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Neue Wege in der Betreuung


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Mittwoch, 19. November 2014

Wegen steigender Fallzahlen will der Landkreis mehr niederschwellige Familienbegleitung einsetzen, um die Fachkräfte zu entlasten. Bei den Tagesmüttern wird durch höheres Entgelt Qualifizierung gefördert.
Die Arbeit mit Kindern liegt Tagesmutter Stefanie Ziegler (links) und Familienbegleiterin Eva Sauer sehr am Herzen. Der Jugendhilfeausschuss beschloss jetzt, dass qualifizierte Tagesmütter besser entlohnt werden sollen und das Arbeitsfeld der Familien-Begleiter ausgeweitet wird.  Foto: Benedikt Borst


Seit zwei Jahren ist Stefanie Ziegler Tagesmutter. Neben ihrem Job als Köchin betreut die 32-Jährige derzeit zwar nur zwei Kinder, aber: "Am liebsten würde ich mehr machen", hat sie Freude an dem Nebenjob. "Ich mache das nicht wegen des Geldes", stellt die Premicherin zudem klar. Dass der Jugendhilfeausschuss beschlossen hat, die Vergütung für die Tagesmütter zum Jahreswechsel zu erhöhen, freut sie aber trotzdem: Es sei eine Anerkennung ihrer Arbeit.

Voraussetzung für Zuschüsse

"Wir müssen bis zum 1. Januar 2015 unsere Richtlinien anpassen, um auch weiterhin Förderung zu bekommen", betonte Jugendamtsleiter Siegbert Goll. Bei den neuen Sätzen habe er sich an Erfahrungen der Tagespflegepersonen und einem Richtwert von vier Euro pro Stunde und Kind orientiert. Allerdings gibt es keinen festen Stundenlohn, sondern tägliche Buchungszeiten, aus denen sich dann unterschiedliche Stundensätze ergeben.
Beispiel: Für sieben bis acht Stunden täglich, also bis zu 40 Stunden in der Woche werden derzeit 492 Euro je Kind und Monat gezahlt. Nach der neuen Regelung, die im Dezember noch im Kreistag bestätigt werden muss, beträgt das Tagespflegegeld ab 2015 monatlich 670 Euro, bei mehr als fünf Jahren Tätigkeit der Tagespflegeperson 707 Euro, für Kinder mit Behinderung 1188 Euro. Diese Beträge setzen sich aus einer Pflegepauschale von 300 Euro im Monat und Zuschlägen für Förderleistung und Qualifizierung zusammen.
Das Tagespflegegeld für die sogenannte niederschwellige Betreuung, also ohne staatliche Förderung, betrug für sieben bis acht Stunden bisher 410 Euro und soll auf 485 Euro erhöht werden. Hinzu kommen Zuschläge etwa für die Betreuung am Wochenende sowie Zuschüsse zur Alters-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung. Betreut werden dürfen immer nur fünf fremde Kinder gleichzeitig.

