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Mürschter Modell: Zukunft für alle?


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Montag, 21. November 2022

Neubaugebiete sind vielleicht bald schon Vergangenheit. Münnerstadt will Vorreiter für zukunftsfähiges Bauen sein und zeigen, wie auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei samt Gewächshäusern attraktiver Wohnraum entsteht.
Die Münnerstädter staunten beim Aktionstag über die Größe der ehemaligen Gärtnereifläche, die mittelfristig ein Wohnquartier werden soll. Einige Besucher und Besucherinnen nutzten den Anlass auch zum Fotografieren der weiträumigen Anlage. Foto: Heike Beudert


Seit Jahrzehnten prägen die Gewächshausreihen einer Gärtnerei den Blick vom Süd-Osten auf die historische Altstadt. Jetzt werden die Treibhäuser nicht mehr gebraucht. Aus dem Areal soll nun ein Modell für zukunftsfähiges Bauen werden, das beispielhaft für ganz Bayern sein könnte.

Klassische Neubaugebiete sind nach Ansicht von Münnerstadts Bürgermeister Michael Kastl Auslaufmodelle. Mit dem Projekt "Treibhaus" wollen die Münnerstädter zeigen, dass es möglich ist, auf dem ehemaligen Gärtnerei-Areal neuen Wohnraum für alle Generationen zu schaffen, ohne weiteres Acker- oder Wiesenland zu erschließen. Nicht das klassische Einfamilienhaus steht im Fokus, sondern die ökologische und soziale Ausrichtung eines Wohngebietes, das allen Generationen nach ihren Bedürfnissen Wohnraum bietet. Die Idee hat auch in München Aufmerksamkeit geweckt. So ist das Areal Teil des bayernweiten Wettbewerbs "Landstadt Bayern, Initiative für innovative Stadtentwicklung". Das Wohnkonzept, das in Münnerstadt entwickelt wird, könnte ein Beispiel dafür sein, wie künftig auch auf dem Land gebaut werden kann und gleichzeitig Ressourcen geschont und die Gemeinschaft gefördert werden.

Und eines scheint bereits jetzt sicher: Selbst wenn es das Projekt "Treibhaus" nicht in die letzte Rund des Wettbewerbs schaffen wird, will es die Stadt weiter vorantreiben und als ihr Zukunftsmodell für das Wohnen "Innen statt Außen" umsetzen. Dies bekräftigt Bürgermeister Michael Kastl, auch gestützt durch die Aussage von Manfred Grüner (Abteilung Städtebau der Regierung von Unterfranken), dass die Regierung dieses Modell auf jeden Fall fördern wird. Was jetzt noch fehlt ist ein Investor.

Bei einem Aktionstag in den Gewächshäusern zeigte sich, dass das Interesse an diesen neuen Wohnformen in Münnerstadt groß ist. Das stimmt mit den Eindrücken der Stadt überein, die bereits mehrere Anfragen hat von Menschen, die hier wohnen möchten. Es seien vorwiegend ältere Münnerstädter und Münnerstädterinnen, die sich vorstellen können, ihr Einfamilienhaus am Berg zu verkaufen und in die unmittelbare Nachbarschaft zur Altstadt zu ziehen, erklärt Bürgermeister Michael Kastl. Eine entsprechende Vormerkliste gebe es bereits.

Momentan sei es so, dass die Bevölkerungszahl in der Region weiter sinkt, die Wohnfläche aber zunimmt, sagt der Stadtplaner Martin Schirmer. In Münnerstadt gehe es darum, Antworten zu finden, wie zukunftsweisende Wohnquartiere aussehen müssen. Begleitet wird das Modellprojekt im Wettbewerb vom Planungsbüro Schirmer Architekten und Stadtplaner. Beim Aktionstag in Münnerstadt sprach Martin Schirmer von einem "spannenden Grundstück".

"Diese Botschaft wollen wir nach München senden", erklärt Bürgermeister Michael Kastl. Die Stadt spiele beim Wettbewerb in einer hochklassigen Liga und stehe im Wettbewerb mit Kommunen wie Weiden, Roth oder Mainleus. Ein Teil dieser Botschaft ist, dass es kein von oben aufgesetztes Projekt werden soll, sondern eines, von dem man sicher ist, dass es auch in der Bevölkerung auf eine breite Zustimmung trifft.

Doch wie stehen die Münnerstädter und Münnerstädterinnen zu dieser Idee? Sehr gut, glauben die Vertreter und die Projektverantwortlichen der Stadt, Bürgermeister Michael Kastl, Klimamanager Stefan Richter, Marketing-Fachmann Kilian Düring und Kulturmanager Nicolas Zenzen.

