Die neun Frauen haben heute zusammen 28 Kinder, 50 Enkel und 14 Urenkel. Sieben von ihnen sind inzwischen verwitwet, keine ist jemals geschieden worden.