50 000 Euro Mehrkosten

"Wie wollen die Betreuung qualitativ weiterentwickeln", fasste Landrat Thomas Bold (CSU) das Ziel zusammen. Laut Goll sollen die niederschwelligen Angebote aber weiter bestehen: 28 Kinder wurden heuer von Tagesmüttern ohne spezielle Ausbildung betreut. Regulär, also mit Förderung nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, gab es heuer bislang 78 Tagespflegeverhältnisse. Die Eltern müssen sich bei einer Betreuung von sieben bis acht Stunden täglich mit 215 Euro beteiligen, der Mindestsatz liegt bei 70 Euro für bis zu zehn Wochenstunden.
Das Jugendamtsleiter erwartet durch die höhere Vergütung Mehrkosten von insgesamt rund 50 000 Euro. Landrat Bold wies darauf hin, dass die Tagespflege eigentlich eine Aufgabe der Kommunen sei. Der Landkreis habe die Betreuung jedoch übernommen und an den Verein "Generationen-Netz" delegiert.
Tagesmutter Stefanie Ziegler wurde vom Generationen-Netz im Mehrgenerationenhaus ausgebildet. Dort sind auch zahlreiche weitere Angebote für Familien, wie Frühe Hilfen und Familienbegleitung, angesiedelt. "Das würden wir uns gerne zu Nutze machen", begründete Goll eine weitere Idee, die er im Jugendhilfeausschuss vorstellte: der so genannte Begleitete Umgang (BU). Dabei sollen Familien-Begleiterinnen und -Hebammen Fälle übernehmen und dadurch die Mitarbeiter des Jugendamtes entlasten.
"Es muss nicht immer die teure pädagogische Fachkraft mit Zusatz-Ausbildung sein", nannte Goll als Grundsatz, und: "Manchmal muss auch einfach nur jemand draufschauen." Der Jugendhilfeausschuss billigte einstimmig ein Konzept, das laut Goll allerdings noch nachgearbeitet werden muss. Darin sind die verschiedenen Formen der Betreuung definiert und festgelegt, welche Fälle bei welchem Träger angesiedelt sein sollen. Der Leiter des Jugendamtes erhofft sich dadurch Freiräume für die Bereiche, die nicht abgegeben werden können, denn: "In den letzten Jahren nehmen die Fallzahlen in den Familien rapide zu."
"Das Konzept liest sich sehr spannend", lobte Kreisrat Christian Fenn (Grüne), der selbst als Streetworker arbeitet. Bedenken hatte er allerdings wegen der festgeschriebenen Freiwilligkeit: "Wie verfährt man, wenn ein Elternteil das wünscht, aber der andere das ablehnt?" Genau solche Details würden in den kommenden Monaten auch in den Verhandlungen mit den Trägern noch festgelegt, sagte Goll. Grundsätzlich gelte: "Wenn man zum Beispiel mit der Entführung eines Kindes rechnen muss oder häusliche Gewalt im Spiel ist, dann wird es natürlich nicht zum Begleiteten Umgang kommen."
Der Jugendhilfeausschuss bewillgte mit dem Konzept auch je 5000 Euro für das Generationen-Netz für Verwaltungsaufgaben sowie für Fachleistungsentgelte. Zudem wurde das Jugendamt ermächtigt, das Konzept fortzuschreiben.

Das Volumen des Teilergebnishaushalts "Jugendamt" wird im kommenden Jahr vermutlich erheblich ansteigen. Das kündigte Jugendamtsleiter Siegbert Goll in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses an. Hauptursache seien die zu erwartenden Aufwendung für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Goll stellte allerdings klar, dass sämtliche Kosten in diesem Bereich vom Freistaat erstattet werden. Deshalb erwarte er beim Ergebnis nur einen kleineren Anstieg von 8,03 auf 8,42 Millionen Euro.

Netzwerk soll wieder aufleben

Bei den Erträgen ist im aktuellen Haushaltsentwurf eine Steigerung von 1,18 auf 2,85 Millionen Euro vorgesehen, macht also ein Plus von fast 1,7 Millionen oder 142 Prozent. Der größte Teil, nämlich 1,5 Millionen Euro, entfalle auf die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Hinzu komme das Problem der Vormundschaften: "Wir haben nicht genug Personal", berichtete Goll. Deshalb suche er nach einem Verein, der die Leistung je nach Bedarf übernimmt. Dafür seien 70 000 Euro eingeplant. Zum Thema Asyl fragte Kreisrat Christian Fenn (Grüne), ob das Netzwerk Integrationsarbeit wieder belebt werde. Landrat Thomas Bold kündigte an, dass der Landkreis die Initiative übernehme und einen Nachfolger für den bisherigen Leiter des Netzwerkes, Martin Pfeuffer, suche.