Diese Aussage treffen sie nach dem Aktionstag vom Samstag. Dort informierten sich rund 150 Menschen darüber, was aus dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei werden könnte. Die Besonderheit: Viele beteiligten sich auch an dem angebotenen Workshop und brachten ihre eigenen Ideen ein, wie ein solches Wohngebiet aussehen soll.

Wichtigstes Fazit: Die Idee, aus dem Gelände ein zukunftsfähiges Stadtviertel zu formen, stößt auf breite Zustimmung. Die Münnerstädter Künstlerin Mia Hochrein betonte auf Anfrage dieser Zeitung: "Die Stadt muss das machen". Für Mia Hochrein ist die Umwandlung der Gärtnereifläche in ein Wohngebiet der richtige Schritt in die Zukunft. Sie könne sich gut vorstellen, hier zu leben. Ein weiteres Fazit ist: Es gibt bei den Vorschlägen zahlreiche Gemeinsamkeiten. Ideen konnten sowohl zur baulichen Gestaltung gemacht werden, als auch zur Landschaftsplanung. Ein Teil des Geländes kann, weil im Überschwemmungsgebiet gelegen, nicht bebaut und soll als Freizeitgelände erschlossen werden.

Der Traum vom Badeteich

Dietmar Wohlfromm begrüßt das Treibhausprojekt, wünscht sich ein sozio-kulturelles Quartier. "Und es muss Wasser fließen", sagt der Münnerstädter. Ein im Areal verrohrter Bach sollte wieder offen sein. Ein Gewächshaus könnte als Pool dienen, "unser kleines Hallenbad", so seine Utopie. Mit diesen Vorstellungen steht der Münnerstädter nicht alleine, zeigte sich bei den Workshops. Der Wunsch nach dem Bachlauf kam immer wieder. Ein öffentlicher Badeteich sei in allen erarbeiteten Vorschlägen zu finden, betonen die Organisatoren des Aktionstages. Eine weitere Idee war, eines der im Überschwemmungsgebiet stehenden und damit eher nicht für eine Bebauung in Frage kommenden Gewächshäuser für ein Gartenprojekt zu erhalten.

Das bauliche Konzept der Workshop-Gruppen sah meist bis zu dreistöckige Mehrfamilienwohnungen vor, teilweise im Wechsel mit einem Bereich, der eher Reihenhauscharakter hat, um auch Bedürfnisse junger Familien zu erfüllen. Eine Gruppe wünschte sich zudem gemeinsam nutzbare Büroräume.Photovoltaik und grüne Dächer waren immer dabei.

Monika Petsch befürwortet, dass aus dem Gärtnereigelände ein Wohngebiet werden soll. Etwas schwerer tut sie sich mit dem Gedanken, dass dort hauptsächlich Wohnungen entstehen könnten. Sie wünscht sich auch Einfamilien- oder zumindest Reihenhäuser, weil sie glaubt, dass viele junge Familien, die gerne in Münnerstadt bleiben oder zurück in ihren Heimatort gehen möchten, ein eigenes Häuschen bevorzugen.

Tim Krais ist gerade mit seiner Partnerin auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie in seiner Heimatstadt. Er wollte sich anhören, welche Perspektiven Projekt Treibhaus jungen Leuten bietet, die eine Familie gründen möchten. Ob das Projekt etwas für seine Bedürfnisse wird, ist er sich nicht sicher. Denn er tendiere zum Haus und nicht zu einer Wohnung. Eine eher alternative Bebauung wünscht sich dagegen der Gymnasiast Jakob Düring, der sich beim Aktionstag erstmals mit dem Thema "Stadtplanung". Für Bürgermeister Michael Kastl auf jeden Fall steht fest: "Wohnungen sind zwingend erforderlich".

Martin Schirmer vom Planungsbüro Schirmer Architekten und Stadtplaner betonte am Aktionstag, dass hier ein Stadtviertel mit urbaner und grüner Qualität entstehen könne. Handlungsbedarf besteht seiner Ansicht nach nicht nur in baulicher, sondern auch in landschaftlicher Hinsicht, erklärte er den Anwesenden. Denn bislang dominieren die Gewächshäuser den Blick auf die historische Altstadt. Nun habe man die Möglichkeit, den Landschaftsraum besser erkennbar zu machen.

Das Würzburger Planungsbüro wird in den nächsten Wochen die Vorschläge aus der Bevölkerung als Grundlage für die Ausschreibung des Architektenwettbewerbs nutzen. Gestartet wird dann im Spätwinter 2023 auch das Anhörungsverfahren mit Fachbehörden, deren Vorgaben den weiteren Rahmen für die Bebaubarkeit bilden. Die Ergebnisse des Aktionstags werden in den nächsten Tagen auf der städtischen Homepage unter muennerstadt.de einsehbar sein.