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Neue Praxis in Bad Kissingen: Ein Tropfen auf dem heißen Stein?


Autor: Ellen Mützel

Bad Kissingen, Freitag, 01. April 2022

Mit der Eröffnung der Hausarztpraxis von Astrid Laue ist zumindest eine rechnerische Lücke in Bad Kissingen geschlossen. Warum es dennoch mehr Ärztinnen und Ärzte bräuchte - und was dem entgegensteht.
Astrid Laue in ihrer neuen Praxis am Ultraschallgerät, daneben ihr Sohn Alexander Ferrari, der später in die Praxis einsteigen und sie übernehmen wird.


"Eigentlich wäre ich heute nicht hier, sondern in der Karibik", eröffnet Dr. Astrid Laue den Gästen, die zur Eröffnung ihrer Hausarztpraxis am Marienplatz gekommen waren. Doch es sei alles anders gekommen. Corona ließ die Pläne einer Weltreise wackeln, daneben stieß sie oft auf die Tatsache, dass es zu wenige Hausärzte in der Region gibt.

Der Anruf des Hausarztes Peter Gleißner im Sommer, ob sie mit ihrem Sohn seine Praxis übernehmen wolle, hatte zumindest einen Stein ins Rollen gebracht. Zur Übernahme kam es zwar nicht, doch die ersten Vorbereitungen zur eigenen Praxis waren schon begonnen. Etwa im Juli fasste Laue den Entschluss, eine neue Praxis zu eröffnen.

Sie merkte, wie schwierig und langwierig das ist: Allein sich in die Materie einzuarbeiten, habe viel Zeit gekostet. Dazu kamen Regulierungen, die einzuhalten sind: für eine Bewerbung auf den Kassensitz musste sie beispielsweise vorher schon einen Mietvertrag für eine Praxis vorhalten können - hätte das nicht geklappt, hätte sie nun Praxisräume ohne Patienten.

Auch eine Checkliste für die Neugründung einer Praxis hätte sie gut gefunden. Da sie durch ihre Arbeit im Impfzentrum, im Notdienst oder in der Klinik gut vernetzt ist, hatte Laue auf allen Seiten Hilfe. Dennoch habe es viel zu tun gegeben.

Die städtische Sparkasse, der die Räume gehören, habe diese mit Laue "in einer Hau-Ruck-Aktion" zur Praxis umgewandelt - noch am Tag zuvor wurden die letzten Arbeiten abgeschlossen. Viele Einwohner der Kurstadt werden Laue ihr entschlossenes Handeln danken - ist die Suche nach einer Hausarztpraxis hier schon immer nicht leicht. Dazu kommen viele Menschen, die von der Schließung der Praxis des Hausarztes Peter Gleißner betroffen waren.

Zu wenige Praxen in der Stadt

Die Stadt Bad Kissingen und Laue sind sich einig, dass es eigentlich mehr Praxen bräuchte. Doch mehr geht gar nicht. Das entscheidet nicht die Stadt, sondern die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Sie regelt, wie viele Ärztinnen und Ärzte sich dort niederlassen dürfen. Das drückt sich in Kassensitzen aus, die die KVB ausschreibt. Ein Kassensitz entspricht 25 Stunden an Sprechstunden.

"Bei der letzten Vergabe standen zwei Kassensitze zur Verfügung - beide wurden durch Ärzte beziehungsweise Ärztinnen aus Bad Kissingen in Anspruch genommen", sagt Thomas Hack von der Pressearbeit der Stadt. Damit ist Bad Kissingen in den Augen der KVB rechnerisch voll besetzt, mehr darf in der Stadt nicht angeboten werden.

Vollversorgung nur auf dem Papier

Die Rechnung der KVB gehe nicht mit der Demografie in der Kurstadt zusammen, die bekanntlich einen hohen Altersschnitt hat, sagt Wirtschaftsförderer Sebastian Bünner. "Oberbürgermeister Dr. Vogel hat bereits mehrfach die KVB darauf aufmerksam gemacht, dass der sogenannte ,Morbiditätsfaktor' (Anm. d. Red.: Dieser berücksichtigt den Altersschnitt) für den Planungsbereich Bad Kissingen zu wenig Berücksichtigung findet", sagt Pressesprecher Hack.

Auf Basis des Morbiditätsfaktors errechnet die KVB, dass eine Ärztin oder ein Arzt in Bad Kissingen 1528 statt 1607 Menschen versorgen kann, erklärt Axel Heise von der KVB. Dort müsse also ein Arzt rechnerisch weniger Patienten versorgen als bundeseinheitlich festgelegt.

Es gebe bundesweite Vorgaben auf der Basis des Sozialgesetzbuches, die genau vorschreiben, wie der Versorgungsgrad in den Regionen Deutschlands definiert ist. "Von diesen Zahlen, die im Prinzip am ,grünen Tisch' in Berlin entstehen, kann die gefühlte Realität in den einzelnen Regionen Deutschlands durchaus abweichen", so Heise.

Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch: "Weder Landesausschuss noch der von der KVB unabhängige Zulassungsausschuss Ärzte Unterfranken (50/50 besetzt mit Vertreter der Kassen und der Ärzte) können "einfach so", sprich losgelöst von den gesetzlichen Grundlagen, zusätzliche Kassenarzt- oder Psychotherapeutensitze vergeben. Dies wäre ein klarer Gesetzesbruch."

Bei Gleißners Praxisaufgabe zeigte sich ein Problem, das hier in den kommenden Jahren noch öfter aufkommen wird: Gibt ein Arzt seine Praxis ohne Nachfolger auf, wird der Kassensitz zunächst ein halbes Jahr eingefroren, erst dann können sich wieder interessierte Ärzte oder Ärztinnen darauf bewerben.

Gedacht war das, damit ein Mediziner die Möglichkeit hat, seine Praxis nachzubesetzen. Das passiert aber immer seltener. Laue hat vorgesorgt: Ihr Sohn, Alexander Ferrari, wird bald ins Praxisgeschäft einsteigen, Plätze für ein bis zwei weitere Ärzte sind ebenfalls vorhanden.