Weitere Schulen im Programm

Die Aufwendungen im Haushaltsentwurf des Jugendamtes steigen laut Goll von heuer 9,21 Millionen auf 11,27 Millionen Euro. Auf einzelne Erhöhungen ging er genauer ein: So haben sich weitere Kommunen für die Jugendsozialarbeit an Schulen angemeldet. Für Bad Brückenau, Münnerstadt, Nüdlingen und Hammelburg sei die Betreuung bereits beschlossen, mit Bad Kissingen und Oerlenbach gebe es Gespräche.
Für den Bereich Pflegekinder erwartet Goll nur eine leichte Steigerung von 701 000 auf 734 000 Euro. "Die Zahlen sind stabil", berichtete der Leiter des Jugendamtes. Das gelte auch für die Inobhutnahme von Kindern: "Wir hatten in den vergangenen Jahren immer etwa 20 Fälle." Deshalb bleibt auch der Kostenansatz fast konstant bei rund 50 000 Euro. Einen zusätzlichen Fall gebe es dagegen bei der stationären Unterbringung. Durch diesen Fall und die Anhebung der Tagessätze summiert sich die Steigerung bei den Aufwendungen auf knapp 600 000 Euro: Der Landkreis zahlte heuer rund 1,8 Millionen Euro, 2015 werden es rund 2,4 Millionen Euro.

Zuschüsse für Beratungsstellen

Die Erziehungsberatungsstelle der Caritas fördert der Landkreis im kommenden Jahr mit 196 000 Euro, die Schwangerenberatungsstelle mit 37 900 Euro, den Verein Kidro mit 36 000 Euro und die Anlaufstelle "Sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen" mit 10 000 Euro.

Struktur Einstimmig beschlossen wurde im Ausschuss eine Änderung des Organisations- und Geschäftsverteilungsplanes sowie der Satzung für das Jugendamt: In Zukunft ist die Zuständigkeit für Senioren im Sozialamt gebündelt. Landrat Thomas Bold verwies darauf, dass derzeit ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept erstellt wird. Deshalb werde alles in einem Sachgebiet zusammengelegt.

Zeltplätze Erhöht werden zum Jahr 2016 die Gebühren für die vier Jugend-Zeltplätze des Landkreises Bad Kissingen: Auf dem Farnsberg liegt die Gebühr für Landkreisbewohner bei vier Euro und für Besucher von außerhalb bei fünf Euro und wird jeweils um 30 Cent erhöht. Der Mindestsatz für Gruppen steigt von 120 auf 130 beziehungsweise 150 auf 160 Euro. Für die Zeltplätze Totnansberg, Schloss Saaleck und "An der Zehnt" in Münnerstadt liegt die Gebühr bei 2,50 Euro (Landkreisgruppen) und 3,50 Euro (Auswärtige) pro Person und steigt jeweils um 20 Cent.

Freizeiten Neu gefasst wurden die Zuschüsse für Jugend-Freizeiten: Zum einen sind Ferienfreizeiten in Zukunft einen Tag länger, also bis zu 15 Tage förderfähig, zum anderen steigt der Tagessatz von 30 auf 32 Euro. Zudem übernimmt der Kreis für jugendliche Asylbewerber den Eigenanteil von 3,50 Euro pro Tag.

Integration Neu erlassen wurden die Förderrichtlinien für die integrationsbezogene Jugendsozialarbeit: Das Projekt in Wildfelcken sei das letzte, das noch über die alten Förderprogramme bezuschusst werden konnte, berichtete Jugendamtsleiter Siegbert Goll. Für die Zukunft soll es zwei Möglichkeiten geben, wie der Landkreis Integrationsarbeit unterstützt: Zum einen über den Verein "Pro Jugend", wie es bereits jetzt in Bad Brückenau der Fall sei, zum einen soll eine projektbezogene Förderung eingeführt werden. Der Landkreis übernimmt die vollen Personalkosten, allerdings nur bis zu 8000 Euro, das entspricht fünf Wochenstunden.