Wallfaht: Gehen, beten, singen
Autor: Heike Beudert
Wermerichshausen, Freitag, 07. Mai 2021
Die Vierzehnheiligen-Fuß-Wallfahrt hat in Wermerichshausen eine lange Geschichte.Wegen Corona kann sie wieder nicht in gewohnter Weise stattfinden.
"Wallfahrer ziehen durch das Land mit fliegenden Standarden..." heißt es in einer Strophe des Frankenliedes. Jetzt in diesen Maitagen um den Feiertag Christi Himmelfahrt wären viele Wermerichshäuser zusammen mit Gläubigen aus umliegenden Ortschaften eigentlich unterwegs zur Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. Doch durch Corona musste diese Traditions-Fußwallfahrt nun schon zum zweiten Mal ausfallen. Dabei hätten die Wermerichshäuser in diesem Jahr sogar ein kleines Jubiläum feiern können. Vor 75 Jahren begründete der damalige Wermerichshäuser Bürgermeister Otto Heusinger die Vierzehnheiligen-Wallfahrt in ihrer heutigen Form. Sie findet immer in der Woche vor Christi Himmelfahrt von Donnerstag bis Montag stattfindet. Die einfache Strecke beträgt rund 75 Kilometer. Gewallt wird hin und zurück.
Die Verbindung des kleinen Münnerstädter Stadtteils zur oberfränkischen Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen gibt es jedoch schon länger. Belegt ist, dass bereits um 1920 Bürger des Dorfes gemeinsam mit Gläubigen aus anderen Orten in Richtung Staffelstein zogen. Das ist auch in heutiger Zeit wieder so. Mittlerweile kommen die Gläubigen aus 70 Dörfern und Städten, erklärt der aktuelle Wallfahrtsführer Markus Kohlhepp; seine Heimatgemeinde hatte sich so 1982 der Fußwallfahrt angeschlossen.
Im 1999 von den Museumsfreunden und dem Münnerstädter Hennebergmuseum herausgegebenen Band über die Wallfahrten in der Region "Beten mit den Füßen" ist nachzulesen, dass es 1946 ausschließlich Wermerichshäuser Bürger waren, die nach Vierzehnheiligen zogen. Soldaten hatten damals die Wallfahrt für ihre glückliche Heimat gelobt; Frauen, deren Männer noch in Kriegsgefangenschaft waren, beteten für eine gesunde Rückkunft.
Geplagte Füße
Mitte der 1950er Jahre nahm Elisabeth Lenhardt das erste Mal als junges Mädchen teil. "Es war selbstverständlich, dass man da mit geht", erinnert sich die Wermerichshäuserin zurück. Das bestätigt auch Petra Schmitt, die Enkelin von Otto Heusinger. Das Wallen war bei ihr Familientradition. So war auch sie schon als Jugendliche das erste Mal dabei und trat später in die Fußstapfen ihres Großvaters, als sie 1997 Verantwortung als Wallfahrtsführerin mit erst 29 Jahren übernahm. Zwischen 2000 und 2017 führte sie dieses Amt zusammen mit Markus Kohlhepp aus. "Es war eine sehr schöne Zeit", auch wenn es manchmal anstrengend war, meint die Burghäuserin.
"Man muss gut zu Fuß sein", sagt Elisabeth Lenhardt von ihren 14 Vierzehnheiligen-Wallfahrten, bei denen sie auch Vorbeterin gewesen ist. Missen möchte sie keinen Tag. "Wenn ich könnte, würde ich es noch immer machen", sagt sie. Ihr hätten diese Tage viel gegeben. Sie berichtet von ergreifenden Momenten und sagt: "Es war immer ein Erlebnis".
Elisabeth Lenhardt hat die Zeit erlebt, als der Begleitwagen mit dem Proviant und dem Gepäck der Gläubigen nicht motorisiert war, sondern von zwei Pferden gezogen wurde. Weil es unterwegs keine Einkehrmöglichkeit gab, musste in den Anfangsjahren die gesamte Verpflegung transportiert werden. Der sogenannte "Maroden-Wagen" bietet von jeher aber auch denjenigen Platz, die eine Pause vom langen Gehen brauchten.
