Naturschutz ist ein Grundgesetz
Autor: Stefan Geiger
Oerlenbach, Freitag, 17. Mai 2013
Der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Hubert Weiger, sprach bei den "Oerlenbacher Gesprächen" den Bürgern ins Gewissen.
Was zunächst etwas trocken klingt, betrifft jeden von uns unmittelbar: Der Artikel 20a des Grundgesetzes, in dem Natur- und Umweltschutz zur zentralen Aufgabe unserer Gesellschaft erklärt wurden, war der Dreh- und Angelpunkt der Oerlenbacher Gespräche .
Mit Professor Hubert Weiger als Vorsitzenden des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und des Bundes Naturschutz Bayern (BN) konnten Gemeinde und Bundespolizei einen Fachmann par Excellence gewinnen.
Trotz der Verankerung im Grundgesetz seien nicht alle Ziele dieses Paragraphen den Bürgerinnen und Bürgern ausreichend bewusst und können nur erreicht werden, wenn sich der Staat zu Bürgergesellschaften weiter entwickelt, erklärte Hubert Weiger.
Der zitierte Artikel 20 a war 1994 aufgenommen und um den Tierschutz im Jahr 2002 ergänzt worden. "Knappste Ressource ist der Boden", stellte Hubert Weiger heraus, "mit ihm gehen wir verschwenderisch um; denn täglich verlieren wir in Deutschland 80 Hektar, davon in Bayern 18 Hektar (entspricht 30 Fußballfelder)."
Unsere Ansprüche würden immer größer, aber der Flächenschutz zurückgedrängt. Die Landwirtschaft steigere Erosion, Verdichtung sowie Stickstoff- und Pestizideeinträge, im Forst verminderten Rückegassen die Rückhaltekraft des Bodens für Wasser. 43 000 Hektar würden jährlich in Deutschland für Gewerbe, Industrie und Verkehr überbaut. Auf der anderen Seite dürfte in nur 40 000 Hektar Wald Natur Natur sein, also nur 0,11 Prozent der Landfläche.
Schon vor 300 Jahren erkannt
In Bayern werde der Boden zu 49,3 Prozent von Landwirtschaft, 35 Prozent von Wald und 11,4 Prozent für Siedlung und Verkehr genutzt, wobei der landwirtschaftliche Anteil abgenommen und Verkehrs- und Siedlungsflächen deutlich zugenommen hätten.
Gefordert sei Nachhaltigkeit, die bereits vor 300 Jahren von Hans Carl von Carlowitz erkannt worden sei; denn er forderte, dass natürliche Ressourcen, also Holz nur in dem Maße genutzt werden dürfe, wie wieder nachwächst. Gegen dieses Nachhaltigkeitsprinzip werde häufig verstoßen, wenn Bodenschätze ausgebeutet, Öl und Kohle verbrannt, Fischbestände überfischt sowie Hormone, Medikamente und Gentechnik in industrielle Tierzucht einfließen.
Schwäche des Artikels 20 a - so Hubert Weiger zum Abschluss - sei, dass er keinen Grundrechtscharakter habe, also nicht einklagbar sei. Folglich sei die Gesellschaft gefordert, sich als Bürgerdemokratie zu entwickeln, um als Verbände und Initiativen zu handeln.
Elemente auf diesem Weg seien angemessener Zugang zu Informationen, Beteiligung an Zulassungs- und Planungsverfahren sowie verstärkte Bürger- und Volksbegehren. Diese Schritte seien in das Grundgesetz aufzunehmen.
Energiegenossenschaften
Groß war das Interesse an der nachfolgenden Diskussion. Breiten Raum nahm die Aussprache ein. "Niedrige Preise dürfen wir nicht mit Not und Elend an anderer Stelle erkaufen", machte Hubert Weiger deutlich.
Dass Bayern in der Fotovoltaik führend sei, fuße auf dem BN, der zu Energiegenossenschaften ermutige. "Bei Hof haben wir zusammen mit der evangelischen Kirche das erste Windrad in Bayern erstellt", führte er weiter bezüglich der alternativen Energienutzung aus.
Reales Wissen über Landwirtschaft schwinde, da in Bayern die Betriebe je Jahr um 4 Prozent abnehmen. Die Art der Produktion müsse beim Kauf ersichtlich sein. In der Gewässerwirtschaft sei sicherzustellen, dass die Randstreifen weiter der Tierhaltung dienen. Die Vielfalt der Kulturlandschaft als "Fleckerlteppich" sei zu erhalten und nicht noch mehr Grün- zu Ackerland umzubrechen. Fruchtwechsel dürfe nicht einer Monokultur - z. B. Raps für Biogasanlagen - weichen.
Erzeuger und Verbraucher sollten sich in Gemeinschaften solidarisieren und Formen wie Bio- und Erzeugerläden in die Gesellschaft verstärkt transportieren. Als Devisen gab er aus: "Natur retten heißt, dass jeder selbst Verantwortung übernimmt." Man könne das eigene Nichtstun nicht damit entschuldigen, dass die anderen ja auch tatenlos zusehen.