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Nachtschicht auf Zeit: Im Stripclub in Bad Kissingen


Autor: Robert Huger

Bad Kissingen, Montag, 31. August 2015

Eine junge Tschechin kommt nach Bad Kissingen, um zu tanzen. Nach kurzer Zeit wird sie zur Geschäftsführerin. Sie arbeitet jede Nacht. Ihre erste wird sie allerdings nicht vergessen.
Lucie Senkyrova ist Geschäftsführerin im "Mascott".  Foto: Robert Huger


Nebel strömt auf die Bühne. Der Bass dröhnt aus den Lautsprechern. Zwei Scheinwerfer sind auf eine junge Frau gerichtet. Sie lässt ihre Hüften kreisen, hält inne, greift nach der Metallstange. Sie blickt auf den Boden. Nur kurz sieht sie hinüber zu den Männern in der Sitzecke, die mit Geldscheinen wedeln. Sie dreht sich um, lässt ihre Hüften kreisen, hält inne. Sie dreht sich um die Stange. Dann verstummt die Musik.
 

Die Frau geht von der Bühne. Doch nicht zu den Männern in der Ecke mit den Geldscheinen. Sie läuft einen dunklen Gang entlang, öffnet eine Tür, wirft sich auf ein Sofa und vergräbt ihr Gesicht in den Armen. Dann fließen die Tränen.
 

 


"Der erste Abend war schlimm", sagt Lucie Senkyrova (28), ehemalige Tänzerin im Bad Kissinger Stripclub Mascott. Sie wusste nicht recht, wie sie sich bewegen sollte.

 

Zudem konnte sie sich kaum verständigen, weil das Deutsch, das sie in der Schule gelernt hatte, nicht ausreichte. Doch es habe sich gelohnt, nicht aufzugeben, erzählt sie weiter. Heute ist sie eine der zwei Geschäftsführerinnen. Nach eineinhalb Jahren an der Stange hat sie an den Platz hinter der Theke gewechselt.


Nur gucken, nicht anfassen

Geboren wurde Senkyrova in Ústí nad Labem in Tschechien.

Dort machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester. Sechs Jahre übte sie diesen Beruf aus. Dann erfuhr sie von anderen jungen Frauen, die ihr Glück in Bad Kissingen versuchten - als Tänzerin. Mit 26 Jahren beschloss Lucie Senkyrova es ihnen gleich zu tun.

Arbeiter, Ärzte, Kurgäste und Touristen: Die Klientel im Stripclub ist bunt gemischt. Den Durchschnittskunden gibt es nicht.

Bei Alkohol und leichtbekleideten Mädchen reicht aber manchen Männern das Angucken nicht. Sie wollen mehr. "Wir schicken sie dann zu Chantal", sagt Lucie Senkyrova ruhig. Gemeint ist das hiesige Bordell. Das verstünden die Männer. Zu gewalttätigen Übergriffen sei es im Mascott noch nicht gekommen.

Ein paar Dutzend Besucher kommen pro Woche in den Club. Darunter auch Frauen. Meistens sind es die Freundinnen der Männer.

"Sie interessiert es, wie wir tanzen und sie wollen sich unterhalten", erzählt Senkyrova.

An heißen Tagen geht es im Stripclub weniger heiß her: "Im Sommer sind es nicht so viele Besucher wie im Winter", sagt Senkyrova. Die Geschäftsführerin und ihre Mädchen sind trotzdem zufrieden. "Man verdient mehr als eine Krankenschwester", erzählt die 28-jährige Tschechin.


Zukunftspläne

Später möchte sie wieder im Krankenhaus arbeiten. Am besten in der Intensivpflege. Dafür will sie vielleicht auch studieren. Aber erst, wenn sie das nötige Kleingeld zusammenhat. Ein paar Jahre wird sie dem Mascott wohl noch treu bleiben.

Doch die Arbeit im Stripclub sei nicht sehr praktisch für die Familienplanung. Die Männer kommen nicht damit klar.

"Es gibt deshalb immer Probleme in einer Beziehung", erzählt Senkyrova. Eine Familie will sie schon gründen, nur das Wann steht noch nicht fest. Allerdings möchte sie dann "nicht als Oma angesehen werden", sagt sie mit einem Lächeln.


Geheime Nachtschichten

Senkyrovas Freunde und Bekannte in Tschechien wissen nichts von ihrer Arbeit im Stripclub.

Sie hat ihnen erzählt, sie würde auch in Deutschland als Krankenschwester arbeiten. "Sie tolerieren es nicht", erzählt die Geschäftsführerin. "Viele denken sonst, ich mache etwas anderes." Sprich, sie hielten sie für eine Prostituierte. Nur die Familie ist eingeweiht.

Wenn sie selbst mal eine Tochter hat, will Senkyrova ihr lieber davon abraten, Tänzerin im Stripclub zu werden. "Weil es eine schwere und körperlich anstrengende Arbeit ist", sagt sie.

Die ehemalige Tänzerin würde ihrer Tochter diesen Beruf aber nicht verbieten. "Wenn sie es unbedingt machen will, kann sie es probieren", sagt sie.


Keine Verschnaufpause

Ein Nachteil der Arbeit im Club liegt auf der Hand: Die Angestellten müssen sich nach den Kunden richten. Normalerweise hat das Mascott von 20.30 bis fünf Uhr geöffnet.

Wenn aber um fünf Uhr morgens eine Gruppe junger Männer mit Geld in den Taschen den Laden betritt, können es sich weder Betreiber noch Tänzerinnen leisten, sie wieder weg zu schicken.
Am Wochenende hat der Stripclub schon mal bis um 14 Uhr geöffnet. "Und dann müssen wir noch die Bar aufräumen", sagt Lucie Senkyrova.

Das bedeutet so viel wie: um 15 Uhr schlafen gehen und zwei bis drei Stunden später wieder aufstehen, um alles für den nächsten Abend vorzubereiten.


Eine Stripperin muss nicht jung sein

Senkyrova will sich selbst nicht mehr auf der Bühne räkeln. Ihre jetzige Aufgabe gefällt ihr gut. Generell sei es gut, sehr junge Tänzerinnen zu haben. "Dann kommen jüngere Männer", sagt Senkyrova.


Sie glaubt aber nicht, dass das Tanzen eine Frage des Alters sein muss. "Wenn sie gut aussieht, eine schöne Figur hat, kann eine Frau das auch mit 50 Jahren noch machen", stellt die junge Tschechin klar. Eine Einschränkung macht sie aber: "Solange es die Gesundheit mitmacht."