Neue Altstadt Bad Kissingen: Tüfteln am perfekten Beton
Autor: Benedikt Borst
Bad Kissingen, Donnerstag, 25. April 2019
Bei der Kanalsanierung in der Fußgängerzone setzen die Ingenieure auf einen speziellen Flüssigboden. Die Anforderungen an ihn sind hoch. Jetzt sind die Tests abgeschlossen.
Bodenanalysen, Grabungen, Kanalerkundungen. Viele der vorbereitenden Untersuchungen für das 26 Millionen Euro Projekt "Neue Altstadt" haben sich direkt in der Fußgängerzone abgespielt. Aber nicht alle. Die Techniker des städtischen Tiefbauamtes haben sich auch in den Katakomben unter der Wandelhalle breit gemacht. "Seit 2015 laufen hier Versuche", sagt Projektsteuerer Jochen Wehner. Und zwar mit einem echten Alleskönner: dem Flüssigboden. Mit dem wollen die Ingenieure eine ganze Reihe an technischen Herausforderungen in den Griff bekommen, damit das Mammutprojekt gelingt.
Tests mit Maxwasser
Doch der Reihe nach. Zunächst einmal ist es wichtig, zu wissen: Die Gräben, die bei der Kanalsanierung in der Altstadt entstehen, werden nicht einfach wieder mit der Erde aufgefüllt, die die Bagger dort vorher rausgeschaufelt haben. Dafür sollen spezielle Flüssigbodengemische zum Einsatz kommen. Und die müssen gewisse Eigenschaften haben. Vor allen Dingen darf sich der Flüssigbeton im Bad Kissinger Grundwasser nicht auflösen. "Wir haben dort einen hohen -Gehalt. Das Wasser ist sehr Betonaggressiv", erklärt Wehner.
Außerdem muss der Boden trotz des Wassers um ihn herum ordentlich aushärten. Ermuss dicht und stabil genug sein, um die Straße obendrüber zu tragen. Gleichzeitig muss er eine erdähnliche Konsistenz aufweisen, also Spatenfest sein. Das heißt: "Man muss ihn mit einem normalen Spaten wieder ausgraben können." Schließlich befinden sich diverse Versorgungsleitungen im Untergrund, an die die Betreiber irgendwann wieder rankommen müssen.
Zurück in die Katakomben. Die Wasserleitungen hier unten versorgen eigentlich den Brunnenausschank in der Wandelhalle mit frischem Wasser aus den Kissinger Heilquellen. "Wir haben einen Auslauf für den Maxbrunnen umbauen lassen und angezapft", erläutert er. Frisches Heilwasser läuft in eine Versuchskiste, in der verschiedene Betonproben bis zu ein Jahr lang gelagert sind. Das Maxwasser enthält 200 Milligramm pro Liter und damit mehr als das Grundwasser. Wehner: "Wir testen unter extremen Bedingungen und gehen damit auf Nummer sicher."
Erschütterungen vermeiden
Warum wollen die Planer überhaupt auf den Beton zurückgreifen und verwenden nicht einfach die ausgegrabene Erde, um die Gräben wieder aufzufüllen? "Der große Vorteil ist, dass der Flüssigboden reingepumpt wird und sich selbst verdichtet", erklärt Bautechniker Julian Hergenröther. Das Material ist zwar etwas teurer, die Erde müsste hingegen mit hohem Personal und Maschineneinsatz verdichtet werden. Das sorgt nicht nur für mehr Staub und Lärm, sondern geht auch nicht ohne Erschütterungen - und die gilt es in der Innenstadt zu vermeiden, um die alten Häuser nicht zu beschädigen. "Der Flüssigboden löst damit eines der größten Probleme", sagt er.
Die Planer verlangen dem Baustoff aber noch mehr ab. Der Kanalgraben wird schichtweise aufgebaut. "Wir brauchen eine Auflage, auf der die Leitungen liegen", erläutert Wehner. Das heißt, der Beton wird modelliert, dann werden auf ihm Kanal-, Wasser- und Gasrohre sowie Stromleitungen aufgebracht und auftriebssicher verankert. "Sie dürfen sich unter der Straße nicht verschieben."
Aufgrund seiner widerstandsfähigen Eigenschaften soll der Beton die Leitungen wie eine Schutzhülle umschließen. Die oberste Betonschicht hat außerdem wie ein Deckel den Untergrund gegen Verschmutzungen von oben abzuschirmen. "Es ist eine Auflage des Wasserwirtschaftsamts, oben eine Dichtschicht einzubringen", sagt Wehner. Die müsse so dicht sein, dass durch sie nichts in Richtung Grund- und Heilwasser durchdringt.