Nachbarschaftshilfe für Senioren in Bad Kissingen
Autor: Edgar Bartl
Bad Kissingen, Donnerstag, 11. April 2013
Die Bevölkerung im Landkreis Bad Kissingen schrumpft. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Senioren zu. Das hat Konsequenzen für die Gesellschaft. Verwaltungen, Kirche und Caritas stellen sich schon jetzt darauf ein. Es wird ein System der Nachbarschaftshilfe auf- und ausgebaut.
Bianca Fischer-Kilian, Gründerin und Vorsitzende der gemeinnützigen Seniorengemeinschaft Kronach Stadt und Land, ist von "ihrem" Verein ganz begeistert: "Er ist wie ein zweites Kind für mich". Und er könnte ein Vorbild für den Raum Bad Kissingen sein. Bianca Fischer-Kilians Vortrag ist bei 30 Seniorenbeauftragten gut angekommen. Denn die Kronacher Gemeinschaft funktioniert ähnlich wie ein Tauschring: Dazu bildet sie eine familiäre Gemeinschaft. Außerdem trifft man sich regelmäßig.
Die Vereinsgründerin weiß, wovon sie spricht: Sieben Jahre pflegte sich ihren 2006 verstorbenen Vater, kümmerte sich auch um die kranke Mutter; "es kam manchmal ganz knallhart." Dabei stellte sie fest, dass eine Hotline, an die man sich bei Bedarf wenden kann, viel besser ist, als wenn man Freunde, Bekannte und Nachbarn mit der Bitte um Hilfe "abklappert".
So etwas gibt es seit langem in Riedlingen. Gemäß dem Grundsatz, was die einen heute haben und andere brauchen, kann morgen umgekehrt sein. Die Zeiten des Gebens und Nehmens nutzbringend zu organisieren, ist der Grundgedanke der dortigen Seniorengenossenschaft. Es finden sich Menschen zusammen, die sich helfen wollen. Darauf wurde Bianca Fischer-Kilian 2007 aufmerksam.
Sie machte sich an den Aufbau eines Vereins. Im November 2010 gaben knapp 100 Mitglieder den Startschuss. Heute ist die Genossenschaft mehr als drei Mal so groß und in 16 von 18 Kommunen im Kreis Kronach präsent. 2500 Arbeitsstunden wurden geleistet. Das Durchschnittsalter der Mitwirkenden ist mit 70,7 Jahren relativ hoch, die Frauen sind in der Mehrheit. Alle bringen sich individuell mit ihren Fähigkeiten und Interessen ein. Ein Beispiel: Der ein hackt sehr gern Holz, das andere wiederum dringend benötigen.
Bianca Fischer-Kilian: "Wir organisieren Hilfe für Ältere und nutzen dabei gleichzeitig das Potenzial älterer Menschen." Und: "Wir bilden einen Ort, wo jeder sagen kann, was er er gerne macht und suchen jemanden,der das braucht." Das funktioniert prima, auch wenn man "noch lange nicht am Ziel" sei.
Ähnliches ist im Landkreis Bad Kissingen angedacht. Ein Ziel des Netzwerks Bürgerengagement der Aufbau einer Koordinierungsstelle im Landratsamt, sagte Georg Schulz-Hertlein. Denn nicht jeder müsse das Rad neu erfinden. Es gebe viel Engagement und eine Menge Bereitschaft dazu. Aber es sei notwendig, das zu koordinieren.
Der Bedarf nimmt ständig zu
Ähnliche Aktivitäten entwickeln auch die Caritas mit ihrem Fachdienst und die Stadt Bad Kissingen mit "Senioren helfen Senioren". "Eine Stunde Zeit für einander", heißt das gleichgelagerte Projekt der katholischen Pfarrei Bad Kissingen. Ansprechpartner vor Ort sind der Fachdienst Gemeindecaritas (Helga Vierheilig, 0971/ 72 46 44), das Fachstelle generationenfreundlicher Landkreis (Georg Schulz-Hertlein, 0971/ 801 70 11), die Stadt Bad Kissingen (Seniorenbeirat, 0971/ 80 70) und die katholische Pfarrei (Diakon Christoph Glaser (0971/ 699 82 80).
Der Bedarf an solchen Angeboten wird stark zunehmen. 2008 lebten im Landkreis Bad Kissingen 105.000 Menschen, 2028 werden es nur noch 94.700 sein. Der Anteil der Gruppe "60 plus" wird von 27,4 auf 39,5 Prozent anwachsen. Dann wird es auch mehr Single-Haushalte geben. Außerdem steigen die Anforderungen an Flexibilität und Mobilität erheblich an.
Gegründet wurde die Seniorengemeinschaft Kronach als Verein im November 2010. Den Anstoß dazu hatte ein Artikel gegeben, der 2007 in einem Magazin erschienen war. Die Organisation hat heute 343 Mitglieder. Jeder kann beitreten . Das Motto lautet "miteinander - füreinander". Ziel ist die unkomplizierte Hilfe für Ältere und Hilfsbedürftige im nahen Umfeld. Senioren sollen selbstbestimmt länger in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben können. Ferner soll der nachbarschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Das Angebot reicht von Besorgungen und Begleitungen über Arbeiten fast jeder Art in Haushalt und Garten. Dazu gehören Reinigungen, Winter- und Fahrdienste, Grabpflege, Hilfe bei technischen Problemen und vorübergehenden Krankheiten. Pro Stunde erhaltener Hilfeleistung zahlt jedes Mitglied acht Euro an den Verein, der Helfer bekommt davon sechs Euro. Der Jahresbeitrag ist bescheiden. Nähere Informationen unter der Rufnummer 09621/ 91 00 115 oder unter www.seniorengemeinschaft-kronach.de.