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Nicht ohne meinen Rolls Royce - Revolution auf vier Rädern


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Freitag, 20. November 2015

Es ist ein revolutionäres Hilfsmittel auf vier Rädern - der Rollator. Dank ihm bleiben Senioren mobil und unabhängig. Aber wie schaut es mit der Verkehrstauglichkeit aus? Edgar Kast macht den Test bei seinem Sicherheitstraining. Ganz nebenbei sorgt ein "Schwede" für Staunen.
Edgar Kast von der Kreisverkehrswacht gibt Tipps, wie die Bordsteinkante leicht zu nehmen ist: "Nach hinten ziehen! So wie ihr es beim Kinderwagen früher gemacht habt." Foto: Carmen Schmitt


Linkskurve, Rechtskurve, Vollbremsung und ab auf die Hinterräder. Über die beiden Hindernisse gleiten. Den Lenker herumreißen. Plötzlich wird die Fahrbahn enger. Jetzt gilt: in der Spur bleiben. Es geht über Gummi und Bast, eine Jutematte und ein Metallgitter. Geschafft! Durchgerüttelt laufen sie ins Ziel ein. Die Rennfahrer sind heute mit ihren eigenen Fahrzeugen angereist. "Unsere Rolls Royce", sagt eine Frau.

Zwischen Käsekuchen und Käffchen wollen ein Dutzend Senioren im katholischen Pfarrsaal ihre Fahrkünste trainieren. Dafür brauchen sie keinen Ölwechsel oder Sicherheitsgurt, sondern Edgar Kast.


Am Leben teilnehmen

"Meine Frau wollte mich schon in die Irrenanstalt einweisen", sagt Kurt Spörer und lacht. Der 88-Jährige war nach einem Sturz an einen Rollstuhl gefesselt. Aus dem wollte er so schnell wie möglich wieder raus. "Ich war dabei durchzudrehen." Er kämpfte sich zurück auf die Beine. Seit zwei Monaten ist er wieder mobil - dank seines Rollators. "Man kann endlich wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen." Und das soll mit dem revolutionären Hilfsmittel auf vier Rädern auch lange so bleiben, meint Edgar Kast.

Früher hat er als Verkehrserzieher Kindern die Fahrradprüfung abgenommen. Als Pensionär will Edgar Kast heute dafür sorgen, dass Senioren sicher durch den Verkehr kommen. Weil die immer öfter mit Rollatoren anrücken, veranstaltet er seit zwei Jahren Rollator-Kurse. Edgar Kast gibt Tipps und Anweisungen, wie sich die Senioren im Verkehr leichter tun. Nimmt sie aber auch in die Pflicht und erklärt, was man alles falsch machen kann.


Auf dem Prüfstand

"Da klappert schon länger irgendwas", sagt Mina Polzer. Ein Blick, ein Griff, klare Sache: "Das Radlager ist dahin", sagt Matthias Albert. Der Rehatechniker macht während des Kurses einen Sicherheitscheck bei den "Rolls Royce" der Damen und Herren. Zuerst schaut er auf den Griff, dann auf die Bremse. Die kann er nachstellen, wie beim Fahrrad. Nebenbei stellt er "das neuste Modell aus Schweden" vor: LED-Beleuchtung, Sturzalarm, Alu-Gestell, 7,6 Kilogramm - das "Nonplusultra". Es gibt sie in Rosé, Lila und Grün, als Geländeversion oder mit ultraleichtem Carbon-Gehäuse. Groß, klein oder breit, die Vielfalt und Nachfrage wachsen: "Der Rollator wird ein Lifestyle-Produkt", sagt Matthias Albert. Auch an der Sicherheit wird ständig gefeilt. Mit dem neuen "Schweden" soll niemand mehr an Türkanten hängen bleiben können.

Die Farbe seines Rollators ist Kurt Spörer egal. Dank ihm kann der 88-Jährige endlich wieder mit seinen Kumpels kegeln.