Theater Schloss Maßbach: Wunderbare Komödie über den Tod
Autor: Thomas Ahnert
Maßbach, Montag, 14. Februar 2022
In Martin Baltscheits Stück "Nur ein Tag" für Kinder wird das Thema nicht banalisiert, vielmehr geht es um die elementaren Fragen von Leben und Tod, von Glück und Freundschaft, vom Sinn des Lebens. Und auch der Spaß für Groß und Klein kommt nicht zu kurz.
Da konnte schon Skepsis aufkommen bei dem neuen Drei-Personen-Stück, dass die Maßbacher jetzt im TIP, dem Theater im Pferdestall, anbieten. Gut, noch nicht beim Titel - der konnte noch alles bedeuten. Und auch noch nicht bei der Eingangsfrage: "Was, wenn man nur einen einzigen Tag hätte?" Aber wenn man die Ankündigung weiterlas, änderte sich das schlagartig, denn die Sache wird grotesk.
Denn da heißt es: "Was, wenn man nur einen einzigen Tag hätte? Als Wildschwein und Fuchs der Eintagsfliege beim Schlüpfen zusehen, wissen sie schon, dass es besser wäre, gleich abzuhauen." Als ob eine kapitale Wildsau oder ein Fuchs schon jemals eine schlüpfende Eintagsfliege überhaupt bemerkt hätten! Aber die beiden haben Bedenken, dass sie "bezaubernd" sein könnte und sie sich vielleicht sogar in sie verlieben. Naja!
Auf der anderen Seite plagt sie die Frage, wie sie der gerade geschlüpften Fliege beibringen sollen, dass sie nur einen Tag zu leben hat, wie sie ihre Trauer erklären sollen. Und sie erklären der Fliege, dass es der Fuchs sei, der nur am Ende des Tages sterben werde. Jetzt ist das Entsetzen an der Fliege, und sie überredet die beiden dazu, an dem Tag alles zu unternehmen, was einen Fuchs in seinem Leben glücklich macht, so lange noch Zeit ist - zum Beispiel die Wildsau zu heiraten oder Hühner anzuschauen - aber wirklich nur anschauen oder bestenfalls an einem lutschen.
Walter Baltscheit hat ein Stück geschrieben, das auf den ersten Blick außerordentlich diskrepant ist. Einerseits geht es darin um die elementaren Fragen von Leben und Tod, von Glück und Freundschaft, vom Sinn des Lebens. Andererseits ist es ausgewiesen als "Theaterstück für Kinder ab fünf Jahren". Ein ziemlich großer Spagat, denn die kümmern sich eigentlich noch nicht um die großen Daseinsfragen. Und man erreicht die Kinder auch nicht, wenn man aus dem Stück einen philosophischen Diskurs macht - obwohl darin natürlich auch Hinweise auftauchen, dass der Tod, genauso wie die Geburt, ein integraler und notwendiger Bestandteil des Lebens ist.
Aber auf den zweiten Blick kann deutlich werden, dass man die Diskrepanz durchaus auflösen kann, wie Tina Geißinger und ihr Team mit ihrer Inszenierung im TIP beweisen. Es waren gerade die Fünfjährigen, die (gefühlt) am lautesten lachten, weil sie sich einfangen und abholen ließen von dem köstlichen, temporeichen, akrobatischen, manchmal ein bisschen klamaukigen Humor, den sie oft schneller verstehen als ihre Eltern, von einer mitreißenden Spiellaune auf der Bühne, die aber durchaus auch ihre nachdenklichen Ecken hatte - vor allem dann, wenn Fuchs und Wildsau mal wieder an den Rand der Überforderung gerieten, wenn sie etwa bemerkten, dass der mühsam zu vertuschende Tod der Fliege für diese überhaupt kein Thema war.
Es ist eine Inszenierung herausgekommen, in der einfach alles passt. Schon die Frage gleich zu Beginn, wie man eigentlich eine Eintagsfliege spielt, die es mit zwei doch erheblich größeren Tieren zu tun bekommt, fand eine absolut stimmige Antwort: Erika Mosonyi ist eine begnadete Eintagsfliege (bitte nicht falsch verstehen!). Sie kann mit tänzerischer Leichtigkeit und gleichzeitiger Ungelenkigkeit und mit staunendem Blick sich aus ihrem Kokon befreien und sich, zunächst noch ungeschickt, zur Fliege entfalten. Wobei Jutta Reinhard ihr ein Kostüm entworfen hat, in dem sie ihre Flügel erst finden muss, bevor sie sie allmählich entfalten kann. Erika Mosonyi spielt eine Fliege, die eigentlich mit sich im Reinen ist, die sich von der Hektik der anderen nicht anstecken lässt. Und sie ist ja nicht dumm. Sie hat das Getue um den bevorstehenden Tod des Fuchses durchschaut, denn sie hat beobachtet, dass der Höhlen baut und Junge aufzieht, und das schafft er nicht an einem Tag.
Den Fuchs Arthur und das Wildschwein Walter spielen Inka Liad und Vera Rumpel. Sie geben sie als zwei Gewohnheitstiere, deren größte Herausforderung bisher wohl war, sich Gute Nacht zu sagen und die plötzlich jäh aus dieser Routine herausgerissen werden und ihre Hilflosigkeit erfahren, denen nichts Besseres einfällt als der bevorstehende Tod des Fuchses. Und die geradezu dankbar die Vorschläge der Fliege für die letzten Glücksmomente des Fuchses aufgreifen und mitunter ziemlich aufgescheucht durch den unwegsamen Wald hasten, den ihnen Anita Rask Nielsen auf der Bühne in den Weg gebaut hat.