Richtiges Schuhwerk für so eine lange Tour hatten die wenigsten. Sie weiß von einem Mann, der in Gummistiefeln den Weg nach Vierzehnheiligen zurückgelegte, andere marschierten in Sandalen. Bei Regengüssen sei der Matsch vorne rein und hinten wieder hinausgelaufen. Es war aber auch manches Mal so heiß gewesen, dass die Schuhsohlen fast am Asphalt festklebten. "Man hat sich viele Blasen geholt", sagt Elisabeth Lenhardt. In Vierzehnheiligen habe eine Ordensschwester die Blessuren versorgt.
Die Zeiten haben sich geändert, die Ausrüstung ist besser geworden, unverändert geblieben ist aber das, was das Wesen der Wallfahrt ausmacht: Den eigenen Glauben in der Gemeinschaft leben. Bis heute tragen viele der Teilnehmer ein Anliegen mit hoch zur Wallfahrtskirche und hoffen auf dabei Hilfe.
Die Münnerstädterin Gabi Borst, die 2009 zum ersten Mal mitlief, hat erlebt, dass ältere Leute den Wallfahrern Anliegen mit auf den Weg gegeben hätten. Weniger geworden sei jedoch, dass Menschen in den Dörfern, durch die man zieht, stehen bleiben und mitbeten. Ergreifend findet die Münnerstädterin immer wieder, wenn die Glocken des Dorfes die durchziehenden Pilger willkommen heißen. Bis heute wird übrigens entlang der gesamten Pilgerstrecke gebetet und gesungen. "Die Musik gibt den Takt vor und man schaltet einfach ab", sagt Gabi Borst. Man könne in diesen Tagen der Wallfahrt den Alltag hinter sich lassen.
Emotionale Momente
Für Petra Schmitt aus Burghausen ist immer wieder ein emotionaler Moment, wenn man sich am zweiten Wallfahrtstag nach rund 40 Kilometern Wegstrecke den Berg zur Kirche hochkämpft, dort empfangen und willkommen geheißen wird. "Wenn man fix und fertig angekommen ist, dann gehört man da hin".
Die Wallfahrer schätzen aber auch den Zusammenhalt während dieser Tage. Jeder zieht den anderen mit, meint Gabi Borst. Sie schätzt zudem die Herzlichkeit, die den Pilgern in den Dörfern entgegengebracht mit. Auf dem Hin- und Rückweg übernachten die Teilnehmer je einmal in einem Dorf, oftmals über Jahre in der gleichen Unterkunft. "Da sind richtige Freundschaften entstanden", sagt Elisabeth Lenhardt.
Die Corona-Pandemie hat die Tradition der Fußwallfahrt unterbrochen. Doch Markus Kohlhepp hat keine Sorge, dass dieser Brauch darunter leiden wird. Wenn im Jahr 2022 wieder gewallt werden darf, rechnet er vielleicht sogar mit mehr Teilnehmern als sonst, weil sicherlich viele aus Dankbarkeit mit dabei sein wollen. Zuletzt hatte sich die Teilnehmerzahl auf rund 230 eingependelt, darunter auch jüngere Leute, sagt Markus Kohlhepp. In Spitzenzeiten waren es bis zu 300 Gläubige.
Wallfahrtsgottesdienst
Dank sinkender Coronazahlen gibt es in diesem Jahr für die Wermerichshäuser Pilgergemeinschaft zumindest einen Wallfahrtsgottesdienst in Vierzehnheiligen. Platz ist für 160 Personen. Die Messe findet am heutigen Samstag (8. Mai) um 9.30 Uhr statt.
Gabi Borst und eine Freundin werden Vierzehnheiligen auch in diesem Jahr zu Fuß erreichen. Sie machen sich zu zweit auf den Pilgerweg. Weil übernachten nicht möglich ist, werden sie sich am Ende der ersten Tagesetappe abholen lassen und die Nacht zuhause verbringen, ehe sie am Morgen wieder zum Ausgangspunkt der zweiten Etappe gebracht werden. Es sei vielleicht eher eine Wanderung, als eine Wallfahrt, meint Gabi Borst. Denn die Gemeinschaft fehlt natürlich.